Problem von Meggi - 14 Jahre

Erste Konfrontation mit dem Tod

Ich mache seit einiger Zeit ein Praktikum in einer Tagespflege für Senioren. Mir gefällt es sehr, doch vor kurzem ist eine ältere Dame gestorben mit der ich mich sehr gut verstanden habe. Dies war meine erste reale Konfrontation mit dem Tod (zwar sind schon einige meiner Haustiere gestorben aber diesmal ist das für mich etwas anderes), denn mein Großvater starb als ich noch nicht auf der Welt war. Ich bin tieftraurig und mir tun die Angehörigen der Frau leid. Was kann ich tun um mich aufzumuntern?

Johannes Anwort von Johannes

Liebe Meggi,

ich freue mich wirklich sehr, dass du dich mit deinem Problem an uns gewandt hast.

Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass es für dich nicht leicht ist mit der Tatsache umzugehen, dass die ältere Dame in der Tagespflege für Senioren vor kurzem gestorben ist. Das hat den Nachteil, dass du sie nun nicht mehr um dich hast, dich nicht mehr mit ihr beschäftigen kannst und du sie vor allem nicht mehr siehst. Aufgrund der Tatsache, das es deine erste reale Konfrontation mit dem Tod ist, muss es für dich tatsächlich ziemlich schlimm sein. Natürlich ist es auch schrecklich, wenn Haustiere sterben, aber ich kann mir schon so ungefähr vorstellen, wie sehr dich der Tod der Dame mitnimmt, auch wenn sie nicht zu deiner Familie gehört. Dass dabei Gefühle wie z.B. Trauer, Verzweiflung, vielleicht auch Angst (Wie werden die Angehörigen der Dame ihren Tod verarbeiten?), ist nicht ungewöhnlich.

Es gibt viele Jobs, die einen schon sehr belasten können. Das ist nicht nur im Pflegeheim so, sondern auch z.B. bei der Polizei, wenn Wiederholungstäter erneut zuschlagen und die Polizisten machtlos sind, auch Altenpfleger, wenn die Angestellten sehen, wie es Patienten immer schlechter geht und vor allem Psychologen, wenn sie merken, dass sie ihren Patienten einfach nicht helfen können und sich einer vor lauter Verzweiflung von der Brücke stürzt. Mir ist bewusst, dass gerade das letzte Beispiel extrem ist, aber so ungefähr kann man es sich vorstellen.

Folgenden Tipp möchte ich dir unbedingt geben, nicht nur in Bezug auf die Patientin, sondern auf deine gesamte Arbeit bezogen: Versuche das Leid der anderen Menschen, welches du in der Tagespflege täglich mitkriegst, nicht zu nahe an dich heranzulassen, denn das tut dir auf Dauer nicht gut. Das soll nicht heißen, dass es dir egal sein soll, wie es den Patienten geht oder dass du nicht traurig sein sollst, weil du kein Mitgefühl hast. Im Gegenteil: Auch, wenn es sich im ersten Moment komisch anhört, aber irgendwo ist es auch gut, dass du wegen der Patientin traurig bist, denn Trauer ist zwar ein negatives Gefühl, aber sie muss auch durchlebt werden. Viel schlimmer wäre es, wenn du den Versuch anstellst, die Patientin auf einen Ruck aus deinem Gedächtnis zu löschen, obwohl sie dir viel bedeutet. Wichtig ist, dass diese Trauer nicht zum Dauerzustand wird.

Für mich kann ich es vielleicht so beschreiben: Beim Kummerkasten habe ich die Möglichkeit, jede Woche bis zu 200 neue Probleme zu lesen und zu beantworten. Wenn ich zu den Sorgen und Nöten der Ratsuchenden nicht eine gewisse Distanz einhalten würde, würde ich sicherlich bereits nach kürzester Zeit bei diesem Job vor die Hunde gehen. Uns erreichen viele Mails, die auch für uns sehr belastend sein können. Leider ist es so, dass wir bei den meisten Mails keine Rückmeldung bekommen, ob und wie unsere Antworten angekommen sind. Mit dieser Ungewissheit müssen wir leider leben können, auch wenn das in vielen Fällen auch uns sehr schwer fällt.

Du hast gefragt, was du tun kannst, um dich aufzumuntern. Diese Frage ist berechtigt und meiner Meinung nach sehr wichtig. Nun, da gibt es mehrere Möglichkeiten. Zum einen ist es immer hilfreich, wenn man mit vertrauten Personen darüber spricht. Vielleicht hat es dir schon geholfen, dass du uns die Geschichte geschrieben hast, ich dir zugehört und Verständnis gezeigt habe? Das ist nämlich immer ganz wichtig. Zudem geht es dir bestimmt etwas besser, wenn du bei einer passenden Gelegenheit auf der Arbeit mal mit einer Kollegin darüber sprechen könntest, mit der du dich gut verstehst. Ich gehe fest davon aus, dass alle Mitarbeiter Patienten haben, die ihnen besonders ans Herz gewachsen sind. Ich denke, dass es hilft, wenn man sich gegenseititg austauscht, denn die anderen Mitarbeiter werden solche Situationen zu gut kennen. Ich weiß, dass es gerade als 14-jähriges Mädchen ungewöhnlich ist, aber eventuell ist es auch eine Möglichkeit, mit deinen Eltern mal darüber zu sprechen. Mir ist bewusst, dass sich viele Kinder und Jugendliche aus den verschiedensten Gründen den Eltern nicht anvertrauen können, was ich vom Prinzip her sehr schade finde. Könntest du dir dennoch vorstellen, mit deiner Mutter oder deinem Vater über die Situation zu sprechen? Vielleicht kann dich auch eine gute Freundin ein bisschen trösten und in den Arm nehmen, wenn es dir schlecht geht?

Ich finde es ganz toll und vor allem auch sehr verantwortungsbewusst, dass du den Patienten in der Tagespflege bereit bist zu helfen und sie zu unterstützen, wo du nur kannst. Davon gehe ich jetzt einfach mal aus, da dir das Praktikum so gut gefällt und du dir über die Angehörigen der Verstorbenen Gedanken machst. Das ehrt dich wirklich sehr. Sieh aber bitte auch zu, dass du an den Problemen der Patienten nicht zugrunde gehst. Denke immer daran, dass es nicht dein Problem ist. Lass es nicht zu deinem Problem werden! Ich finde es sehr wichtig, dass man gerade auch als Praktikantin in einer Tagespflege (und nicht nur Praktikanten, sondern auch ausgelernte Kräfte) versucht, Privates und Geschäftliches so gut wie möhlich voneinander zu trennen. Dazu gehört auch, dass man nach der Arbeit so geht es geht versucht abzuschalten und die Sorgen von dort gar nicht erst mit nachhause nimmt. Somit geht es wieder um die Distanz, die man nach Möglichkeit so gut wie möglich einhalten sollte.

Liebe Meggi: Ich hoffe, dass ich dir mit meiner Antwort ein wenig weiterhelfen konnte. Wenn du noch Fragen hast oder ich dich noch irgendwie unterstützen kann, kannst du dich jederzeit wieder melden, denn ich bin gerne für dich da. Ansonsten würde ich mich sehr freuen, wenn du mir in drei Monaten berichtest, wie es dir ergangen ist.

Ein seelischer Schmerz ist zwar manchmal schrecklich, aber er zeigt auch, dass man lebendig ist. Man weiß auch: Schmerzen werden Schwächer. Das ist vielleicht die Hoffnung.


Alles Liebe,

Johannes