Anwort von Johannes

Liebe Unbekannte,

vielen Dank für deine Anfrage an das Kummerkasten-Team und dein Vertrauen, das du uns damit entgegengebracht hast.

Zuerst einmal möchte ich dir ein großes Lob aussprechen, dass du mit deinen 13 Jahren schon so verantwortungsbewusst bist und deiner besten Freundin gerne helfen möchtest. Ich finde es ganz toll, dass deine anderen beiden Freundinnen ihr auch helfen wollen. Gemeinsam ist man immer stark.

Dass sich deine Freundin ritzt, zeigt im Prinzip nichts anderes, als dass sie einen großen seelischen Schmerz hat und diesen versucht mit dem Ritzen ein wenig zu stillen. Tatsache ist allerdings, dass das Ritzen keine Probleme löst, sondern eher noch mehr Probleme bereitet. Im ersten Moment fühlt sie sich bestimmt ein Stück weit befreit, befreit von all ihren Sorgen und Problemen. Die negativen Folgen davon sind allerdings tiefe Narben, die unter Umständen nur noch sehr schwer verheilen. Daher sollte sie sich mal überlegen, ob ihr Körper wirklich die Strafe verdient hat, so sehr zerstört zu werden. Außerdem kannst du dir mal unsere Soforthilfe zum Thema durchlesen:
http://mein-kummerkasten.de/Soforthilfe/30/Ich-ritze-mich-was-kann-ich-tun.html
Dort findest du viele weitere hilfreiche Tipps und vielleicht gelingt es euch ja, dass sie deine Freundin erfolgreich anwendet.

Du schreibst, dass sie sich anscheinend wegen ihrer Mutter ritzt, obwohl sie euch gegenüber ganz nett zu sein scheint. Trotzdem könnte es sein, dass sie mit ihrer Mutter Probleme hat oder sie irgendetwas in der Beziehung zu ihr belastet. Leider ist es so, dass man von familiären Problemen oft nichts mitbekommt, auch wenn sie vorhanden sind.

Ich versuche nun auf deine Frage einzugehen, was ihr tun könnt. Das ist nämlich gar nicht so einfach. Wenn ihr euch dazu in der Lage fühlt, könnt ihr im ersten Schritt versuchen, das Problem eigenständig anzugehen. Zuerst würde ich versuchen, deiner Freundin das Gefühl zu geben, dass sie euch wichtig ist und dass sie mit ihren Problemen jederzeit zu euch kommen kann, wenn sie möchte. Oft ist einem schon geholfen, wenn man sich mal den ganzen Kummer von der Seele reden kann. Ihr könnt für sie da sein. Sage ihr, dass du Angst um sie hast. Ihr hilft es bestimmt auch, wenn sie sich bei euch ausheult und nicht mit ihrem Schmerz alleine bleibt. Das bringt nämlich in der Regel nicht viel.

Falls ihr damit alleine nicht geholfen ist (was nicht ausgeschlossen ist, weil Menschen, die sich selbst verletzen meistens professionelle Hilfe brauchen), ist es wirklich das beste für sie, wenn sie eine Therapie macht, auch wenn sie es im Moment wahrscheinlich noch nicht so sieht. Dort wird sie lernen, dass man auch anders mit negativen Gefühlen umgehen kann. Grundsätzlich ist es so, dass Psychologen unter Schweigepflicht stehen und keinesfalls weitererzählen dürfen, was ihnen anvertraut wird. Das kannst du deiner Freundin auch ruhig sagen, damit sie keine Angst haben muss, dass ihre Probleme dann irgendwie an die Öffentlichkeit geraten. Wenn sie sich dennoch unsicher sein sollte, kann sie auch dirket am Anfang des Gespräches danach fragen. Je mehr sich deine Freundin in der Therapie öffnet, desto besser wird man ihr auch helfen können. Dabei wäre es natürlich sehr hilfreich, wenn sie Unterstützung von ihren Eltern bekommt.

Alternativ könnte sich deine Freundin mit ihren Problemen auch zuerst an einen Schulpsychologen oder Vertrauenslehrer wenden. Das könnte für sie etwas einfacher sein. Falls sie jegliche Hilfe verweigert, zögert bitte nicht, mit dem Vertrauenslehrer zu reden. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass euch dieser Schritt sehr schwer fallen könnte, weil ihr eure Freundin nicht "verraten" möchtet. Diese Situation würde ich aber nicht als Verrat bezeichnen, weil ihr helfen wollt und nicht länger zusehen könnt, wie sie sich und ihren Körper kaputt macht. Ihr würdet dem Vertrauenslehrer nicht davon erzählen, weil ihr eure Freundin verpetzen oder ärgern möchtet, sondern weil ihr nur das beste für ihr wollt und dass es ihr wieder gut geht.

Ich hoffe, dass ich dir mit meiner Antwort ein wenig weiterhelfen konnte und dass deine Freundin bald zu einer Einsicht kommt, dass sie Hilfe braucht. Ich wünsche euch allen die nötige Kraft, das Mädchen zu unterstützen. Ich kann nur wiederholen, wie klasse ich es finde, dass ihr helfen möchtet. Das ehrt euch wirklich sehr. Nehmt aber bitte auch auf euch und eure Grenzen Rücksicht und schaut, dass ihr selber nicht an dem Problem eurer Freundin zugrunde geht. Vergesst bitte nicht, dass man andere Menschen nicht ändern kann, sondern nur sich selbst. Denkt immer daran, dass es nicht euer Problem ist. Lasst es nicht zu eurem Problem werden! Falls ihr die Situation selber gar nicht mehr ertragen könnt, weil ihr merkt, dass ihr ihr nicht helfen könnt oder sie sich nicht helfen lassen will, geht ein Stück auf Distanz. Lasst sie los, aber nicht fallen.


Alles Liebe,

Johannes