Problem von Anonym - 16 Jahre

Mein Vater schlägt mich

Liebes Kummerkasten-Team,

schon seit langer Zeit werde ich regelmäßig von meinem Vater geschlagen, jedes mal wenn er wieder zu viel getrunken hat. Man weiß nie wann genau er wieder trinkt und ich habe solche Angst vor ihm. Meine Mutter steht immer nur daneben und macht gar nichts, ich weiß nicht wieso. Vielleicht um sich selbst zu schützen oder aber weil sie selber so viel Angst vor ihm hat?
Bitte hilft mir, ich weiß nicht mehr was ich machen soll... Ich möchte auf keinen Fall das Jugendamt einschalten, denn ein Heim wäre das Schlimmste für mich. Ohne meine Freunde wäre ich vielleicht gar nicht mehr da.

Danke schon mal für die Antwort!

Johannes Anwort von Johannes

Hallo liebe Unbekannte,

ich freue mich wirklich sehr, dass du dich mit deinem Problem an uns gewandt hast.

Ich war ziemlich erschrocken, als ich gelesen habe, dass du von deinem Vater regelmäßig geschlagen wirst, wenn er zu viel getrunken hat. Leider gibt es immer wieder Fälle, dass man in solchen Situationen schnell gewalttätig wird. Ich weiß nicht, was sich dein Vater dabei denkt, wenn er dich schlägt bzw. ob er überhaupt nachdenkt, aber sein Verhalten ist in keinem Falle in Ordnung. Manchmal frage ich mich echt, was in den Köpfen der Eltern vorgeht, wenn sie meinen, ihren Kindern wehtun zu müssen. Ich bin ja jemand, der wirklich für viele Situationen Verständnis hat. Aber da hört mein Verständnis echt auf!

Wie ich aus deiner Mail herauslese, scheint die Situation bei euch ganz besonders schlimm zu sein. Du schreibst, dass deine Mutter daneben steht und nichts tut. Natürlich kenne ich deine Mutter nicht, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sie nichts tut, weil du ihr egal bist oder sie es nicht interessiert, wie dein Vater mit dir umgeht. Sicherlich besteht die Möglichkeit, dass sie selbst Angst vor ihm hat. An diesem Punkt möchte ich dir dringend raten, mit deiner Mutter zu reden. Sage ihr, dass der Zustand für dich unerträglich ist, wenn dich dein Vater schlägt und dass sich unbedingt etwas verändern muss, da du momentan sehr unglücklich bist. Eigentlich hätte ich dir vorgeschlagen, direkt mit deinem Vater zu sprechen, aber ich könnte mir vorstellen, dass du dich das aus Angst nicht traust, was ich absolut nachvollziehen kann. Aber deine Mutter ist erwachsen und sie sollte die Sache in die Hand nehmen. Dein Vater hat die Grenzen mehrmals überschritten und das muss jetzt endlich mal ein Ende haben. Falls ein Gespräch zu keinem Erfolg führen sollte, musst du den nächsten Schritt machen. Hier hast du mehrere Möglichkeiten:

1. Du suchst einen Rechtsanwalt auf (eventuell in Begleitung deiner besten Freundin) um dich von ihm beraten zu lassen. Davor brauchst du wirklich gar keine Angst zu haben, denn alle Rechtsanwälte unterliegen der Schweigepflicht. Das heißt, er darf nichts machen und er wird auch nichts machen, womit du nicht einverstanden bist. Sei mutig und erkläre ihm deine Situation. Glaube mir: Für solche Situationen sind Anwälte da, denn sie kennen sich damit aus und wissen, was zu tun ist. Schließlich möchte ja auch niemand, dass du gefährdet wirst.
2. Du wendest dich in der Schule an einen Vertrauenslehrer und schilderst ihm dein Problem. Er wird dich nicht nur trösten, sondern sich auch darum kümmern, dass es dir bald besser geht.
3. Du kontaktierst tatsächlich das Jugendamt und vertraust dich den Mitarbeitern dort an. Dieser wichtige Schritt muss nicht unbedingt zur Folge haben, dass du direkt ins Heim musst. Ich kann deine Angst aber verstehen. Hier wird man dir jedoch auf jeden Fall auch helfen können und es wird dafür gesorgt, dass sich dieser unerträgliche Zustand für dich ändert.
4. Auch, wenn sich das jetzt im ersten Moment völlig übertrieben anhört, aber wenn das nächste Mal eine solche Situation kommt, dass dich dein Vater im betrunkenen Zustand schlägt und womöglich noch deine Mutter, dann ist es nicht verkehrt, die Polizei anzurufen. Ich weiß, dass das ein großer Schritt für dich ist. Aber glaube mir: Das hat nichts mit Verrat zu tun, sondern du würdest es zum Schutz für deine Mutter und selbstverständlich für dich selbst tun.

So, wie es seit einiger Zeit bei dir zu Hause abläuft, kann und darf es nicht weitergehen. Daher überlege dir, wo du dir am besten Hilfe holst. Dass du davor Angst hast, kann ich vollkommen nachvollziehen, aber diese Angst musst du versuchen zu überwinden. Du bist ein starkes Mädchen. Das kann ich schon daran erkennen, dass du den Mut hattest, uns zu schreiben. Oder möchtest du, dass sein Verhalten unbestraft bleibt? Ich glaube nicht. Daher sage dir selber: "Stop, bis hier hin und keinen Schritt weiter!" Wenn du Hilfe zulässt, wird man dir auch helfen können, da bin ich mir ganz sicher.


Alles Liebe,

Johannes