Problem von Anonym - 20 Jahre

mein vater hat burn out

Hallo liebes Team.

Nun bin ich über ein halbes Jahr im Ausland gewesen und in wenigen Tagen werde ich den nachhauseweg antreten. Während meiner zeit hier wurde ich auch für ein paar Wochen von meinem Vater besucht. Vor nun etwa drei jahren hat er die Führungsposition bei seinem Arbeitsplatz übernommen und es war geradezu ein wunder dass er für diese Zeit aus dem Geschäft heraus gekommen ist.

Er arbeitet sehr sehr viel, sein Tag Beginnt um 7 uhr morgens und bis er seinen Schreibtisch verlässt kann es Mitternacht werden. Oftmals arbeitet er auch samstags und sonntags.
Ich weiss dass er überarbeitet ist. Und er erkennt seine situation auch. Oftmals ist er völlig ausgelaugt und als er mich besucht hat, hat er geweint weil er überfordert ist. Er fühle sich für alles und jeden verantwortlich. Mir ist auch aufgefallen dass er stark gealtert ist, an Gewicht verloren hat und des öfteren einfach Dinge vergisst.

Ich habe ihm vorgeschlagen zu einem Arzt zu gehen wenn ich wieder zurück bin oder eine kur zu beantragen aber er möchte nicht weil er denkt, er verliere seinen job dadurch wenn er eine so lange Auszeit nimmt und er denkt er könne sich nie mehr auf seiner arbeit zeigen wenn ans Licht käme wie er sich wirklich fühlt.

Ich weiß nicht was ich machen soll. Das belastet mich weil ich ihm helfen will und weil es so nicht weitergehen kann. Er arbeitet sich zu Tode wenn es so weiter geht.

Bitte helft mir, ich brauche ein paar tipps...

Liebste grüße

Johannes Anwort von Johannes

Liebe Unbekannte,

ich freue mich wirklich sehr, dass du dich mit deinem Problem an uns gewandt hast.

Ich kann deine Verweiflung sehr gut nachvollziehen. Sicherlich ist es nicht einfach für dich zu sehen, wie dein Vater immer mehr arbeitet und du merkst, dass er sich und seinen Körper damit kaputt macht. Irgendwo kann ich deinen Vater verstehen, dass er Angst um seinen Job hat, wenn er sich eine längere Auszeit nimmt. Da er aber eine Führungsposition übernommen hat, denke ich, dass diese Angst nicht zu groß sein muss. Dass er geweint hat, weil er überfordert ist, zeigt mir, dass er erkannt hat, dass es so nicht weitergehen kann, wie es im Moment läuft. Jedoch traut er sich nicht, etwas dagegen zu unternehmen, weil er Angst um seinen Job hat.

Besonders berührt bin ich von deinen Sätzen: "Das belastet mich weil ich ihm helfen will und weil es so nicht weitergehen kann. Er arbeitet sich zu Tode wenn es so weiter geht." Mein Vorschlag ist, dass du in einer ruhigen Minute mal mit ihm über deine Angst sprichst. Sage ihm, wie sehr dich die Situation belastet und dass du wirklich große Angst um ihn hast, dass er sich zu Tode arbeitet. Male ihm auf ein Blatt Papier doch mal zwei Kreise, die Energiekuchen darstellen sollen. In dem ersten Energiekuchen soll sich dein Vater mit der Frage beschäftigen: Woher kommt meine Energie? Und in dem zweiten Kuchen soll er sich mit der Frage beschäftigen: Wohin geht meine Energie? Er soll sich die beiden Energiekuchen selbst einteilen und dabei ganz ehrlich sein, denn sonst bringt die ganze Sache nichts. Wenn der zweite Kuchen viel mehr gefüllt ist als der erste, also wenn dein Vater mehr Energie verbraucht, als er in Wirklichkeit hat, sollte er sich dringend Hilfe suchen. Du schreibst, dass er oft völlig ausgelaugt ist, sich für alles verantwortlich fühlt, stark gealtert ist, an Gewicht verloren hat und häufiger Dinge vergisst. Besonders alarmierend finde ich, dass sein Tag morgens um 07:00 Uhr beginnt und auch oft bis Mitternacht arbeitet. Wie ich aus deiner Mail herauslese, steht dein Vater unter einer enormen körperlichen Belastung, die ihm auf Dauer nicht guttun wird.

Weißt du, ob sich dein Vater schon einmal mit dem Burn-out-Syndrom beschäftigt hat? Natürlich bin ich kein Arzt und kann keine Ferndiagnose stellen, aber ich denke, dass er sich zumindest mal damit beschäftigen sollte. Grundsätzlich unterscheidet man in einer Burn-out-Spirale acht Phasen. Frage deinen Vater mal, ob er sich bei einem oder soagr mehreren Punkten wiederfindet. Wenn dem so ist, sollte er rechtzeitig die Notbremse ziehen. Regelmäßige Bewegung ist eine Möglichkeit, Stress abzubauen. Wichtig dabei ist: Bewegung ohne Leistungsdruck! Sicherlich hilft es ihm auch, über seinen Stress zu reden.

Phasen der Burn-out-Spirale:
1. Zwang sich zu beweisen
2. Verstärkter Arbeitseinsatz
3. Vernachlässigung eigener Bedürfnisse
4. Verdrängung von Konflikten und Problemen
5. Verhaltensänderungen
6. Innere Leere
7. Depression
8. völlige Burn-out-Erschöpfung

Wenn wirklich gar nichts mehr geht, sollte sich dein Vater ein klares Aufgabenlimit setzen und dies auch durchziehen. Meiner Meinung nach solte er das Risiko eingehen, dass in der Firma ans Licht kommt, wie er sich wirklich fühlt. Ich weiß, dass das ein großer Schritt für ihn ist, liebe Unbekannte, aber bevor er sich wirklich zu Tode arbeitet, wie du so schön geschrieben hast, sollte er diesen Weg unbedingt gehen.

Zum Schluss möchte ich dir unbedingt ans Herz legen, dass du deinen Vater versuchst zu überzeugen, dass er zum Arzt geht und mit ihm über sein Problem redet, denn er kann ihm vor Ort am besten helfen. Sage ihm auch, dass dies nicht gleich zur Folge haben muss, dass er Monate lang nicht mehr arbeiten kann oder sonstiges. Sicherlich wird es einige Wege geben, die er gehen kann und diese Wege sollte er mit seinem Arzt genau besprechen.

Ich hoffe, dass ich dir mit meiner Antwort ein wenig weiterhelfen konnte und dass dein Vater bald zu einer Einsicht kommt, dass er Hilfe braucht. Ich wünsche dir die nötige Kraft, ihn zu unterstützen. Ich finde es wirklich ganz klasse, dass du dich so sehr für deinen Vater einsetzt und ihm helfen möchtest. Das ehrt dich wirklich sehr. Nimm aber bitte auch auf dich und deine Grenzen Rücksicht und schaue, dass du selbst nicht an dem Problem deines Vaters zugrunde gehst. Vergesse bitte nicht, dass man andere Menschen nicht ändern kann, sondern nur sich selbst. Denke immer daran, dass es nicht dein Problem ist. Lasse es nicht zu deinem Problem werden! Falls du die Situation selbst gar nicht mehr ertragen kannst, weil du merkst, dass du ihm nicht helfen kannst oder er sich nicht helfen lassen will, gehe ein Stück auf Distanz. Lasse ihn los, aber nicht fallen.

Ich würde mich sehr freuen, wenn du mir nach einiger Zeit ein Feedback schreibst und erzählst, wie es dir und deinem Vater geht.


Alles Liebe,

Johannes