Problem von Annabelle - 17 Jahre

Im Zwiespalt der Welten

Guten Tag,

mein Name ist, wie Sie wohl sehen können, Annabelle. Ich bin diesen Monat (März) 17 geworden und besuche die 11.Klasse. (Vorstufe zum Abi).

Mein Leben momentan:
In der Schule leuft es solala. Mal besser mal schlechter. Ich werde zu nächsten Klasse zugelassen und das ist das was ich erreichen wollte. Meine Freunde sind gut. Ich hab nicht viele aber dafür liebe und die Menschen, die nichts mit mir zutun haben wollen lasse ich nach dem "leben und leben lassen" prinzim von meinem Vater in ruhe.
Zuhause ist es öfters angespannt. Mein Bruder ist in den letzten Monaten u. Jahren zum Arrogantem was auch immer geworden.(Unser Geschwister verhältnis wird sich wohl erst bessern, wenn wir nicht mehr zusammen wohnen.) Meine Mutter ist, in meinen Augen, Assig. Aber immer noch meine Mutter, also hab ich sie irgentwie doch lieb. Zu meinem Vater...ich bin ein Papakind =).
Mit Beziehung hab ich eig. auch kein Problem. Hab momentan jemanden am Haken....mal sehen wie es sich entwickeln wird...

Nun zu meinem "Konflikt" oder so...

Ich bin ein Fantasievolle Person und wenn sie sich etwas mit Sternzeichen auskennen , ich bin Fische...ist also auch kein wunder, nicht wahr?
Naja, und mein Lebenswunsch ist es irgentwann eine Familie zu haben.
Ein Mann, Kinder wie die Weasley Familie aus Harry Potter und ein Haus irgentwo in einer ruhigen gegend.
Nun....das klingt alles sehr normal und auch schon abgestimmt. Doch da ist etwas. Mag sein, dass ich mir auch einfach zu viele gedanken mache, aber so bin ich eben.
Ich hab ein bedürfnis förmlich an den Sternen greifen zu wollen. Öfters habe ich mich zu dem Okkultem hingezogen gefühlt. Ich habe mich auch weiter damit beschäftigt, aber das ist nicht das, wonach sich mein Körper und seele sehnt! Es ist eine Verzweiflung, Angst und Hass auf etwas was ich nicht beschreiben kann.
Ich merke, dass da etwas ist was sich ein normaler Mensch nicht vorstellen kann.
Dies klingt verrückt nicht wahr?
Natürlich habe ich auch versucht das Problem zu lösen und da kam mir das Hobby von meinem Vater sehr gelegen, Physik.
Ich denke, das Physik mir meine fragen beantworten kann und dass meine sehnsucht so irgentwie gelindert werden kann. Da ich jetzt Abi machen, wäre ein Physik studium kein problem.
Aber ich selber halte mich davon ab. Mein Wunsch nach Ruhe, meiner eigenen Familie ist so groß, dass ich es nicht beschreiben kann.
Dies steht aber im Kopflikt mit der heutigen Gesellschaft. Wenn Sie es sich nicht vorstellen können, denken Sie mal darüber nach...
Ich will meine Ruhe, eine Familie. Doch ist dieser Drang da, dem ich mit dem studium wohl anfangen kann zu lindern.
Sie können es sich vorstellen, in dem sie sich Yin und Yang vorstellen. Das Weiße ist der Wunsch und das Schwarze meine Verzweifelte suche nach dem wonach ich mich sehne.
Dieser Konflikt ist Zeitraubend und innerlich sehr schmerzhaft.

An dieser Stelle weiß ich nicht mehr wie oder was ich schreiben soll.
Ich hab das gefühl gleich los weinen zu wollen, kann es aber nicht. Die Heutige Gesellschaft frisst mich auf, mit ihrer Arroganz, ihrem Leichen befläcktem System. Ich sehne mich nach Frieden und Antworten zugleich, was ich aber beides nicht haben kann.
Ich hab das gefühl, dass ich niemanden habe der so denkt, oder gar meine gedanken versteht! (es klingt ebenfalls arrogant, es tut mir leid.)
Würde es Sinn machen mit nem Psycho Doc. zu reden? Oder wissen Sie weiter? Ich weiß es nicht mehr und ich muss mich bald für etwas Endscheiden, wo ich noch nichteinmal die Optionen kenne.
Bitte helfen Sie mir.

Mit freundlichen Grüßen,

Annabelle

PaulG Anwort von PaulG

Grüße dich Annabelle!

O sähst du, voller Mondenschein,
Zum letzten Mal auf meine Pein,
Den ich so manche Mitternacht
An diesem Pult herangewacht:
Dann, über Büchern und Papier,
Trübsel'ger Freund, erschienst du mir!
Ach! könnt ich doch auf Bergeshöhn,
In deinem lieben Lichte gehn.
Um Bergeshöhle mit Geistern schweben,
Auf Wiesen in deinem Dämmer weben,
Von allem Wissensqualm entladen
In deinem Tau gesund mich baden!

Das stammt aus Goethes Faust, vielleicht kennst du es. Als ich dein Problem las, musste ich sofort an Faust denken. Ich sehe es auch als sehr bedeutsam an, es klingt überhaupt nicht verrückt.

Mir als Junge ging und geht es immer wieder so: Man fühlt sich hin- und hergerissen zwischen zwei Wünschen.

Ich glaube, fast jeder Mann hat mal den Traum, ein Held zu sein, eine Legende zu werden. Wohl dem, der ihn sich erfüllen kann!

Dieser Traum aber scheint mit einem anderen zu kollidieren:

Das ist der Wunsch, zur Ruhe zu kommen. Er sieht aus, wie du es beschrieben hast. Was soll der Griff nach den Sternen?, fragt man sich. Und stellt sich ein Haus im Grünen vor, eine Frau und Kinder, ein ruhiges, stetiges Leben ohne Aufregung - für die Familie, für die Liebe, für das Leben selbst und nichts sonst.

Mit einem schrecklich altmodischen, aber immer noch nicht veralteten Wort, könnte man es "Weltschmerz" nennen. Man fühlt sich abgestoßen von allem, mal erlebt man einen kurzen Höhenflug, dann wieder ist man mit nichts zufrieden. Du beschreibst vieles, das für eine große, weitreichende Entwicklung spricht, die dich manchmal sogar zu überholen scheint. Dazu möchte ich dich beglückwünschen! Nicht jeder lebt so intensiv. Auch wenn es einem vorkommt, als würde man genau dadurch vom Leben getrennt, ist es doch eines der prägendsten Gefühle überhaupt.

Wie wäre es, wenn du dir ehrgeizige Ziele setzt? Das heißt nicht, das du sie erreichen musst. Aber deine Energie und dein Drang, dich zu orientieren, dich umzutun, sind doch sehr wertvoll. Warum sie vergeuden?

Warum nicht ein Physik-Studium anstreben? Mein Metier ist die Physik nicht, aber dir traue ich zu, große Pläne zu machen: Eine Familie zu gründen, steht dazu ja nicht im Widerspruch! Im Gegenteil, es wäre fortschrittlich, bewundernswert, alle Träume zu leben. Das wäre es, wonach viele vergeblich suchen.

Die Frage nach dem Wann und Wie kannst du selbst am besten beantworten. Nach dem Abi wird sich bestimmt Manches ergeben, das dir die Richtung aufzeigt. Auch jetzt hast du ja schon klare Schlüsse gezogen. Auch deine Familie betreffend: Jeder tut sein Teil, wichtig ist, Ruhe zu bewahren, und beizeiten etwas Abstand zu gewinnen. Das finde ich, zeichnet einen auch aus. So hast du Lage analysiert und gemerkt, wie du zu Mutter, Vater, Geschwister stehst; aber du lehnst sie nicht ab, sondern siehst einen Weg voraus.

Ob ein Psychologe sinnvoll wäre, kann ich nicht genau sagen. Allgemein denke ich, du solltest versuchen, dir etwas Druck zu nehmen. Wer sagt denn, dass du dich bald entscheiden musst? Der Konflikt in dir verlangt nach Prioritäten. Da wäre zuerst das Abi, dem du ja optimistisch entgegen blickst. Dann - ein Studium, oder was dir sonst gefallen könnte? Es gibt tausend Möglichkeiten, und du bist noch jung, alles ist offen. Bevor du denkst, ich sage es so leicht daher: Meine Erfahrung ist, dass ich nie alles sofort kriege. Wichtig ist doch, dass man an etwas arbeitet. Dann spielt das Leben einem schon in die Hände. (Du merkst, ich rede dir das Wort: Genau das hattest du, mit anderen Worten, schon geschrieben :) )

Mit Astrologie bin ich nicht so vertraut. Aber die Fische, die ich kenne, sind alle Visionäre, haben große Kraft in sich, etwas zu gestalten, und sind dabei doch sehr nachdenklich, manchmal in sich gekehrt. Die heutige Gesellschaft verlangt ständig nach Leistung, nach Aufmerksamkeit, nach Bereitschaft, etwas zurückzustellen. Dem kannst du etwas entgegen setzen: Nimm dir die Zeit, die du brauchst, sie läuft nicht davon. Wenn du das Bedürfnis hast, dich mit Esoterik auseinander zu setzen, gerne - solang es dich nicht gefährdet. All das sind ja keine Spinnereien, sondern ernste Versuche, die Welt zu ergründen. Ich glaube, du musst dich gar nicht auf eins festlegen; alles was du genannt hast, sind Faszinationen, Leidenschaften, die du pflegen, Fragen, die du klären kannst. Man läuft bei sowas immer wieder Gefahr, in Verwirrung zu kommen. Dabei bildet es gar keinen Widerspruch:

Dein Ziel kann sein, immer weiter zu lernen. Letztlich ist die Welt nicht zu erklären, einen Kompromiss kann es dennoch geben. Widme dich mit aller Kraft deinen Interessen, festlegen musst du dich nur, wenn das Gesamte darunter leidet. Dabei ist es auch verständlich, wenn einen Zweifel und Ängste plagen, vielleicht sogar Hass. Man kommt sich unproduktiv vor, obwohl - du bist am produktivsten in dir selbst. Du verarbeitest immer Neues, und manches Mal wird alles zuviel. Die Entscheidung über deine Laufbahn musst du noch nicht treffen. Es sollte und wird den Beruf geben, der dich erfüllt, und in dem du wirken kannst. Dein Familienwunsch ist dadurch nicht ausgeschlossen, vielmehr qualifiziert deine Entwicklung dich dafür: Die jetzige, und die noch kommt.

Als der berühmte Arzt Albert Schweitzer nach Afrika ging - er war in den Dreißigern -, hatte er geheiratet, je einen Doktortitel in Philosophie, Theologie und Medizin erworben, war ein bedeutender Organist, und kinderlos ist selbst er nicht geblieben. Mit dieser Bemerkung will ich dich nicht unter Druck setzen; es ist als kleine Bestärkung gemeint, dass jemand, der sich viel zutraut, auch alles erreichen kann. Warum sich zu früh festlegen, warum gar für immer? Wer weiß, was das Leben noch bereithält!

Ich wünsche dir alles Gute,

Paul