Problem von Anonym - 14 Jahre

Ich bin herzkrank

Liebes Kummerkastenteam,
ich bin 14 und herzkrank. Die diagnose wurde gestellt als ich 13 Jahre alt war. Ich habe herzrythmusstörungen. Andere hat es schlimmer getroffen. Ich habe noch eine "leichte Form"... die Leute in meiner Klasse haben es mitbekommen und lachen mich deswegen aus. Sie machen Witze wie "Na wo ist denn der Defibrilator?". (das ist ein Gerät was ich zum Überleben brauche falls ich ohnmächtig werde)... in Sport kann ich nicht mehr mitmachen. Ich habe sogar ein paar Freunde, eine liebe Familie und außer Schmwerzen in der Brust nicht so große Schmerzen aber es belastet mich irgendwie doch sehr. Das schlimmste ist dass ich meinem kind bzw. meinen Kindern die Krankheit zu 50% vererben werde. 50 Prozent!!!!! Manchmal hasse ich mich selbst dafür. Ich weiß es ist falsch aber ich weine oft im Bett und denke es ist meine Schuld. Wenn andere keinen Sport machen wollen finde ich eskomisch. Ich würde gerne mitmachen. Ich wünschte ich dürfte Achterbahn fahren oder Bungee Jumping, ich habe mir das gewünscht seit ich ein Kind bin. Ich muss immer vorsichtig sein. Und ich wollte Kinder. Das war schon immer mein Traum. Ich hasse es vorsichtig zu sein. Die Leute fragen wieso und man will es nicht sagen... Das schlimmste ist dass ich an meinem herz sterben werde. Ich werde alt werden, aber ich werde nicht lange leben. Ich wollte, seit ich klein bin, 101 werden. Ich weiß nicht wieso... aber nun werde ich allerhöchstens 80 oder so wenn ich unendlich Glück habe. Wahrscheinlich übertreibe ich total weil andere hat es viel schlimmer getroffen und wenn ich sowas sage sagt eine Freundin andere haben Krebs und werden nichtmal die Möglichkeit haben Kinder zu kriegen aber irgendwie möchte ich auch mal an mich denken und dass es mir nicht so gut geht mit meiner Herzkrankheit. Falls das böse klingt tut mir leid. Ich hoffe ihr könnt mir vielleicht helfen...

Anonym

PaulG Anwort von PaulG

Grüße dich liebe Anonyme!

Lässt es sich überhaupt festlegen, was ein "schweres Problem" ist, und was ein "leichtes"?

Ich ziehe den Hut vor dir, dass du dich nicht aufgibst. Es klingt nicht böse - ich sage, es klingt wie ein Mädchen, das sich selbst sehr gut kennt.

Was man für gut oder schlecht hält, für harmlos oder schlimm, das hängt doch vom Menschen ab? Natürlich gibt es leichte und schwere Diagnosen. Für jemanden, der so schwer krank ist, dass er nicht mehr lange leben kann, muss das grausam sein. Das ist anders nicht zu sagen. Trotzdem heißt es nicht, dass weniger Schmerzen haben, älter werden können, eine Familie gründen können, unbedingt leichter ist.

An dieser Stelle möchte ich sagen: Ich will und kann nicht für Menschen sprechen, die wirklich zum Beispiel an Krebs erkrankt sind, und deren Leben endet, noch bevor es richtig anfangen konnte. Es steht mir nicht zu, ihnen irgendetwas in den Mund zu legen. Ich möchte damit gern ausdrücken, dass deine Diagnose dir nicht auferlegt, glücklich zu sein, weil es nicht schlimmer gekommen ist.

Was denkt ein Mitschüler von dir, der dich ärgert? (Oder ist das noch das richtige Wort?) Ein Mensch, der nicht die geringste Ahnung hat, wie es sich anfühlt? Ein Problem zu haben, das schmerzhaft ist, das man nicht einfach aussitzen oder ignorieren kann - und an dem man keine, absolut gar keine Schuld trägt? Ich würde es nicht mehr als Auslachen bezeichnen. Das sind Dinge, bei denen einem jedes Lächeln im Hals stecken bleibt. Ich finde es schön, dass du es ihnen nicht vorwirfst. Sie müssen selbst erfahren, wie das Leben so spielt.

Ich sehe in dir ein Mädchen, die mit vierzehn Jahren zuversichtlich ist, trotz der Diagnose. Jemand, die Zukunftspläne hat. Die einen Sinn für die Realität hat. Das alles darf dich stolz machen.

Du sagst völlig zu Recht, dass du es nicht einfach "wegblinzeln" kannst! Es ist dein Recht, auch mal traurig zu sein, abgrundtief verzweifelt und schrecklich wütend! Wenn du dich hinterher besser fühlst, ist es in Ordnung.

Wann wir sterben müssen, kann niemand voraussehen. Es kann heute oder morgen geschehen, etwas später, oder in ferner Zukunft. Das es noch lange dauert, wünsche ich auch dir. Wie gesagt: Ich will nicht für dich sprechen, ich will dir nicht sagen, dass du es noch gut getroffen hättest. Es ist ein Problem, mit dem die meisten Menschen sich nie auseinandersetzen müssen; deshalb können viele es vielleicht gar nicht verstehen. Ich nehme es ernst und glaube wirklich, dass es dein Recht ist, auch Verständnis einzufordern.

Es gibt etwas, worum ich dich eindringlich bitte: Gib deine Träume nicht auf!

Jeder empfindet die Probleme, die er hat, anders. Was der eine nicht beachtet, ist für den anderen furchtbar - und umgekehrt. Es lässt sich nicht pauschal sagen, was schlimmer ist. In deinem Fall freut es mich, dass du auf deine Träume pochst. Ich wünsche mir, dass du sie verfolgst.

Wenn du einmal Kinder haben wirst, werden sie eine starke Mutter brauchen. Das kannst du sein, denn: Ihre Mutter kann eine Frau sein, auf die sie stolz sein können. Eine Frau, deren ganze Liebe ihnen gilt, weil sie weiß, wie kostbar das Leben ist. Und ob sie nun deine Diagnose teilen werden, oder nicht: Ein Leben ist mehr, als Schmerz. Zum Leben deiner Kinder wird auch gehören, auf ihre Mama stolz zu sein, die sich um sie kümmert, die allen Leidenden in der Welt signalisiert: Gebt nicht auf! Es ist zu schaffen! Die sich mit aller Kraft gegen die Krankheit auflehnt - und dadurch ihre Kinder mit etwas ausstattet, dass keine noch so guten Gene ihnen mitgeben können: Den Glauben an das Gute im Menschen. Den Glauben, dass das Leben mehr ist. Ziele und Träume zu haben. Wenn dein Kind spürt, dass es mit jeder Faser ein wahr gewordener Traum ist - dann kann es selbst die Welt verändern.

Es ist sehr gut, wie du es formuliert hast. Du kannst nicht nur an Andere denken. So wie von keinem Menschen, der völlig gesund ist, verlangt werden kann, sich immer dankbar zu fühlen; so wenig kann man von dir verlangen, dass du immer glücklich bist, weil es Schlimmeres gibt. Es gibt immer etwas Schlimmeres. Und für dich habe ich die Hoffnung, dass du es schaffen wirst. Dass etwas daraus entstehen wird, das viel, viel besser ist als alles, was einfach "normal" ist: Ein Zeichen, sich nicht aufzugeben. Dieses bist du. Ich weiß, dass du noch viele setzen wirst.

Alles Gute und liebe Grüße,

Paul