Problem von Anonym - 30 Jahre

Alles oder nichts (VI)

Und obwohl das Internet mir klar macht, dass es noch viel schlimmer sein könnte, fühle ich mich allein und isoliert in meiner kleinen hässlichen Welt.

Als ginge es nur mir schlecht. Alle die ich kenne haben alles. Ich kann es kaum noch aushalten in der Gesellschaft anderer. Sofort fühle ich mich minderwertig und deplatziert. Versuche zu berechnen, wie sehr meine hässliche Fresse alles runter zieht und abwertet. Das dieser Moment ohne mich schöner wäre.

Ohne mich geht's den Menschen besser! Auch wenn sich die Menschen oft ungläubig stellen, es ist einfach die Realität!

Wie soll ich an mich Glauben? Und wozu überhaupt? Um was zu erreichen? Denn ich habe gar keine Ziele. Ich kann nicht Glauben, dass andere in dieser Situation besser klar kommen.

Und alle die es schafften, haben eines gemeinsam; sie hatten/haben den Partner. Nur ich eben nicht. Ich werde alleine sein bis ich sterbe. Also ist mein 'leben' eh nur ein inhaltloses abkratzen und ich hasse mich so sehr dafür so auszusehen.

Es zerstört einfach alles. Ich mag z.b. - neben ALLEM anderen - meine Augen nicht. Ich habe gelernt sie zu hassen und jetzt kann ich meiner Mutter kaum mehr in die Augen gucken, weil ich wohl ihre Augen erbte.

Sowieso geht es allen Kindern meines Vaters (die nach ihm kommen) gut. Nur ich bin der hässliche Vogel, den niemand mag und will! Die anderen haben alle Familie, Freude, Freunde.

Ich komm hier auch gar nicht weg. Ich kann es mir nicht leisten und selbst wenn, wo sollte ich hin? Um was zu sehen? Die Welt? Die doch nur von den gleichen Menschen bevölkert wird. Super.

Ich hasse mich. Ich fühle mich sehr unwohl und unsicher Zuhause. Weiß nicht was ich wollen darf. Ist das was ich mir wünsche, so falsch? Es muss wohl so sein. Oder es liegt eben auch ausschließlich am aussehen...

Mein leben ist eh zerstört.

PaulG Anwort von PaulG

Grüße dich!

Mein Lieber, wäre alles ohne Hoffnung, würdest du mir sonst schreiben? So sehr du dich bemühst, mir klar zu machen, dass du wertlos bist - ich glaube nicht daran. Denn wenn du restlos davon überzeugt wärest, würdest du hier nicht schreiben. Oder welchen Grund gibt es sonst dafür?

Mittlerweile rate ich dir nicht mehr, sondern wir diskutieren, oder besser: Halten uns unsere Meinungen entgegen, die verschiedener nicht sein könnten! Ist dir das bewusst?

Es ist keineswegs schlimm. Wäre es das, würde ich dir ja das Wort reden. Und das schreibe ich auch nicht einfach so. Du störst mich nicht, du störst die Welt nicht, du bist dort sogar sehr erwünscht! Aber wie ich schon mehrfach schrieb: Es liegt bei dir. Dir steht es offen, dich davon zu überzeugen, dein Leben in die Hand zu nehmen, deinen Kummer zu überwinden. Oder eben nicht. Wie die andere Möglichkeit genau aussieht, lasse ich offen. Sie darf nicht deine Wahl sein, denn du bist wichtig.

Kommt es dir hart vor, dass ich das so schreibe? Ich will nicht verletzend sein. Nur wirst du eben nicht umhin kommen, eine Therapie zu beginnen, irgendwelche Schritte zu unternehmen; eine Alternative gibt es nicht. Die verrückte Idee, diese Welt irgendwie von dir zu befreien, ziehe ich überhaupt nicht in Betracht. Es braucht dich nämlich auf dieser Welt, jetzt echt mal.

Du attestiert allen Leuten, die vor dir in dieser Lage waren - und glaub mir, die gab es -, dass sie jemanden an ihrer Seite hatten. Einen Partner oder Partnerin. Entschuldigung, aber glaubst du das ernsthaft? Das ist Quark. Es wird dich nicht weiterbringen, dich schlechter fühlen zu wollen als jeder, der sich nur schlecht fühlt. Damit widersprichst du dir selber. Am Anfang hattest du nämlich geschrieben, es könnte weit schlimmer sein. Und so wenig ich dir zustimmen mag in deinem Selbsthass, das ist eine Tatsache: Es gibt etliche Menschen (mal ehrlich, unzählige) denen es weit, weit schlechter geht. Auch in diesem Land. Nicht jeder hat eine Stimme und Worte, für sich zu sprechen, nicht jeder hat es in der Hand, sich zu entwickeln. Manche sind unheilbar krank, manche sind gebeutelt von Bildern, die sie nicht loswerden, die sie niederwerfen wie Schläge; manche erleben permanent körperliche Gewalt. Und, und, und. Auch du magst entsetzliche Erlebnisse gehabt haben. Aber es steht dir nicht zu, unbedingt der Gequälteste sein zu wollen. Von den Menschen, die anderswo in der Welt hungern, auf der Flucht sind oder um ihr Leben bangen müssen, habe ich noch nicht mal geredet.

So wenig du mir vielleicht selbst das glaubst, ich habe Verständnis für dich. Aber eben kein Patenrezept, dir von jetzt auf sofort zu helfen, und auch keines, um (wenn ich das wollte) dich aus der Welt zu entfernen. Was erwartest du dir von mir, mein Lieber? Ich frage es mich wirklich! Ist dein Schreiben ein Abkündigen? Möchtest du Taten vorausblicken lassen, an die ich nicht mal denken will? Oder wünschst du dir ernstlich Hilfe? Du hast ein grundlegendes Problem mit deinem Selbstwert, das sich längst nicht nur aus deiner unglücklichen Liebe speist, scheint mir. Nur, findest du mich überheblich, weil ich nicht anders kann, als mir ein Aktiv-Werden deinerseits zu wünschen? Wenn ich hier im Kummerkasten jemand in seiner Selbstkritik widerspreche, weiß ich nie, ob er damit weiterkommt. Mag sein, dass es manchmal lange braucht. Allerdings bleibt mir die Hoffnung, dass jemand irgendwie, irgendwann bewusst wird, wie wertvoll jeder einzelne Mensch ist. Dazu zählst auch du, lieber Anonymer. Es ist so, es bleibt so, du bringst mich nicht davon ab. Quod erat demonstrandum.

Findest du aber, es macht Sinn, wenn du mir darin immer widersprichst? Ich ermutige dich dazu, wenn es dir gut tut. Daran habe ich nur zurzeit meine Zweifel. Was erhoffst du dir von meinen Antworten? Wenn das, was ich schreibe, so gar keinen Eindruck auf dich macht, warum schreibst du uns dann? Um der Erste zu sein, der das Prinzip umstößt, ohne das sicher keiner im Kummerkasten tätig sein könnte: Dass jeder, jeder, jeder seinen Wert und seinen Platz in der Welt hat. - ist das dein Ziel? Oh, sei versichert: Es klappt nicht. Du bist in Ordnung, und du hast noch vieles, das auf dich wartet. Du kannst sogar bestimmen, was es sein wird, in gewisser Weise. Nur tun musst du es. Du bist es, der sich wehren muss gegen die Dinge, die dich stören. Und möglich, möglich ist das. Das sagt sich leicht, ich weiß - aber etwas Anderes zu sagen, ist unzulässig. Weil alles Andere unwahr ist. Es kann gehen, es wird gehen. Dennoch musst du die Schritte wagen.

Du hast geschrieben, dass du dich mit deiner Familie vergleichst. Zum Beispiel mit deinen Geschwistern, die zu denjenigen zählen, denen du dich unterlegen fühlst. In deiner Mutter erkennst du Manches wieder, das du an dir selbst hasst. Alles Reaktionen, die in deiner Lage gar nicht mal so ungewöhnlich sind - zumal, wenn du von ihnen schlecht behandelt wurdest (was ich nicht weiß).

Andererseits: Denk mal nach, was du damit gesagt hast. Zählt deine Mutter nicht auch zu den "allen gleichen"? Ist sie aus deiner Sicht nicht auch besser dran, allein schon, weil sie nicht du ist? Wie konnte sie jemandem das Leben schenken, der ganz und gar wertlos ist, wenn das auf sie selber nicht zutrifft? Müsstet ihr euch dann nicht völlig unähnlich sein? Ich verrate es dir: So ist es nicht! Denn eine ihrer bedeutendsten Taten war genau das, deine Mutter zu sein. Eines Menschen, wertvoll wie jeder, nicht mehr und nicht weniger, der der Welt etwas zu geben hat. Und der von der Welt etwas erwarten darf. Nur, wenn er seinen Anspruch nicht anmeldet, kann er nicht erfüllt werden. Fordere dein Recht, trete in Aktion, sei offen! Klingt das unmöglich oder verständnislos? Ist es nicht - aber auch nicht anders zu machen.

Was du an dir hasst, sind Qualitäten. Wer sind wir, dass wir uns selbst verurteilen? In der Natur gibt es keine Zufälle, alles hat seinen Sinn und Zweck. Das Unschönste der Menschen ist doch nur Anstoß zur Besserung der Welt, die nötig ist, weil wir uns dabei gut fühlen. Das Hässlichste in den Augen des Einen ist das Schönste für einen Anderen. So ist es und wird es bleiben, und so hat es auch für dich Gültigkeit. Bedeutend, schön, von Ewigkeit zu Ewigkeit. Aber ein Mensch wie alle, der sich den Gefallen tun darf, es zu ignorieren. Aber nicht muss. Willst du nicht auch lieber jemand sein, der sich gefällt? Es kann dazu kommen. Ich habe mir die Aufgabe gestellt, das Ziel, um das es geht, in dir zu verankern. Ob es gelingt, weiß ich nicht. Doch ich habe den Wunsch, weil ich dich bedeutend finde. Schließ dich doch an, dann sind wir schon mindestens zu zweit!

Liebe Grüße,

Paul

Aus Gründen der Nachvollziehbarkeit hänge ich nochmal eine komplette Linkliste an:


http://mein-kummerkasten.de/307003/Scheiss-Leben.html

http://mein-kummerkasten.de/307465/Kein-kluemchen.html

http://mein-kummerkasten.de/307484/Alles-oder-nichts.html

http://mein-kummerkasten.de/307533/Alles-oder-nichts-II.html

http://mein-kummerkasten.de/307543/Alles-oder-nichts-III.html

http://mein-kummerkasten.de/307564/Ende-des-Anfanges.html

http://mein-kummerkasten.de/307650/Epitaph.html

http://mein-kummerkasten.de/307742/Alles-oder-nichts-IV.html

http://mein-kummerkasten.de/307911/Alles-oder-nichts-V.html

Im Übrigen gibt es das Feedback. Möglicherweise ist auch dieser Link untüchtig, aber das Feedback soll nicht unerwähnt bleiben.

http://mein-kummerkasten.de/307674/Feedback-zu-http-mein-kummerkasten-de-307564-Ende-des-Anfanges-html.html