Problem von Annika - 23 Jahre

Zwänge

Hallo, ich habe seit ca.einem Jahr Ängste/Zwänge. Ich mache es kurz: Ängste eine Verbindung zu homosexualität zu haben. Ich weiß, dass es nicht so ist und ich habe auch einen Mann,mit dem sich was anbahnt, den ich attraktiv finde. Aber trotzdem "zwingt" mich mein Gehirn ab und zu daran zu denken und am meisten macht mich dieses Scharmgefühl kaputt, ich kann da nicht mit meinen Eltern drüber reden weil es mir so unangenehm ist und mir es auch total schwer faellt dieses wort h***sexualität in den mund zu nehmen.
Ich habe aber Angst in eine Depression zu raten und weiss nich wie ich aus diesen Gedanken rauskonmen kann,an manchen tagen gehts besser an anderen nicht so..und ich merke wenn ich darüber rede relativitert sich das problem.ich Steiger mich da glaub ich auch rein und denk immer sofort an das schlimmste.
Wie hören diese Gedanken auf?

PaulG Anwort von PaulG

Grüße dich Annika!

Die Angst homosexuell zu sein oder es zu werden, ist mittlerweile ein Begriff, der gar nicht mal so selten fällt. Es sind aber hauptsächlich Männer betroffen; auch Frauen, wie dich, gibt es natürlich. Ich glaube gar nicht mal, dass es mit der - zum Glück! - gestiegenen Akzeptanz von Homosexualität zu tun hat; so ein Zwang hat seine Auslöser meist im Leben der Betroffenen.

Wenn du das kannst, solltest du es planmäßig angehen. Du kannst auf jeden Fall auch eine Therapie in Betracht ziehen, aber ich will nicht mit der Tür ins Haus fallen. Nicht immer muss das der erste und beste Weg sein.

Frag dich zuerst mal: Wann genau hat es begonnen? Weißt du das noch? Gibt es ein Erlebnis, dass dir im Nachhinein wie ein Auslöser vorkommt? In jungem Alter ist es sicher nicht ungewöhnlich, auch mal mit Gedanken an das eigene Geschlecht zu spielen, selbst wenn man heterosexuell ist. In deinem Fall bist du dir deiner sexuellen Orientierung ja längst sicher. Allein der Gedanke beschäftigt dich, und lässt dir keine Ruhe. Es ist gut, dass du das erkannt hast. Natürlich gibt es einen Unterschied, ob man etwas rational weiß, oder auch so fühlt und stehen lassen kann. Hast du vor einem Jahr schon einmal eine schwierige Zeit durchgemacht? Gab es Bilder oder Situationen, die dich beschäftigen, und die man so deuten kann? Oder hat vielleicht jemand, der dir nahesteht, diesbezüglich Erfahrungen gemacht, sich geoutet?

Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass ich jede sexuelle Orientierung als völlig gleichwertig betrachte. Es geht mir darum, zu überlegen, was dazu geführt haben könnte. Wenn du es nicht mehr genau weißt - welche Bilder, welche Gedanken sind es genau, die dich quälen? Ist es so, dass du Schwierigkeiten hast, dir Zärtlichkeiten mit dem Mann deiner Träume vorzustellen? Drängt sich dann das Bild einer Frau hinein? Und wenn ja, welche ist es? Ist es eine bestimmte Person, die du kennst, oder mehrere? So könntest du einen Fingerzeig erhalten, woher dein Zwang rührt.

Spürst du den Zwang auch körperlich - also, fühlst du dich gedrängt dir vorzustellen, wie es wäre, eine Frau zu berühren? Wenn dir das möglich ist, wäre es gut, die Bilder möglichst genau zu benennen. Denn je mehr du den Zwang mit einem Tabu belegst, desto mehr holt er dich ein.

Ein Vorschlag wäre, dass du probierst, den Zwangsgedanken mit einem anderen Gedanken zu "bekämpfen". Das stelle ich mir so vor, dass du von der sexuellen Vorstellung abkommst. Beschäftigt dich zum Beispiel der Gedanke an eine weibliche Brust? Je nachdem, wie dieser Gedanke beschaffen wäre, kannst du versuchen, ihn auf etwas anderes zu richten. Konkret: Wenn du die Vorstellung nicht loswirst, die Brust einer Frau mit den Händen zu berühren, versuche, die Brust zu ersetzen. Durch einen Luftballon? Durch einen Gummiball, ein Kissen? Oder irgendetwas, das in etwa die Form haben könnte; du kannst es einüben, dass du jedes Mal, wenn der Zwang zu dir kommt, dieses "Ersatzbild" aufrufst.

Das ist natürlich nur ein konstruiertes Beispiel von mir. Ich weiß nicht, wie deine Zwangsgedanken genau aussehen. Somit muss meine Überlegung nicht zutreffen. Wenn du weiterhin stark darunter leidest, wäre es ratsam, mal mit einem Psychologen darüber zu sprechen. Das kannst du auch unverbindlich; es muss dir auch nicht unangenehm sein - denn, wie ich eingangs schrieb, du stehst auch nicht allein da!

Ich kann auch verstehen, dass es dir schwer fällt, mit deinen Eltern darüber zu sprechen. Das musst du ja auch nicht, oder? Ich frage deshalb, weil ich nicht weiß, wie deine Eltern zu dem Thema stehen. Sind Enkelkinder, also deine Kinder, wenn du welche haben magst, sehr wichtig für sie? Ein Gespräch mit deinen Eltern könnte dich dann unter Druck setzen. Falls es jemand Anderen gibt, der dafür Ansprechpartner sein kann und dem du soweit vertraust, würde ich dir dazu raten. Möglich, dass sich das Problem auch bald von selbst löst, wenn du einen Partner findest. Ein Stück weit spielt vielleicht der Gedanke in den Zwang hinein, wie es sein wird, ihm näher zu kommen. Das könnte ich mir vorstellen, wenn du längere Zeit keine Beziehung hattest.

Zwangsgedanken sind es deshalb, weil du sie nicht angenehm findest. Es ist etwas Anderes, als wenn jemand sich outet, seine Homosexualität entdeckt. Denn du warst lange damit glücklich, Männer zu lieben. Der Zustand, den du dir wünschst, ist der, den du schon immer kanntest. Daran merkst du, dass du nicht homosexuell bist. Letztlich wäre es genauso in Ordnung, wenn du einen wirklichen Outing-Prozess durchlaufen würdest; weil du aber nicht glücklich bist, sondern die Gedanken weg wünschst, kann es das nicht sein. Wenn jemand sich outet, empfindet er die Bilder als schön, auch wenn er sie vielleicht nicht wahrhaben will. Du dagegen hast keinen Gefallen daran, sie kommen einfach zu dir.

Was genau dir helfen wird, kann ich nicht abschließend sagen. Aber ich möchte dir Mut zusprechen, dass es aufhören wird. Vielleicht ist diese Erkenntnis mit am wichtigsten: Es ist ein Zwang, das ist dir klar - und weil er nicht immer da war, kann er auch wieder gehen. Wie der Weg auch aussieht, und ob dir eine Behandlung geraten scheint, wird sich das Problem lösen. Da bin ich mir sehr sicher.

Zum Schluss wünsche ich dir eine gute Zeit - und viel Glück mit deinem kommenden Partner!

Liebe Grüße,

Paul