Problem von Daniel - 22 Jahre

Hass auf Menschen und Sinnlosigkeit des Seins

Hallo,

ich weiß einfach nicht wo ich sonst mal Dampf ablassen kann, mit meiner Familie mag ich nicht darüber reden weil ich nicht glaube das sie mich verstehen und Freunde habe ich nicht wirklich.

Ich fange mal damit an das ich Menschen hasse. Ich hasse sie alle! Die Menschheit gehört meiner Meinung nach ausgerottet. Mich selbst hasse ich auch weil ich eben auch ein dreckiger Mensch bin. Ich habe zwar nichts persönliches gegen jeden Einzelnen, das wäre ja völlig unmöglich da ich ja nicht jeden Menschen kenne aber ich hasse die Menschen dafür das sie so sind wie sie sind. Der Mensch ist einfach das wiederwärtigste Geschöpf das auf dieser Welt wandelt. Sie sind so verdammt dumm (vor allem die aktuelle jugendliche Generation hat meiner Meinung nach einfach einen an der Klatsche). Sie halten sich für so clever und Intelligent mit ihren tollen Erfindungen und halten sich für das Maß aller Ding und fühlen sich dem Tier überlegen. Sie beuten diese Welt aus, nehmen sich was nicht ihnen gehört und dieses ganze Verhalten finde ich sowas von zum Kotzen. Der Mensch ist wie eine Krankheit die den Planeten auffrisst. Und ich habe immer weniger bock ein Teil dieser Welt zu sein.

Ich hatte diese Gedanken schon so oft und sie kommen immer wieder. Am liebesten würde ich kompletten Abstand von allen Menschen haben außer von meiner Familie denn das ist das komische ich hasse sie auch auf diese Art und Weise da sie Menschen sind aber ich liebe sie auch. Immer wieder habe ich auch Angst das meine Familie irgendwann nicht mehr da ist. Das sie sterben und dieser Mischmasch aus verschiedensten Gefühlen macht mich echt immer mehr und mehr fertig. Ich habe schon gar keine Lust mehr auf irgendwas.

Außerdem finde ich einfach nichts auf dieser Welt wirklich erstrebenswert. Ich bin zur Zeit in einer recht guten Ausbildung aber das macht mich nicht glücklich. Wenn ich neue Leute kennen lernen will weil ich gerne ein paar Freunde hätte will ich im nächsten Moment sobald ich mit diesen Menschen zusammen bin am liebsten wieder weg und alleine sein. Dieses Leben bietet mir irgendwie einfach nichts.

Was meint Ihr könnte mir helfen denn so kann ich einfach nicht mehr lange weiter machen.

PaulG Anwort von PaulG

Grüße dich Daniel!

Schon vor Jahrtausenden beklagten kluge Männer die Maßlosigkeit ihrer Zeitgenossen.

So wie heute die Zerstörung des Regenwaldes Sorgen macht, ereiferte man sich im alten Rom gegen das Abholzen der Wälder - in Italien und rings um das Mittelmeer. Was ist passiert? Sie sind alle geschlagen worden, weil eine Weltmacht Schiffe brauchte. Heute noch sieht man die Spuren, überdeutlich.

Im 16. Jahrhundert versklavte man die Indianer Südamerikas, um in den Anden Silber zu schürfen. Millionen kamen dabei um, die Bevölkerung fiel in sich zusammen. Schon damals entrüsteten sich Geistliche in den Kolonien über das, was ihre Regierung im fernen Europa duldete. Was ist heute? Noch immer schuften Arbeiter für einen Hungerlohn in der dünnen Luft, um die letzten Reste des Silbers den Bergen abzuringen.

Irgendwann im 19. Jahrhundert verboten die europäischen Länder nach und nach die Sklaverei. An der Schwelle zum letzten Jahrhundert war sie fast überall illegal. Was ist heute? Die seltenen Erden, die Diamanten werden noch immer gewünscht, und noch immer auf brutale Weise gefördert - in Afrika, in China, überall. Und wir wollen scheinbar nicht nur nichts davon hören, wir hören es auch nicht. Es ist eine scheußliche Wahrheit, über die fast überall geschwiegen wird.

Wer seiner Liebsten zum Jahrestag Blumen kauft, tut gut daran, etwas tiefer in die Tasche zu greifen. Er macht in diesem Fall zwei Frauen glücklich: Seine Herzensdame, und die unbekannte Pflückerin in Kenia, der sonst die Herbizide zusetzen.

Macht dir das letzte Beispiel vielleicht deutlich, worauf ich hinauswill? Deine Wut ist gerecht und verständlich. Aber hältst du es für eine Lösung, am liebsten die Menschheit zu vernichten, untergehen zu lassen, von dir zu weisen? Ich attestiere dir mal, dass du die Welt als solche magst. Die Menschen sind das Problem. Da hast du recht. Aber ich glaube, wenn die Natur wirklich nichts geschehen lässt, ohne damit irgendein Ziel zu verfolgen, dann gilt das auch für uns.

Es war nie einfach, auf diesem Planeten lebendig zu sein! Arten wurden ausgerottet, starben an Kälte oder durch ihre Feinde. Lebewesen sein, ist kein Wunschkonzert. Was uns von den anderen Arten unterscheidet, ist, dass wir nachdenken. Es geht uns wie dem Fuchs, der auf einer Insel voller quicklebendiger, quietscheglücklicher Kaninchen landet: Er frisst sie. Alle. Und dann? Stirbt er, natürlich. Weil er das Maß verloren hat. Was uns von ihm trennt, ist, dass wir diesen Moment vorausahnen. Dass wir sehen, dass der fette Käse, in dem wir wie Maden leben, einmal verzehrt sein wird. Und dass wir nebenbei auf Kosten Anderer unserem Wohlstand frönen. Tag für Tag.

Allerdings ist es möglich, so zu leben, dass man ein Vorbild ist. Dass die Welt im Kleinen gerettet wird. Du bist jung - mach dich auf, so eine Möglichkeit zu entdecken und auszuschöpfen!

Du besserst die Menschheit nicht. Niemand bessert sie. Viele glauben vielleicht, dass es einmal ein Weltparlament geben könnte, dass es keine Nationen und Waffen mehr geben wird, keine Kriege, keine tödlichen Krankheiten. Falsch, glaube ich. Auch ein Weltparlament kann sich überwerfen oder entmachtet werden. Wir Menschen werden die Identität, die uns durch tausende Generationen mitgegeben ist, nie ganz sein lassen. Wir werden immer nach Unterschieden suchen. Waffen werden auf die eine oder andere Art immer gebaut und missbraucht werden. Krankheiten sind unbeherrschbar, unausrottbar. Und irgendwie, irgendwie wird es trotzdem weitergehen. Eines fernen Tages in einer Milliarde Jahren, wenn dieser Planet unbewohnbar geworden ist, werden wir schon andere kennen. Dort wird sich eine neue Geschichte entspinnen, in der die Urzeit irgendwo auf einer blauen Kugel im All, nicht mehr als eine Legende ist; ungefähr so lebendig und präsent, wie heute die Berichte über Eiszeitjäger.

Lieber Daniel, wir sind nicht umsonst geschaffen! Niemand ist umsonst entstanden in dieser Welt! Du und ich, wir sind junge Männer im Zenit der Schöpfung. Unsere Aufgabe ist, nach etwas zu suchen, dass folgenden Generationen Hoffnung geben wird, ihnen ein Geschenk und eine Hilfe sein kann. Was ist das für dich? Nur du kannst es wissen!

Die Geschichten unsrer Leben werden nur unseren Kindern und Enkeln wirklich bewusst sein. Deren Kindern wird es schon vorkommen, als seien wir kaum näher als die Namen in ihren Geschichtsbüchern. Aber unsere Taten und Werke, die bleiben! Das Glück und der Optimismus, den wir ausstrahlen, die Freude, die wir bereiten, dringt sich durch und durch in die Herzen der Menschen, die uns begegnen, und denen wir Gutes tun. Sie tragen es weiter, sie leben es auch, vielleicht ohne es zu merken. Jede unserer Handlungen schafft Produkte. Tragen wir Sorge, dass es gute sind! Tragen wir Sorge, dass sie dauerhaft sind! Kämpfen wir gegen das Vergessen genauso wie gegen das Verschwenden! Daniel, los, komm mit! Es ist nie zu spät.

Wenn du die Menschheit in sich hasst, aber den Einzelnen schätzt, dann mach dir eines klar: Wir alle einen das Gute und das Schlechte. Niemand, niemand ist vor Fehlern gefeit. Aber man muss sich die Mühe machen, den Einzelnen kennen zu lernen. Im Augenblick bist du Pessimist. Die Tatsache, dass es für dich wenige "gute" Menschen gibt - und mag sein, dass das überhaupt so ist, wobei ich es nicht glaube -, diese Tatsache lässt dich resignieren. Wer dir nahesteht, ist gut; wer nicht dazu gehört, nicht "sie ist", kann nicht gut sein. Da es so viele sind, ärgert es dich. Warum es nicht anders herum betrachten? Du hast eine Anzahl guter Seelen gefunden. Diejenigen, die du nicht kennst - nun, genau das ist es ja! Viele gute sind noch zu entdecken. Aber deine Familie kann dir der erste Beweis sein, dass die Welt nicht umsonst ist. Und du siehst das richtig: Sie sind Menschen wie alle, nicht fehlerfrei, doch liebenswert; aber sie bleiben nun mal, was sie sind. Ganz reinigen lässt ein Menschenherz sich nicht. Wir legen unsere Fehler nicht ab. Aber wir können soweit damit umgehen, dass wir mit uns im Reinen sind. Dass unsere produktiven Kräfte die zerstörerischen weit hinter sich zurück lassen.

Und dann - das Ende. Der Tod? Einer der eindrücklichsten Gedanken, den mir mein Lateinunterricht mitgab, war dieser:

Der Philosoph Sokrates war schwerer Verbrechen angeklagt - Volksverhetzung, wäre das moderne Wort. Er wusste, seine Gegner wollten seinen Tod. Aber da er auch viele Unterstützer hatte, ließ man ihn vor seiner Hinrichtung besonders nachlässig bewachen. Er sollte die Möglichkeit haben, zu fliehen. Er aber schlug sie aus, und nahm das Urteil an. Seine Begründung war etwa: "Würde ich fliehen, so wäre im selben Moment die Richtigkeit der Anklage bewiesen. Zwar hätte das Leben in diesem Lande auch weitergehen können, ohne dass man mich tötet. Jedoch, ich bejahe das System, das mich verurteilte; ich bin nicht Opfer eines wütenden Mobs oder der lästige Feind eines Tyrannen, nein! Freie Menschen haben mich, ihren Rechten gemäß, in einem freien Lande eines Verbrechens angeklagt, und ein freies Gericht hat mich schuldig gesprochen. Das mag so sein oder nicht, das Verfahren zeigt, dass ich dieses Land getrost hinter mir lassen kann, und sterben. Alles geht seinen richtigen Gang - auch in dieser Sache. Es hätte nicht sein müssen - allein sie hatten ein besseres Plädoyer. Und was kommt nach dem Tode? Nun, wenn nach dem Tod irgendetwas kommt, so wird es sich zweifellos nach unseren Verdiensten im jetzigen Leben richten. Mein Gewissen ist rein. Sollte etwas folgen, habe ich keine Furcht. Wenn aber nach dem Tode nichts kommt? Nun, dann ergibt sich aus der Sache selbst, dass wir keine Angst davor haben müssen. Denn "Nicht-sein" lässt sich nicht bemerken, es lässt sich nicht damit hadern, nicht darunter leiden. Es ist so, wir waren einmal, und damit gut. Wir spüren nichts, aber auch gar nichts mehr, wir denken nicht mehr. Und im Moment können wir uns das nicht vorstellen, denn wir leben noch. Aber wenn es so ist, wird es uns beizeiten egal sein. Aber ach, nicht einmal dafür haben wir dann noch Wort oder Gefühl! Prosit!"

Und der Philosoph trank den Giftbecher. Die Geschichte ist wahr, vielleicht kennst du sie.

Konnte ich dir ein paar Gedanken an die Hand geben? Unsere Leben sind endlich, wir wissen nichts über das Danach. Die Menschen sind Lichter in der Nacht, ihre Werke glühen auf im Dunkel; aber ihre Geschichten wiederholen sich. Ich wäre zufrieden, wenn jemand, wie ich es war, einmal von mir hört und es ihn kräftigt, sich in meiner Geschichte zu spiegeln. Ich kenne seinen oder ihren Namen nicht. Aber Daniel, gefällt dir nicht die Vorstellung, dass, was immer von dir bleibt, einmal durch einen Unbekannten, voll von Träumen und Emotionen, in einer Kiste ausgegraben wird - und ein Schauer der Hoffnung ihn durchzieht? Sag, ist das nicht schön? Lass dich mitreißen. Auf, Daniel, wir haben eine Kiste voll Erinnerungen zu zimmern. Zeit ist uns gegeben, Geist und Elan. Lass uns anfangen!

Alles Gute und liebe Grüße,

Paul