Problem von Anonym - 15 Jahre

Absolut kein Selbstwertgefühl

Hallo Kummerkasten-Team.
Ich werde einfach mal anfangen, drauf los zu schreiben, in der Hoffnung, ihr werdet mir diesmal antworten. Momentan sieht es so aus, dass in meinem Leben momentan alles in Ordnung läuft. Ich bin ein durchschnittlicher Schüler, stehe nicht auf der Kippe, die Klasse wiederholen zu müssen und versuche, gesünder zu Leben. Trotzdem bin ich mit meinen Nerven am Ende. Ich habe keine Freunde, ich habe keine Freundin, ich stecke mir viel zu hohe Ziele, von denen ich im Voraus schon denke (oder weiß), dass sie nicht schaffbar sind. Ich will im Moment einfach nur jemanden, der sich für mich interessiert, der mir sagt, dass ich gut bin, wie ich bin, ich brauche Nähe und Zuneigung. "Such dir doch einfach jemanden!", jaja, das sagen sie alle. Wenn das so einfach wäre. Wie soll mich da denn jemand mögen, wenn ich mich nicht mal selbst leiden kann? Ich bin ein Arschloch. Das ist mein Image. Ich kann einfach niemanden an mich ranlassen, ich hab Angst, wieder verletzt zu werden, ich will keine Angriffsfläche bieten, ich will nicht transparent sein. Ich kann mit fremden Leuten nicht reden, ohne nervös zu werden, Schweißausbrüche zu bekommen und dieser ganze Scheiß. Beim chatten im Internet, ja, da ist das viel einfacher, da muss ich ja keinem in die Augen schauen. Da muss ich mir keine Gedanken machen, wie ich optisch auf andere Menschen wirke. Aber "in echt" muss ich das eben und das ist unerträglich für mich. Ich bin absolut unzufrieden mit mir, ich sehe in den Spiegel und könnte kotzen. Ich sehe gleichaltrige in der Schule und könnte einfach nur noch um mich schlagen, diese ganzen Partyhuren kommen jetzt ins Alter, in dem sie sich an Wochenenden hemmungslos betrinken und davon Fotos auf Facebook stellen, die Jungs fangen an, sich wie absolute Arschlöcher zu benehmen und sich ins beste Licht zu rücken. Ich bin so nicht und ich kann so nicht sein. Ich kann meine Handlungen nicht reflektieren und wenn ich mich so gebe, wie ich bin, werde ich schief angeguckt. Es geht mir einfach nur noch alles auf den Sack, ich fange an, meine komplette Existenz zu hinterfragen, während ich mir im anderen Augenblick sage: Reiß dich zusammen. Dein Leben ist gut, so wie es ist.Würde ich so offen mit irgendjemandem reden, würde ich wieder nur die Weichspülertour bekommen und mit der Kneifzange angefasst werden. So läuft das verdammte Leben nicht, es geht nicht alles immer nur auf die weiche Tour, ich muss mich auch mal durchbeißen. Ich kann ja nicht mal schildern, was mein verdammtes Problem ist, mein scheiß Problem ist meine komplette Existenz. In manchen momenten kommen Gedanken auf wie "Warum kann nicht einfach alles schwarz outfaden wie in einem Film?" "Warum kann bei mir nicht alles perfekt laufen, wie bei anderen auch? Bin ich denn so anders?". Ich fühle mich Anders und ausgestoßen. Mit Älteren kann ich keinen Kontakt aufbauen, wo ich ja nicht mal IRGENDWELCHE Kontakte habe. Ich will momentan einfach nicht mehr Existieren, einen Stopp-Knopf finden und mich von meinem Leben erholen. Selbstmord ist keine Lösung und das weiß ich selbst. Aber wer kann mir darauf die Lösung sagen? "Hör auf, dich selbst zu bemitleiden und ändere das, was dich stört" wäre mir wohl die plausibelste Antwort, aber wie soll ich das alleine schaffen, wenn ich es nicht mal hinbekomme, meiner Therapeutin von dieser Scheiße zu erzählen, aus Angst, wieder stationär behandelt werden zu müssen? Ich wünschte manchmal einfach nur noch, ich wäre tot.

Ziyin Anwort von Ziyin

Hallo,

es tut mir wirklich sehr leid, dass ich erst jetzt antworte...:/ tut mir wirklich leid.

Wenn Du schon vornherein weißt, dass Du Dir zu hohe Ziele steckst, warum versuchst Du nicht einmal, Dein Ziel erst nach mehreren Zwischenetappen zu erreichen? Viele Menschen (nicht nur Du) scheitern nur daran, dass sie sich zu viel auf einmal vornehmen, das fast nicht zu schaffen ist. Durch kleinere Schritte bleibst Du auf der ganzen Strecke motiviert und gibst nicht zu schnell auf.
Es ist natürlich blöd, wenn man sich alleine fühlt. Allerdings halte ich den Ratschlag, dass Du Dir einfach Freunde "suchen" solltest, unsinnig. Da hast Du schon Recht. Mal abgesehen von der Tatsache, dass Du niemanden an Dich heranlässt, ist es auch nicht so, als ob man einfach Freunde bekommt, wenn man nur lange genug nach ihnen sucht. Der Vorschlag meinerseits? Lass Dir Zeit. Mit Freunden ist es so eine Sache. Entweder versteht man sich oder eben nicht. Oft hilft es, die Person näher kennenzulernen, bevor man sein Urteil fällt. Dafür müsstest Du aber die Leute an Dich heranlassen. Es wird sicher passieren, dass Du noch einige Male in Deinem Leben verletzt wirst. Und es wird auch wehtun. Aber wenn Du niemanden an Dich heranlässt, wirst Du all die wunderbaren Menschen nicht kennenlernen, die es an Deiner Schule, in Deiner Stadt oder im Internet gibt. Wenn Du Dich ein wenig öffnest, wirst Du verletzt werden, klar, aber dann gewöhnst Du Dich langsam daran und dann macht es Dir langsam weniger aus. Wenn Du weiterhin verschlossen bleibst, wirst Du Dich nicht daran gewöhnen und auch meistens keine neuen Leute kennenlernen. Fang am besten ganz langsam an. Wie Du schon erwähnt hast, kannst Du den meisten Leuten nicht in die Augen schauen. Das Problem hatte ich früher auch. Aber sobald man einmal damit anfängt, eine Person in Grund und Boden zu starren, wird man irgendwann süchtig danach, glaub mir ;) natürlich gepaart mit einem kleinen Lächeln. Schenk den Leuten, die Du kennenlernen möchtest, Deine Aufmerksamkeit. Stelle Fragen. Sei freundlich und so weiter. Du musst oft nicht sehr viel über Dich selbst erzählen. Am Anfang jedenfalls nicht. Hör aufmerksam zu und sei nett. Dann merkst Du auch, dass die meisten Leute nicht im Sinn haben, Dir wehzutun. Falls es doch passieren sollte: wenn Du Dich in der Gegenwart dieser Person nicht wohlfühlst, dann ziehe Dich zurück oder "nicke und lächle". Manchmal passiert es aber auch, dass sie Dich aus Versehen verletzen. Hört sich doof an. Passiert aber häufig. Manchmal werden Witze auf Kosten anderer gemacht, die eigentlich nur witzig, aber auch sehr verletzend sein können. Wenn Du das nicht magst, dann sag es der Person. Natürlich nicht wie ein "Arschloch". Sag etwas in die Richtung:"Hey, ich mag es nicht, wenn Du dies und das tust. Bitte lass das." Wie gesagt, oft realisieren viele Menschen nicht, dass sie jemandem gerade wehtun. Wenn sie keine Arschlöcher sind, werden sie Deiner Bitte so weit es geht, nachgehen.
Mit einer Freundin ist es genau das Gleiche. Alles ganz langsam. Du bist erst 15. Mit 15 muss man noch keine Freundin haben, wenn eben noch keine da war, die Du magst. Oder die Dich mag. Lass Dir Zeit und hetze Dich nicht.
Was Dein Aussehen betrifft... ich weiß nicht, wie Du aussiehst, aber Deiner Meinung nach wohl nicht Deinen Wünschen entsprechend. Klar, das Aussehen ist nicht ganz unwichtig. Aber wenn Du nicht mit Dir zufrieden bist und Dich nicht einmal selber magst, warum sollten dann die anderen? Zuerst musst Du Dich selbst mögen. Wenn Du Dich nicht so akzeptieren kannst, wie Du momentan aussiehst, dann denke nach, was Du ändern möchtest und setze es dann um z.B. indem Du mehr Sport machst oder Deine Frisur oder Deinen Klamottenstil änderst. Du versuchst ja schon, Dich gesünder zu ernähren. Daumen hoch dafür! Auch hier gilt: die Veränderungen werden nicht über Nacht kommen. Es wird schon Wochen, wenn nicht sogar Monate dauern. Nicht aufgeben! Was motiviert Dich, Dein Ziel zu erreichen? Dass Du Dich wohler in Deinem eigenen Körper fühlst? Dass Du fitter bist? Dass Du selbstbewusster sein wirst? Behalte Deine Ziele vor Augen oder schreibe sie auf, um motiviert zu bleiben! Und setze Dir kleinere Ziele, okay?
Wie andere in Deinem Alter sich benehmen, kannst Du nicht beeinflussen. Entweder kannst Du es ignorieren und Dein eigenes Ding durchziehen oder einfach akzeptieren, dass andere Menschen auf andere Weise glücklich werden und dann Dein eigenes Ding durchziehen. Mehr kann ich dazu nicht sagen, sorry...
Aber was ich Dir mit Sicherheit sagen kann ist, dass bei Weitem das Leben der anderen ganz und gar nicht perfekt läuft. Klar, es gibt hin und wieder welche, die mehr oder weniger wunschlos glücklich sind und bei denen alles, aber auch wirklich alles perfekt läuft. Aber das ist der Ausnahmefall. Bei den meisten läufts nicht perfekt. Sie haben ihre eigenen Probleme und Sorgen. Sie reden nur nicht mit jedem darüber (das würde ich Dir raten, falls Du keine Angriffsfläche bieten willst: rede nicht mit jeder Person über Deine Sorgen. Mit guten Freunden kannst Du sicherlich darüber reden).
Wenn Du einfach mal stoppen willst, dann tue das. Was die Schule angeht, kannst Du nicht stoppen. Aber wenn Du zu Hause bist, einfach mal durchatmen, nichts tun, z.B. am Wochenende. Nur das tun, was Du gerne machst? Dir einfach einen Tag gönnen? Vielleicht hilft das.
Ich weiß nicht, wie es ist, stationär behandelt zu werden, aber das, was ich bisher dazu gelesen habe, hört sich nicht sehr ermutigend an. Vielleicht kannst Du mit Deinen Eltern darüber reden, vielleicht haben sie eine bessere Lösung. Und mit Deiner Therapeutin. Versuche auch, ihr von Deinen Problemen zu erzählen. Sie ist dafür da, Dir zu helfen. Ich denke nicht, dass Du im Moment stationär behandelt werden musst. Aber Du kannst ja erst einmal meine Vorschläge für eine Zeitlang ausprobieren, bevor Du ihr von den Problemen erzählst (im Falle, dass meine Tipps überhaupt nichts bringen).
Sorry, ich weiß nicht, ob das überhaupt noch aktuell ist. Wenn aber doch, dann bitte, nicht aufgeben! Probier's aus! Du kannst es immer noch abbrechen, wenn Du's doof findest.
Fighting!

Alles Gute,

Ziyin