Problem von Anonym - 25 Jahre

Keinerlei Freude im Leben

Hallo,
habe seit langem das Gefühl nur noch zu existieren und für andere zu leben.
Führe eine Art Doppelleben. Bin für Familie und freunde die wichtigste Bezugsperson geworden. Jeder kommt mit seinen Problemen zu mir, dabei bin ich innerlich gebrochen..
Hab in meinem Leben viel durchmachen müssen und musste früh erwachsen werden. Meine Kindheit gönne ich meinen schlimmsten Feinden nicht.
Kann mit Niemanden über meine Probleme sprechen,da ich das Gefühl hab,dass keiner es ertragen würde sich anzuhören was in mir los ist. Also zieh ich mein bescheuertes Grinßen über und mach auf heile Welt. Ich weiß nicht wie lange ich das noch ertragen kann.
Seit Jahren war ich nicht mehr zufrieden oder gar glücklich. Will so nicht weiterleben. Laut Arzt gehöre ich in therapeutischer Behandlung. Glaube aber nicht, dass ich mich einem Fremden anvertrauen könnte. Zudem muss ich für andere stark sein. wie soll es weitergehen? Bin echt am Ende. Ich bin mitte 20 und war noch nie in einer ernsthaften Beziehung, da ich Niemanden zur Last fallen will und Vertrauensprobleme habe. Beruflich und finanziell läuft es gut bei mir. Verpasse aber Einiges im Leben. Wie soll ich wieder glücklich werden?

Pia Anwort von Pia

Lieber Unbekannter,
ich freue mich sehr, dass Du Dich an uns gewendet hast und das zeigt mir, dass Du es doch schaffen kannst, Dich jemanden Fremden anzuvertrauen. Das finde ich sehr gut und ich möchte Dich gerne darin bestärken, weiter zu machen.

Aus vieler Erfahrung heraus weiß ich, dass es immer sehr entlastend ist, wenn man über die problematischen Themen redet oder schreibt. Auch wenn man keine besondere Antwort bekommt ist es schon hilfreich, dass man es loswerden konnte. Dadurch kann man sich nämlich von den Problemen distanzieren und sie sortieren. Häufig kommt man ja in dieses unaufhörliche Grübeln, das kennst Du sicherlich? Besser ist es, darüber zu reden oder zu schreibe. Schreibst Du Tagebuch? Das könnte schon der erste Schritt sein. Wenn es einen zu sehr belastet ist es auch eine sehr hilfreiche Übung, wenn Du von Dir in dritter Person erzählst. Du erzählst also von einem 25-jährigen jungen Mann, der in seiner Vergangenheit schon sehr viel durchgemacht hat und das Leben für ihn oft sehr schwer erscheint. Dadurch kannst Du Dich noch besser distanzieren.

Durch Deine Nachricht macht es mir deutlich, dass Du darüber sprechen möchtest und auch bereit dazu bist. Ich lese heraus, dass ich es Dir nur raten kann, dass Du das weiter machst. Vertraue einmal Deinen Fähigkeiten und versuche es, ich denke, Du kannst wenig verlieren. Wenn schon Dein Arzt sagt, dass Du in therapeutische Behandlung solltest, empfehle ich Dir es ernst zu nehmen. Du brauchst keine Angst haben, dass Du dem Psychotherapeut zu wenig vertrauen kannst. Es ist am Anfang ganz normal, dass man nicht gleich alles sagen kann. Du solltest Dir auch Zeit lassen bei der Auswahl Deines Therapeuten. Du hast, falls Du gesetzlich versichert bist, das Recht, bei einigen Therapeuten fünf sogenannte probatorische Gespräche wahrzunehmen. Das sind sozusagen Probegespräche, in dem Du Dein Therapeuten kennen lernen kannst und mit ihm darüber redest, ob eine Therapie notwendig und hilfreich sein könnte und wie ihr vorgehen wollt. Danach kannst Du Dich entscheiden, ob Du die Therapie beginnen möchtest. Abbrechen kannst Du jederzeit.

Du merkst, dass es so nicht weiter gehen kann. Dass Du mit Deinen Kräften an Grenzen stoßt. Dass Du unzufrieden mit Deinem jetzigen Leben bist und dass Du sogar daran denkst, dass Du so nicht mehr weiter leben möchtest. Du hast Probleme, Dich von Deinen Freunden gedanklich zu distanzieren und ihnen Deine Grenzen zu zeigen und ehrlich zu ihnen und zu Dir selbst zu sein. Ich finde das sind alles sehr wichtige Gründe. Auch, dass Du noch keine Beziehung hattest zeigt Dir, dass Du mit Dir noch nicht ganz im Reinen bist und Dich eventuell dadurch nicht darauf einlassen kannst. Wobei ich Dir gerne sagen möchte, dass das keine Schande ist und es sehr viele Menschen in Deinem Alter gibt, die noch keine ernsthafte Beziehung hatten und dass das wohl gerade etwas normal ist in der heutigen Gesellschaft. Ich habe das Gefühl, dass heutzutage das Karrierebestreben zu groß ist, Du schilderst ja selbst, dass es finanziell und beruflich gut läuft. Das freut mich wiederum für Dich und ich wünsche Dir, dass Du auch Deine Gesundheit und Dein Wohlbefinden ernst nimmst und Hilfe annimmst. Vielleicht ist der erste Schritt auch schon, dass Du jemanden auf die Frage „wie geht’s Dir?“, einmal ganz ehrlich antwortest und Du wirst merken, dass Du von vielen Verständnis und Zuspruch erfährst. Wie kannst Du für andere stark sein, wenn Du es nicht für Dich bist? Nehme Dich ernst und nehme Dein Leben in die Hand, wenn Du das Gefühl hast, etwas zu verpassen und das Leben rast an Dir vorbei.

Unsere Persönlichkeit entwickelt sich aus unseren Erfahrungen, auch durch das Erwachsen werden. Du hast einiges durchgemacht und konntest Deine Kindheit nicht richtig ausleben. In Dir ist immer noch das innere Kind, das Du wahrnehmen solltest und auf das Du aufpassen musst und es umsorgen kannst, wenn Du das möchtest. Das klingt vielleicht jetzt noch nicht ganz verständlich und vielleicht möchtest Du darüber erstmals nichts wissen, aber vielleicht beschäftigst Du Dich einmal damit und ich könnte mir vorstellen, dass es Dir hilft.

Ich kann Dir nur von Herzen empfehlen, dass Du Dir Hilfe holst und auf Dich und Deine Fähigkeiten vertraust. Es ist schwer, ich weiß, erst Recht wenn Du Probleme damit hast. Aber ein bisschen Vorschussvertrauen würde Dir gut tun. Vorschussvertrauen ist Dir wahrscheinlich nicht bekannt, weil man im Voraus ja schlecht schon vertrauen kann, aber ich kann es Dir nur empfehlen. Es wird wieder bessere Zeiten in Deinem Leben geben, da bin ich mir sicher, wenn Du einmal auf Dein Bauchgefühl hörst. Es ist Dein Leben und es wäre falsch, wenn Du nur für andere lebst. Ich hoffe sehr, dass ich Dir ein bisschen helfen konnte?! Falls Du noch Fragen oder anderes hast, kannst Du Dich gerne wieder melden.

Alles Gute für Deine Zukunft.
Liebe Grüße,
Pia