Problem von Anonym - 17 Jahre

Ein Problem, das eigentlich garkeins sein sollte

Hallo liebes Team,
ich bin 17 Jahre alt und mache eine Lehre als Elektriker. In den letzten Monaten denke ich oft über mich und meine Zukunft nach. Das einzige was ich an meiner Vergangenheit nicht verdrängen möchte, ist meine tolle Kindheit. Aufgewachsen mit Großeltern und Mutter in einem tollen Haus mit Garten. Mein Vater ist noch vor meiner Geburt verstorben, was mir allerdings nie zu schaffen gemacht hat. Freunde hatte ich einige in der Grundschule und war auch recht beliebt.
Mit mir auf die Realschule gegangen ist allerdings „nur“ mein bester Freund.Wir kennen uns wirklich schon immer und haben durch direkte Nachbarschaft schon im Plantschbecken zusammen gespielt. Mit den anderen hat man sich dann almählich auseinandergelebt. Als dann die Pubertät bei einigen einsetzte, fing ich almählich an gemobbt zu werden. Selbst mein bester Freund grenzte mich mit den anderen aus. Ich erinnere mich noch sehr gut an diese Zeit. Damals hatte ich schon mal um euren Rat gebeten. Nunja: Ich bin Brillenträger, war damals noch ein bisschen kräftiger und nicht sehr groß, weshalb ich anscheinend zum „Klassenopfer“ und Einzelgänger wurde. Auch aus Paralellklassen bekam ich dies zu spüren, weshalb ich besonders als 7. Klässler sehr nach Aufmerksamkeit suchte. All das nahm aber nach einiger Zeit stetig ab, aber zog sich über meine komplette Realschulzeit. Später lernte ich in meiner Klasse 2 nette Leute kennen, die ich heute, nachdem ich mit meiner Schulzeit abgeschlossen habe als Freunde bezeichnen würde. Wir sehen uns aufgrund größerer Entfernung von Wohnorten eher selten, aber wir unterhalten uns oft stundenlang über Internet. Mit einigen anderen verstehe ich mich auch recht gut, aber man sieht sich höchstens mal am Bahnhof und redet 2 Worte miteinander. Mit meinem damaligen besten Freund verstehe ich mich gut, aber wir haben nur noch sehr selten Kontakt.
Meine einzige Freizeitbeschäftigung ist die freiwillige Feuerwehr. Wäre dieses Hobby nicht, würde ich vermutlich kaum aus dem Haus gehen. Auch verstehe ich mich mit den neuen Klassenkameraden in der Berufsschule sehr gut. Aber da sind die Altersunterschiede enorm, sodass da nicht so schnell eine Freundschaft zu Stande kommen könnte. Alles in allem bin ich mit meiner jetzigen Situation zufrieden, denn eigentlich läuft alles mittlerweile wie geschmiert. Ich brauche nicht viele Freunde und Kontakte um glücklich zu sein. Ich lebe schon immer eher für mich alleine.
Auch wenn sich das blöd anhört, aber genau das bekomme ich nicht in meinen Kopf hinein.

Ich mache mir immer viel zu viele Gedanken über peinliche Erlebnisse und darüber, was andere über mich denken. In letzter Zeit beschäftigt mich besonders folgendes:

Meine Freunde hatten genau wie ich noch nie eine Freundin. Ich finde dies auch nicht schlimm, aber ich möchte einfach nicht, dass sie vor mir das Glück haben, die passende zu finden. Wenn ich genauer darüber nachdenke, liegt es vielleicht daran, dass ich vielleicht Angst habe, dass sie dann nicht mehr soviel Zeit für mich haben. Denn beide leben auch eher ein wenig zurückgezogen wie ich. Keiner von uns hat jemals zu den „coolen“ gehört.
Ich kann gar nicht genau sagen, ob ich derzeit wirklich eine Freundin haben möchte. Habe wegen der Lehre kaum Zeit aber immer viel auf dem Herzen was ich nicht alles bei meiner Mutter loswerden möchte. Ich weiß, dass irgendwann die Richtige kommt und sich alles ergeben wird, aber da bin ich mit meiner zurückhaltenden Art noch verdammt weit entfernt. Vor allem, weil ich noch nie verliebt war.
Ich kann es einfach nicht wahrhaben drüber nachzudenken, wie meine Freunde von ihrer Beziehung und dem ersten Sex erzählen werden und ich sozusagen noch ganz alleine hier in meinem Zimmer sitze.
So absurd dieses „Pseudoproblem“ klingen mag: Es beschäftigt mich einfach so sehr bis in den Schlaf hinein. Es geht mir einfach nicht mehr aus dem Kopf. Es spielen einfach so viele Aspekte eine Rolle in diesem Denken von mir, dass ich diese gar nicht alle aufzählen kann.

Ich habe mir als Ziel gesetzt öfter mal rauszugehen um neue Kontakte zu knüpfen, habe aber einfach keine Ahnung wie ich das anstellen soll. Vor allem kennen mich viele Leute in der Gegend immernoch als uncoolen Einzelgänger, was ich vielleicht auch noch bin, was es mir aber nicht gerade einfach macht mich irgendwie irgendwo zu etablieren. Die netten Leute wohnen immer zu weit weg.
Ich muss nochmal was zum Thema Freundin loswerden:
Wenn ich verliebt wäre und mich nicht trauen würde, Kontakt mit Ihr aufzunehmen könnte ich mir selbst die Schuld geben, aber das war noch nie der Fall. Ich denke mir nur: Die ist hübsch, oder die hat den total netten Charakter, aber zu mehr kommt es bei mir leider nicht. Warum auch immer. Mit 13 habe ich mir mal selbiges gedacht, aber nun bin ich schon 4 Jahre älter und es ist immer noch nichts passiert Das macht mir einfach alles so zu schaffen neben meinem Berufsalltag der sowieso schon stressig genug ist.
Ich bin einfach froh, dass mal gesagt zu haben, auch wenn ich gerne mit jemand anderem, den ich persönlich kenne mal darüber reden würde.
Ich fühle mich einfach so schlecht, wenn ich über die angesprochenen Themen nachdenke. Ich weiß ja nicht mal mehr, ob mich meine Freunde überhaupt als einen solchen ansehen oder nur als guten Kumpel.
Vielleicht findet Ihr ja ein paar aufbauende Worte für mich,

Lieben Gruß

Monika Anwort von Monika

Lieber Unbekannter,

auf jeden Fall hast du ein paar aufbauende Worte verdient!
Du hast mich mit deiner Mail wirklich berührt. Ich glaube, dass du vielen Jugendlichen aus der Seele sprichst.

Es gibt eben nicht nur die Coolen, die Selbstbewussten, die Cliquenanführer. Nein, es gibt vor allem Jugendliche, die manchmal an sich zweifeln, die hoffen anzukommen und dazuzugehören, die Ängste haben und unsicher sind.

Du bist nicht allein!!

Ich finde es zeugt von großer Stärke, dass du deine Schulzeit, trotz diesem massiven Mobbings, so gut überstanden hast. Du hast dich nicht unterkriegen lassen, sogar dann nicht, als sich dein bester Freund von dir abgewendet hat! Was hat dich durchhalten lassen? Was hat dir geholfen und dich stark gemacht? Wer war bei dir?

Was ich Positives aus deiner Mail heraushöre ist zum einen, dass du dich mit deiner Lehrstelle sehr wohl zu fühlen scheinst. Elektriker ist keine einfache Ausbildung - das heißt, du hast was auf dem Kasten. Und so sehr du an dir und deinen sozialen Kompetenzen zweifelst - auch in der Berufsschule und trotz deinen schlechten Erfahrungen hast du es geschafft dich dort wohl zu fühlen! Dafür hast du meinen vollsten Respekt!
Du verkriechst dich nicht - das ist schon viel wert, auch wenn dabei nicht immer gleich eine tiefe Freundschaft entsteht. Genieße es, dass es dir dort gut geht!
Außerdem scheinst du eine gute Beziehung zu deiner Familie zu haben. Es ist wichtig Menschen im Leben zu haben, die zu einem stehen, die einem Selbstvertrauen geben und auf die man sich verlassen kann. Genau so scheint es bei dir zu sein!

Und du bist keiner der sich zu Hause verkriecht. Nein, du tust etwas für die Gemeinschaft und bist in der Feuerwehr aktiv! Sei stolz darauf!
Zudem bist du jemand der nicht einfach in den Tag hinein lebt, sondern sich Gedanken macht über sich und seine Mitmenschen. Das magst du manchmal als belastend empfinden - es ist aber auch eine Fähigkeit.

Du hast ganz klar gemerkt manchmal grübelst du zu viel und machst dich zu sehr abhängig von dem was andere über dich denken können. Das ist schon mal der erste Schritt in die richtige Richtung! Du kannst selbst daran arbeiten. Überlege dir mal, wie du einen Freund in bestimmten Situationen beurteilen würdest? Wärst du auch so streng wie zu dir selbst?
Müssen alle dich mögen? Ist es nicht ok und normal, dass man mit manchen Leuten eben nicht gut auskommt? (überlege mal bei Stars, die sind berühmt weil sie Fans haben, die sie lieben, aber jeder Star hat auch Menschen, die ihn/sie blöd finden)
Bleiben bestimmte "Peinlichkeiten" nur dir so lange im Gedächtnis oder anderen auch? Was würdest du denken, wenn vor dir einer stolpert und hinfällt?
Vermutlich wirst du immer jemand bleiben, der sich eher zu viele Gedanken macht, aber dies kannst du auch positiv nutzen. Ich bin mir sicher, deine Mitmenschen danken es dir, wenn du dich um sie sorgst oder Mitgefühl zeigst. Wenn du nicht kopflos Leute verletzt, sondern dir genau überlegst wie das, was du tust und sagst bei anderen ankommt.

Vielleicht traust du dich ja mal mit deinen Freunden über das Thema Freundin zu sprechen. Ich bin mir fast sicher, dass es ihnen ähnlich geht wie dir. Neimand will der Letze sein!
Mach dir selbst trotzdem keinen Druck. Du hast dich noch nicht verliebt - na und? Dann bist du eben noch nicht so weit. Wenn du es wirklich willst, dann wirst du aktiv auf die Suche gehen. Ob das dann im Internet, in der Berufsschule, in der Feuerwehr oder in einer Bar ist wirst du sehen.

Ich denke alles weitere weißt du. Es ist eben nur nicht einfach seinen inneren Schweinehund zu überwinden und sich raus ins Leben zu trauen.
Wie gesagt, ich finde du hast das bisher sehr gut gemacht, obwohl einige Menschen dich schon so enttäuscht und verletzt haben.
Was könntest du brauchen, um den Schritt zu wagen?
Dir einen Plan machen und ihn Schritt für Schritt abarbeiten? Ins Schwimmbad gehen und mal zu dem netten Mädchen, dass immer neben dir liegt hallo sagen? Auf der Straße Leute anlächeln, nach dem Weg fragen, auf ein Eis einladen? Mit den Leuten aus der Feuerwher mal so etwas unternehmen? Sie zu dir zum grillen einladen? Noch etwas unternehmen, was du immer schon mal ausprobieren woltest (neue Sportart, Musikinstrument lernen)? Deine Freunde fragen, ob sie dich besuchen kommen und ihr mal am Wochenende ausgeht?

Wie gesagt, all das weißt du bestimmt - hab einfach nur den Mut dich da raus zu wagen, sei geduldig und nciht zu streng mit dir selbst. Und habe das Vertrauen, dass du ein toller Kerl bist!

Liebe Grüße
Monika