Anwort von Nuala

Hallo Jonathan,

ich musste gerade erst einen BMI - Rechner für Kinder und Jugendliche suchen, um überhaupt einschätzen zu können, ob und wie sehr du übergewichtig bist. Laut Rechner scheinst du wirklich übergewichtig zu sein (nicht dass ich dir nicht glaube, doch manche Menschen denken, sie seien zu dick, obwohl sie normal - oder untergewichtig sind...).
Dass du dich nicht mehr wohl in deiner Haut fühlst, ist ein wichtiger Grund etwas zu ändern. Das finde ich persönlich noch viel wesentlicher als den reinen gesundheitlichen Faktor.

Du schreibst, du hättest du wenig Durchhaltevermögen und Disziplin. Das klingt ein bisschen so, als ob du schon einmal einen oder mehrere Versuche zum Abnehmen unternommen hättest. Vielleicht meintest du das aber auch anders, also allgemein gesprochen, dass du dich so charakterisierst.
Wie dem auch sei: Ich möchte dir ein paar Gedanken mit auf den Weg geben, welche dir möglicherweise für einen weiteren Zeitraum (oder sogar für immer) nützlich sein könnten.

- Es kann sein, dass du genau jetzt an einem solch ausgeprägten Tiefpunkt deines Befindens angekommen bist, dass du mehr Disziplin aufbringen kannst, als es vielleicht vor ein paar Monaten der Fall gewesen ist. Manchmal braucht man diesen "negativen Tritt", um neuen Schwung nehmen zu können.
- Aus diesem Grund solltest du nicht zögern und recht bald mit einer konsequenten Veränderung deines Verhaltens bzw. deiner Ernährung beginnen. Das fängt damit an, dass du auf Ursachensuche für dein Übergewicht gehst und dir überlegst, was für dich gute Strategien sein würden. Deren Verwirklichung wird dann einige Monate beanspruchen, bis du dich umgewöhnt hast. Gönne dir diese Zeit, versuche geduldig zu sein. Du wirst sehen, dass sich die Anstrengung lohnt!
- Da ich nicht weiß, ob du genetisch bedingt zu Übergewicht neigst und/oder ob ihr euch familiär zu schlecht ernährt bzw. zu wenig bewegt, nenne ich einfach mehrere Dinge und du guckst bei dir, ob alles zutrifft oder es besonders ein bestimmter Bereich ist, den es zu verändern gilt.
-> Ernährung: Bestimmt weißt du ganz gut, was ungesunde von gesunden Lebensmitteln unterscheidet. Trotzdem hebe ich hervor, dass es vor allem auf eine ausgewogene (d.h. "von jedem etwas") Ernährung ankommt, die nicht zu zucker, - fett - und kohlehydrathaltig ist. Von Gemüse kannst du ruhig viel essen, das bringt dir nicht nur viele Mineralstoffe und Vitamine, sondern regt auch deine Verdauung an. Bei Getränken solltest du Ungesüßte wählen, die den Durst gut löschen. Säfte sollten verdünnt werden, da sie oft sehr zuckerhaltig sind und auch die Zähne angreifen können. Viel Trinken (mindestens 1,5 Liter pro Tag) ist ebenso wichtig, denn so bist du leistungsfähiger und dein Körper kann Giftstoffe besser ausschwemmen.
-> Essverhalten: Höre auf deinen Körper, d.h. iss dann, wenn du wirklich Hunger verspürst, jedoch nicht aus Langeweile, Frust oder "nebenbei". Lass dir keine Mahlzeiten aufdrängen oder dich dazu überreden, den Teller leer zu essen. Verbiete dir kein Essen: Die Dosis macht das Gift. Es ist also nicht verboten, mal etwas zu naschen oder etwas Fettiges zu essen, solange es nicht unkontrolliert erfolgt. Es ist auch wenig sinnvoll, am späteren Abend nochmal ein großes Essen einzubauen, wenn du danach nicht mehr viel leistest und schlafen gehst. - Bitte deine Eltern, für dich bestimmte Lebensmittel einzukaufen, sofern sie sich viel ungesünder ernähren.
-> Bewegung: Sie bringt dir nicht nur beim Abnehmen etwas, sondern dient überhaupt deinem Wohlbefinden. Nichts gegen ein spannendes Computerspiel, ein fesselndes Buch oder stundenlanges Rätselknobeln, doch zwischendurch sollten Phasen der Bewegung liegen.
Ich dachte mir beim ersten Lesen deiner Zeilen, dass ein Verein mit leichtem Sport gut passen könnte. Das hat auch den Vorteil, dass es Verbindlichkeit gibt - man muss also durchhalten und bei der Stange bleiben. Wie wäre es mit Schwimmen? Das soll DER ideale Sport bei Übergewicht zu sein! Auch Radfahren, Wandern, viel Spazierengehen oder Inlineskaten sind nicht zu anstrengend, aber trotzdem körperlich fordernd. Es gibt auch viele unbekanntere Sportarten (auch Kampfsport), der witzig ist und gleichzeitig viele Körperpartien anspricht. Hier findest du ein paar Anregungen extra für Jugendliche:
http://www.stern.de/gesundheit/sport-fuer-jugendliche-schmettern-klettern-kraulen-2031987-a8d775d1aab8a18b.html (einfach mal duch die Seiten klicken).
Das geht auch ohne Verein. Wenn du einen Freund hast, der motiviert ist, kannst du mit ihm gemeinsam einen neuen Sport anfangen. Gemeinsam ist es gleich leichter und bei Durchhängern kann man sich gegenseitig anstupsen.

Was deine Eltern angeht: Ich glaube schon, dass es sich lohnen würde, über deinen Schatten zu springen und sich ihnen anzuvertrauen! Im Idealfall könnte dann die ganze Familie mit dem Abnehmen beginnen. Gerade bei Ärzten sollte das Wissen ja vorhanden sein. Gemeinsam abzunehmen hat viele Vorteile: Man kämpft nicht allein, kann sich über Erfolge und Misserfolge unterhalten und an einem Strang ziehen.
Falls du dich gar nicht anvertrauen möchtest, wird es natürlich schwieriger, deinen Plan konsequent zu verfolgen. Ihr esst bestimmt gemeinsam, sodass da schon Fallen lauern können. Auch der Lebensmitteleinkauf kann ja nur auf deine neuen Bedürfnisse abgestimmt werden, wenn du ihnen davon erzählst. "Heimlich" abnehmen wird nicht funktionieren, wenn dir jegliche Unterstützung fehlt.
Ich kann mir vorstellen, dass es dir deswegen peinlich ist, weil sie selbst zu viel wiegen. Klar, da ist man verletzlich. Doch möchte ich dich bestärken, deine Wünsche und Ziele klar und sachlich zu nennen, z.B. in dem du sagst: "Ich fühle mich in letzter Zeit überhaupt nicht mehr fit und möchte deswegen abnehmen." Das ist eine Aussage, gegen die sie schlecht etwas einwenden können. Immerhin geht es um dein Wohlbefinden und enthält keinen Angriff auf sie als Eltern.
Übrigens kannst du ruhig mal zu einem anderen Arzt, das ist doch in Ordnung! Manche Sachen sind einfach unangenehm, gerade in der Pubertät. Du kannst vor ihnen ruhig so argumentieren, dass du gerne einmal von jemand Anderem untersucht werden möchtest, der dich noch nicht so gut kennt und neutral ist (eine "zweite Meinung einholen"). Er oder sie könnte dich untersuchen, ob deine Blutwerte in Ordnung sind etc.

Lieber Jonathan, ob du das Übergewicht gemeinsam mit deiner Familie angehst oder allein: Ich wünsche dir alles Gute für dich, damit du dich bald wieder wohl fühlst. Du hast alle Trümpfe in der Hand!

Nuala