Problem von Anonym - 15 Jahre

Ständig Stress mit meiner Mutter und Außenseiter in der Familie

Zuerst einmal: Meine Eltern sind getrennt und ich lebe mit meiner Mutter, meinem Stiefvater und meinen 2 Schwestern zusammen. Anfangs kam ich nicht sehr gut mit der Trennung zurecht aber mittlerweile geht es, zudem war ich früher auch noch sehr klein und konnte es nicht gut verarbeiten. Aber jetzt zum Hauptproblem: Ich hab ständig Stress, wirklich ständig Stress mit meiner Mutter und das auch schon ziemlich lange!! wir bekommen uns immer wieder in die Haare.. Ich freue mich echt schon total darauf mit 18 ausziehen zu dürfen und am liebsten ans andere Ende der Welt und dann melde ich mich nie wieder bei denen.. Ich stehe auch ständig im Schatten meiner älteren Schwestern, die sind sehr zuverlässig, total lieb, richtig gut in der Schule und und und.. Ich bin eher das komplette Gegenteil, ich bin weder zu verlässig noch gut in der Schule und sehr oft bin ich auch frech zu meiner Mutter.. Ich bin auch faul wie sonst was und helfe nicht wirklich im Haushalt mit! Aber es nervt mich so übertrieben, ich habe andauernd mit diesen Vorurteilen zu rechnen, ja ich seie halt unzuverlässig, nicht gut in der schule, frech, und habe mir halt schon sachen erlaubt die sich meine schwestern nicht erlaubt haben! Wenn meine Schwestern weggehen dann vertraut meine Mutter denen voll und ganz und mir zum beispiel gar nicht! ich habe sehr viele bekannte in meinem freundeskreis und mach halt auch öfters was mit denen und die waren halt noch nicht alle bei mir zuhause und meine mutter ist dann immer total skeptisch, wer die sind und blabla.. Und meine schwestern haben eher einen kleineren freundeskreis und da kennt meine Mutter auch alle.!! Zudem bezeichnet meine Mutter meine Freunde als 'Assi' zum Teil und zwar nicht alle ich hab auch meine besten freunde die immer hier bei mir zuhause sind und die mag sie auch total aber ich finde das geht gar nicht! meine mutter sagt außerdem ich würde total schrecklich reden und das kommt von dem falschen Umgang.. Ich bin halt komplett anders als meine Schwestern und ich finde zum Bespiel Piercings//Tattoos oder Haare färben cool und meine Mutter kann das überhaupt nicht nachvollziehen und will mir das immer ausreden und bezeichnet das auch als 'assomässig' .. und meine schwestern sind halt so die lieben braven engelchen und ich bin so der teufel! Ich finde es ja gut dass ich anders bin und nicht so ein mitläufer wie meine geschwister die voll nach der nase von meiner mutter tanzen und ich liebe auch meine Freunde und gehe auch öfters weg und da ist aber schon wieder dieses Problem, mit nicht vertrauen, dieses unzuverlässige, dieses weil ich frech zu meiner Mutter war, weil sie meine freunde nicht alle kennt, weil ich diesen ruf habe und und und.. Ich bin auch einfach nicht glücklcih in der familie und ich muss ja sagen ich hab schon glück, ich habe viele freiheiten, wir sind finanziell in einer guten lage und mir wird schon viel ermöglicht aber ich bin trotzdem der komplette aussenseiter in der familie! ich finde es einfach aber auch auf irgendeine weise toll anders zu sein und ich mein das so im sinne von, ja ich bin anders ich werd meinen weg schon finden und später brauch ich die sowieso nicht mehr.. und ich wills denen auch beweisen aber ich finde es echt gut anders zu sein aber ich steche halt einfach enorm raus, weil ich nicht 'funktioniere'.. und bei meinen schwestern hat alles automatisch funktioniert , ihre entwicklung und alles und bei mir müssen die das erst lernen.. und für meine mutter ist es auch völlig neu, einen frechen teenie zu haben.. und bei meinen Freunden bin einfach so glücklich!!! Da merke ich einfach wie toll das leben doch sein kann und ich finde es so schade dass man sich seine familie leider nicht ausuchen kann aber meine freunde zum glück schon !!! ich weiß dass es zum großteil auch an mir liegt und ich die fehler nicht bei anderen suchen soll aber ich pass hier nicht rein ich bin einfach selber anders als die und finde es bessert sich auch nicht! und mit 18 sind die mich eh los und die probleme häufen sich auch immer
bitte helft mir!!!!

Nuala Anwort von Nuala

Hallo du,

ich finde, du hast deine Situation schon recht gut durchdacht und sicherlich einige wesentliche Punkte erkannt. Dass deine Mutter mit deinen "pflegeleichten" Schwestern gut zurechtkommt, dass du ein anderes Verhalten und Erscheinungsbild an den Tag legst und deswegen aneckst, dass du dich mit deinen Freunden verbundener fühlst als mit deiner Familie... all das ist schmerzlich und doch auch so menschlich und alltäglich. Und: Ich möchte deine doch sehr gefestigte Sichtweise ein wenig aufbrechen.

Die eine Seite ist, dass deine Familie resp. deine Mutter dich auf die Rolle des "frechen und unzuverlässigen" Görs festgenagelt hat. Ohne Frage, das ist unfair und hart, zumal es wie eine Zwangsjacke wirken kann. Was bleibt dir denn scheinbar anderes übrig, als dich genau so zu verhalten, wie man es von dir verlangt?
Und doch: Es ist zwar schwer, aber Menschen haben immer die Möglichkeit, aus der auferlegten Rolle zu schlüpfen. Du bist nicht dazu verdammt, auf ewig die "Böse" zu sein. Du weißt doch wahrscheinlich selbst am besten, dass du nicht in jeder Interaktion mit deiner Mutter/deinen Schwestern diabolisch bist bzw. sein würdest, wenn man dich so akzeptieren würde, wie du wirklich bist.
Ich will damit sagen, dass du das Verhalten deiner Familie am effektivsten verändern kannst, wenn du bei dir selbst anfängst. Und wenn du akzeptierst, dass bestimmte Dinge nicht zu ändern sind, aber dass man dennoch einigermaßen friedlich zusammen leben kann. Das ist verdammt schwer und geht nur, wenn du dich selbst kritisch beobachtest und dich fragst: Was mache ich gerade, was machen wir - und vor allem: Warum?

Es ist ein wichtiges Bedürfnis, sich abzugrenzen, besonders als heranwachsender Mensch. Bei manchen Jugendlichen bzw. auch Erwachsenen ist dieses Bedürfnis, dieser Drang, aber deutlich stärker ausgeprägt als bei anderen Gleichaltrigen. Sie fühlen sich unwohl, wenn sie (angeblich) in der Masse untergehen, sich nicht genügend durch bestimmte Merkmale abheben. Ich gehe davon aus, dass deine Schwestern und auch deine Mutter, da ganz anders drauf sind. Vermutlich fühlen sie sich wohler, wenn sie im Schutz der Masse abtauchen können, wenn sie sich "regelkonform" verhalten, das tun, was von ihnen erwartet wird.
Doch du stehst dem Ganzen gegenüber, kannst sie nicht verstehen in ihrer Lebens - und Verhaltensweise. Das ist ein völlig normales Phänomen in Familien! Es ist eine Illusion, dass Familie sehr ähnliche Wesen hervorbringt. Aber weil wir daran glauben WOLLEN, dass Familie Harmonie und Verstehen bedeuten soll, sind wir umso enttäuschter, wenn genau das nicht eintrifft. Deine Mutter ist enttäuscht von dir und du bist enttäuscht von ihr. Die Erwartungen sind zu verschieden, als dass sie erfüllt werden könnten. Du kannst nicht genauso werden die deine Schwester und umgekehrt auch nicht.
Familie kann auch anders verstanden werden: Als (Klein)gruppe, in der Akzeptanz und Wertschätzung herrscht, ohne dauernd etwas zu erwarten. Man muss sich nicht sonderlich ähnlich sein, um den anderen einfach so zu nehmen, wie er ist. Und das meinte ich eingangs mit dem Ändern: Du kannst den ersten Schritt tun und an dir arbeiten. Anstatt immer wieder Kraft aufzuwenden, um zu beweisen, wie einzigartig und anders du bist (das wissen sie ja sowieso schon längst), könntest du anfangen, dich in Toleranz zu üben. Toleranz dafür, dass sie andere Bedürfnisse haben als du, dass sie z.B. auf ihre Wortwahl achten, sich angepasster kleiden etc. Du verlierst nämlich nichts von deiner Individualität, nur weil du ihren Lebensstil anerkennst!
Ich glaube fest daran, dass du positive Veränderungen feststellen wirst, wenn du deiner Familie ein etwas mehr entgegen kommst. Ein bisschen im Haushalt helfen ist meiner Meinung nach auch selbstverständlich und heißt nicht, dass man "lieb, nett und langweilig" ist, sondern dass man aktiv etwas für die Gemeinschaft tut. Schließlich würdest du das bei deinen Freunden auch tun, wenn du mit ihnen zusammenleben würdest (hoffentich!). Und auch Gespräche können super verlaufen, wenn man nicht ständig versucht, Gräben zu ziehen. Einfach mal hinnehmen, dass es verschiedene Lebensweisen gibt. Du wirst sehen, dass du auch mehr Wertschätzung zurückbekommst, wenn du mit gutem Beispiel voraus gehst. Das macht so viel leichter.
Vielleicht würde es dir helfen, mit einem liebevoll - distanzierten Blick auf sie zu sehen, für dich selbst Witze zu machen (wenn du mal sehr genervt bist), aber ohne Sarkasmus und Verwünschungen. Sie haben das Recht, anders zu leben als du!

So kannst du auch besser aushandeln, wie das in Zukunft mit dem Weggehen, Freundesbesuchen und dergleichen ablaufen sollte. Wenn du erstmal eine Basis gefunden hast, auf der du mit deiner Mutter ruhig und sachlich sprechen kannst, hast du sehr viel gewonnen und die blöde "Teufel" - Rolle wird immer mehr abgestreift. Du wirst auf jeden Fall ernster genommen, wenn du in ruhigem Ton darauf hinweist, dass du keine Sonderbehandlung wünschst, nur weil du andere Lebensvorstellungen hast, als wenn du schreist, rebellierst und sie lächerlich machst.

Ohne deinen Willen geht das aber nicht. Und natürlich geht das nicht von Heute auf Morgen, aber dauerhaft ganz bestimmt! Dann verschwinden vielleicht auch deine Wünsche, ans andere Ende der Welt zu ziehen.

Es grüßt dich
Nuala