Problem von Sandy - 23 Jahre

Suizid meiner Schwester

Guten Tag liebe Beraterinnen (wär lieb wenn mir eine frau schreibt) des kummerkasten,

Wie der Titel schon sagt ist meine Shwester gestorben durch einen Suizid.
Keiner weiß warum? Aber sie hat Tagebüchter... meine Mutter findet das man die aus Respekt zur toten nicht lesen sollte aber ich will wissen was passiert ist??
Ich hab sie aus dem Müll geholt... ich find es eher schlimm die Bücher einfach wegzuwerfen, dass sie vielleicht sogar ein fremder liest! Was meint ihr?
Wisst ihr links für trauernde ich möchte nicht zu einer Psychologin!
Wie kann ich meinen trauernden Eltern helfen? Wie kann ich meinen Lebensmut wieder finden. Es ist seit sie weg ist alles leer und bedrückend!

Michaela Anwort von Michaela

Hallo liebe Sandy.

Erst einmal möchte ich dir mein herzliches Beileid zum Verlust deiner Schwester sagen.
Einen so nahen Angehörigen an den Tod zu verlieren ist wahnsinnig schwer. Geschieht dies durch einen Suizid, vervielfacht sich die Last für die Hinterbliebenen. Es muss nicht nur die Trauer bewältigt werden; durch den Suizid wird so vieles in Frage gestellt und an so vielen Grundfesten gerüttelt, dass man erstmal gar nicht weiß, wo man anfangen soll. Neben der Trauer ist man schockiert, wütend, fassungslos.
Man fragt sich immer wieder: Warum ist das passiert? Warum ist sie nicht zu mir oder irgendjemand anderem aus der Familie gegangen und hat um Hilfe gebeten? Hätte ich nicht merken müssen, wie verzweifelt sie war? Diese und viele andere Fragen tauchen in solchen Momenten auf.
Nach deiner Email gehe ich mal davon aus, dass deine Schwester keinen Abschiedsbrief an euch hinterlassen hat? Um so wichtiger ist es natürlich, ihre Tagebücher aufzubewahren! Es war richtig, sie wieder aus dem Müll herauszuholen. Deine Mutter hat einerseits natürlich Recht; es handelt sich wahrscheinlich um die intimsten Gefühle und Ansichten deiner Schwester. Und im Normalfall lässt man so etwas unangetastet, weil niemand das Recht hat, durch das Lesen in den innersten Kreis einer anderen Person einzudringen. Andererseits sollte man so etwas aber auch nicht achtlos in den Müll werfen, gerade weil es so intim ist und auf gar keinen Fall in völlig fremde Hände fallen sollte. Man kann die Tagebücher als eine Art Vermächtnis deiner Schwester ansehen und deshalb sollten sie mit Respekt behandelt werden. Es kann gut sein, dass deine Mutter momentan so überfordert mit der ganzen Situation ist, dass sie schlicht keine Kraft hat, sich diesen Tagebüchern zu stellen. Dafür ist dieser riesige Verlust noch zu nah; sieh ihr das nach und nimm es ihr nicht übel. Die Tagebücher sind das letzte wirklich Greifbare, was von deiner Schwester geblieben ist. Ihre Gedanken, Wünsche, Hoffnungen, Ängste; sozusagen ihre Essenz. Näher kannst du ihrem Innersten nicht mehr kommen; das muss dir bewusst sein. Und auch wenn deiner Mutter jetzt im Moment die Kraft dafür fehlen mag; in ein paar Jahren ist sie vielleicht dankbar, wenn sie in diesen Tagebüchern ihre Tochter wiedertreffen kann. Hebe sie gut auf und überlasse sie deiner Mutter, wenn die Zeit dafür gekommen ist.
Es ist gut möglich, dass du darin auch eine Antwort auf die Frage nach dem Warum bekommst. Ob du sie lesen möchtest und wann du das machst, musst du allein entscheiden. Es wird schwer sein, darin zu lesen, weil es sehr weh tun wird. Vielleicht lernst du auch durch das Lesen der Tagebücher einen völlig anderen Menschen kennen, als denjenigen, den du als deine Schwester zu kennen glaubtest. Es stehen eventuell Sachen darin, die dich freuen; vielleicht aber auch Sachen, die dich schockieren, enttäuschen oder traurig oder auch wütend machen. Bitte bedenke das vor dem Lesen. Wenn du hineinschauen möchtest, nimm dir dafür viel Zeit und Ruhe. Vielleicht macht es auch Sinn, dies nicht alleine zu tun. Wenn es jemanden gibt, der dir sehr nahe steht, bitte denjenigen doch, wenigstens dabei zu sein, wenn du in den Tagebüchern liest. Ich hoffe für dich, dass du in ihren Tagebüchern Antworten auf deine Fragen findest.
Wie kannst du nun deinen Eltern mit ihrer Trauer helfen? Das ist eine schwierige Frage. Grundsätzlich trauert jeder Mensch auf seine eigene Weise, es gibt da kein Richtig oder Falsch. Deine Eltern und du habt einen sehr schlimmen Verlust erlitten und im günstigsten Fall solltet ihr euch in eurer Trauer gegenseitig unterstützen. Hör ihnen zu, wenn sie reden möchten oder nimm sie in den Arm, wenn sie Trost brauchen. Es kann auch sein, dass sie Zeit für sich brauchen; dann lass sie. Geh auf ihre Bedürfnisse ein und handele danach. Ich hoffe nur, dass du von deinen Eltern auch Unterstützung in deiner eigenen Trauerarbeit bekommst. Es ist ganz wichtig, dass du neben den Bedürfnissen deiner Eltern deine eigene Trauer nicht wegschiebst. Auch du brauchst Trost und eine Schulter zum Anlehnen! Ich hoffe, dass du diese Schulter bei deinen Eltern oder der restlichen Familie oder Freunden finden kannst.
Der Lebensmut und auch die Freude am Leben wird wiederkommen. Es dauert seine Zeit, aber irgendwann wirst du merken, dass es wieder leichter geht. Nimm die Traurigkeit und Leere, die du im Moment verspürst, an und akzeptiere und verarbeite es so, wie du es empfindest. Wenn du dich deiner Trauer stellst, wirst du sie schneller verarbeiten; auch wenn das am Anfang sehr schwer sein wird.
Im Internet gibt es viele Seiten, die Trauernden helfen können. Ich habe dir ein paar rausgesucht und hoffe, dass das Richtige für dich dabei ist:

http://www.agus-selbsthilfe.de/
http://www.ak-leben.de/cms/front_content.php?idcat=76
http://www.familientrauerbegleitung.de/suizid.html
http://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2009-11/selbstmord-hintergrund-interview

Es gibt etliche Selbsthilfegruppen für Menschen, die einen Angehörigen durch Suizid verloren haben. Mit Google oder einer anderen Suchmaschine im Internet kannst du sie in deiner näheren Umgebung finden.
Ich wünsche dir viel Kraft und Durchhaltevermögen für die nächste Zeit. Es wird dauern, bis der Schmerz und die Trauer erträglich werden, aber irgendwann ist es soweit, du wirst sehen. Alles erdenklich Gute für dich,
fühl dich gedrückt,

Micha