Problem von Anonym - 17 Jahre

Extremer Babyhass (lang)

Hallo zusammen. Ich habe ein Problem und zwar ich hasse babys. Bitte nennt mich nicht Psycho oder beleidigt mich weil das hab ich schon genug ertragen müssen. Ich liebe dafür Tiere! Ich weiß selbst nicht warum aber immer wenn ich schwangere Frauen sehe oder welche mit Kinderwagen denke ich mir "du hässliches scheißvieh da drin hoffentlich verreckst du" und bekomme auch jedes mal mordgedanken. Ich würde am liebsten in den Schwangeren Bauch ein Riesen Messer reinstecken oder das Baby im Kinderwagen töten. Ich weiß es hört sich krass an aber ich habe es mir selbst nicht ausgesucht so zu fühlen. Ich hasse es immer in diese doofen kleinen Gesichter zu gucken, und dann diese Eltern! Immer "gutschigutschi Ohhh bist du süß". Und dann noch diese nervenden Eltern wenn jeder unbedingt Platz machen muss damit sie und ihr tolles Kind durchgehen können. Ich war schon mal kurz davor den Kinderwagen mit der Frau auf die Gleise zu treten.Und dann dieses Gekreische und rumgestinke. Diese Verständnislosen Blicke wenn ich mich über Kinder oder babys beschwere. Ich bin halt nicht so ein Mensch der gerne nervende Kinder oder babys Umsich hat, und soll ich meine Meinung ändern nur weil es von der Gesellschaft erwartet wird das ich sie mag? Nein! Ich fühle mich wie von einem Dämon besessen wenn ich diese mordgedanken bekomme. Allgemein auch mordgedanken gegen andere Personen. Ich fühle mich körperlich und seelisch dann wie dieser Dämon. Ich habe mir eine Babypuppe von meiner Schwester genommen um auf sie einzustechen damit ich es da rauslassen kann und nicht woanders. Aber der Hass ist zu groß. Ich hatte eine sehr schlimme Kindheit. Wurde körperlich misshandelt und beleidigt und vernachlässigt. Andere waren immer besser als ich und ich war dumm und konnte nix und würde auch nie was erreichen außer irgentwan als Putzfrau zu arbeiten und ich war immer an allem schuld. Ich bin noch in der Schule und erst 17 ich werde keine Putzfrau werden!! mich nervt es auch immer wenn ich irgentwo bin und höre "das ist kein Vorbild für die Kinder" "aber wer achtet auf die Kinder?" Immer kinder da Kinder da bla bla bla!! Kinder dürfen alles. Auf Kinder wird meiner Meinung zu viel Rücksicht genommen. Immer müssen andere Leiden nur damit es diesen scheiß Kindern gut geht. Meine Psychologin meint diese Fantasien und meine Denkweise sei normal. Aber ich weiß nicht es ist jedesmal ein tolles Gefühl wenn ich auf diese Puppe einsteche. Ich habe im Internet auch mal gelesen wie Mütter ihre babys getötet haben und denke mir jedesmal "gut gemacht ich bin stolz auf dich" und lache und freue mich. Bitte helft mir und verurteilt mich nicht. Ich kann auch nett sein und freue mich über Hilfe und Ratschläge wie gesagt ich habe es mir nicht ausgesucht.

PaulG Anwort von PaulG

Grüße dich liebe Anonyme!

Ganz zu Beginn: Ich halte dich nicht für einen Psycho und habe nicht vor, es dir anzukreiden. Du hast schlimme Erfahrungen gemacht, die dein Problem verstehbar machen; darauf komme ich unten noch zu sprechen. Ich möchte zuerst ein paar andere Gedanken aufschreiben.

Du magst keine Kinder und liebst dafür Tiere, hast du geschrieben. Dann weißt du sicher, wie viele Leute es gibt, die mit Hunden oder Katzen ein Problem haben? Die es fertig bringen, sie zu töten oder zu quälen? Die anfangen zu toben, wenn ein Tier ihnen nur zu nahe kommt?

Du weißt sicher auch, dass man die Hälfte der wilden Tiere in unserem Land ausgerottet hat - oder zumindest fast? Falsch und böse hat man sie genannt, dämonisch, räuberisch, grausam, verschlagen, widerwärtig... Dabei sind es Tiere. Sie leben auch und haben ihre Gefühle und Anlagen, so wie wir. Sie alle haben ihren Platz in der Welt. Der Mensch ist es, der ihnen diesen Platz nicht zugesteht. Die Spinne im Waschbecken, der Regenwurm im Beet, der streunende Hund und die Taube auf dem Dach: Sie alle gehören dazu, wie wir, fühlen Schmerz und Angst und wollen leben; sie alle haben gute Gründe, leben zu wollen. Aber wir sagen, sie wären eklig, schleimig, gefährlich und wollen sie da nicht haben. Schon ziemlich egoistisch und irgendwie dumm, oder? Damit meine ich nicht, dass das auf deinen Babyhass auch zutrifft. Ich wollte nur den Vergleich führen - so wie du Tiere liebst und Kinder hasst, kann es auch andersrum gehen. Und so wenig, wie du die Liebe zu Babys verstehen kannst, so geht es manchen mit deiner Tierliebe.

Und ja, bleiben wir mal bei Tieren: Du bist die Expertin. Wir Menschen gehören in die Reihe der Tiere. Manche Tierarten legen Eier, die Kleinen schlüpfen aus und sind gleich auf sich selbst gestellt. Manche müssen sofort mitlaufen können, manche erfahren nur sehr wenig Fürsorge von ihren Eltern; aber bei allen klappt es irgendwie. Zumindest gibt es diese Arten noch. Aber eine Art von Aufzucht habe ich vergessen, nicht?

Nesthocker. Mäuse, Kaninchen, Affen und auch wir Menschen, die von ihnen abstammen: Wir bekommen Kinder, die klein und nackt und hilflos sind. Sie sehen nicht gut, sind empfindlich gegen Krankheiten und Kälte, sie können sich ihre Nahrung nicht selbst suchen. Um es klar zu sagen: Sie sind dem Tode geweiht, wenn ihre Eltern, speziell die Mütter, nicht da sind - und sie wärmen, füttern und beschützen. Das hat die Natur so eingerichtet. Und wenn wir ehrlich sind, bleiben wir ja klein, nackt und hilflos - nur, dass wir geschickte Hände und helle Köpfe haben, wo Anderen Zähne, Schnäbel und Gift, feinste Nasen und Schwimmhäute gegeben wurden. Sie leben, und das gut - gäbe es uns nicht, die wir mit unseren Gaben alles beherrschen wollen.

Du bist kein Dämon. Wenn du selbst misshandelt worden bist, muss ich mich deiner Psychologin anschließen: Du willst niemals das wieder erleben, was dir widerfahren ist! Und jetzt sag mir - das ist doch eigentlich gut? Ja, ganz genau, das ist es! Du lehnst dich gegen das auf, was Andere dein Schicksal genannt haben - und das ist richtig stark. Du wirst etwas aus dir machen, das weiß ich. Woher nun rührt dieser Babyhass? Ist es Neid, weil sie verhätschelt werden, was du nicht wurdest? Ist es der Wunsch nach... Rache? Nach Anerkennung - dass jemand merkt, wie es dir damals ging? Ich kann es nicht beantworten. Das sind Überlegungen, die mir eingefallen sind - keine davon muss richtig sein.

Die Mutter, die ihre Kinder tötet: Hat die wirklich gut gehandelt? Wenn wir mal annehmen, dass sie ihre Kinder getötet hat, um ihnen ein schlimmes Leben zu ersparen, das ihnen ihrer Meinung nach bevorstand: Dann muss ich sagen, wer bin ich, diese Handlung zu verurteilen? Dass eine Mutter ihr Kind aufgibt, ist das Schlimmste. Dass es ihr keine Hoffnung zu geben vermag, für es zu sorgen. Stattdessen tötet sie es. Nicht sie hat versagt. Der Vater hat versagt, dem es egal ist, sie geschwängert zu haben. Ihre Familie, die fand, sie sei zu jung oder nicht bereit. Die Freunde, die nicht mehr kamen, als mit ihr nicht mehr gut feiern war, und ihr die Hoffnung auf einen Beruf, auf Erfüllung ihrer Wünsche ausgeredet haben. Und so weiter. Nein, es ist keine Tat, die mir zu verurteilen zusteht; die Gesellschaft muss sich "an der eigenen Nase fassen". Aber: Deswegen ist das Kind, das umgekommen ist, kein bisschen böse.

Eigentlich möchte ich dir sagen: Wenn dir solche Fantasien gut tun; wenn es dir hilft, deine Wut abzubauen, solche Berichte zu lesen - eigentlich möchte ich sagen, dann tu es! Eigentlich. Dass in unserem Kopf immer Friede, Freude, Eierkuchen herrschen muss, ist ein schwerer Irrtum. Zu uns allen kommen immer wieder mal solche Bilder - von blutiger Vergeltung und wütender Rechenschaft, von noch viel mehr; wir irren, wenn wir uns deshalb als böse und krank fühlen. Sie sind menschlich - aber die Gefahr beginnt, wo die Bilder anfangen, zu Plänen zu werden. Wo wir uns nicht mehr sicher sind, dass der Gedanke allein genügt. Siehst du diese Gefahr für dich? Und überhaupt: Wird dein Hass dadurch - zumindest für den Moment - gemildert? Oder eher vergrößert? Wenn das so ist, dass musst du Acht geben. Aber was Gedanken sind, sind Gedanken; für sie herrscht alle Freiheit, solange sie bleiben, was sie sind. Solange keine Taten daraus werden. Und die Frage, ob sie das werden können - diese Frage müssen wir uns immer stellen, falls der Gedanke nicht hilft, sondern alles noch schlimmer macht. Gehe in dich und frage dich, wie es bei dir aussieht. Wenn es hilfreich ist, kannst du dir all diese Strategien gern gestatten; falls nicht, achte genau auf dich, ob der Drang wach wird, es wirklich zu tun.

Hat es aber nichts Beruhigendes für dich, zu wissen: Ich werde niemals Kinder haben müssen? Niemand verlangt es von dir. Es ist deine Entscheidung. Doch bedenke auch: Vielen Leuten ist es wichtig. Was beileibe nicht heißt, dass ihre Kinder ihr ganzer Stolz sind, dass ihnen nichts sonst wichtig ist, und sie voll in der Rolle als Eltern aufgehen. Das wäre der Idealfall. Aber was glaubst du, wie viele Leute Kinder bekommen, ohne sich richtig zu überlegen, was auf sie zukommt? Wie viele Eltern manchmal ungerecht zu ihren Kindern sind, weil die, so unschuldig sie sind, ihren übrigen Wünschen im Weg stehen - die sie leider erst bemerkt haben, als die Verantwortung für die Kinder schon da war? Wie viele Eltern versuchen, aus ihren Kindern das zu machen, was sie selber nicht geschafft haben - und dabei übersehen, dass ihre Kinder auch eine Persönlichkeit haben? Wenn du das nächste Mal hörst "Das ist kein gutes Vorbild!", dann denke dir "Mal schauen, ob du eines bleibst!". Und wenn es heißt "Wer wird auf das Kind achten?", dann gib insgeheim zurück "Wer, wenn du nicht mal auf dich selbst aufpassen kannst?" Eltern sind stolz, und das zu Recht; aber nicht alles, was Eltern tun, kann sie stolz machen. Und vieles, das Kinder tun - ob sie nun, vier, vierzehn oder vierzig Jahre alt sind -, auf das ihre Eltern wirklich nicht stolz sein können, ist letztlich Produkt einer solchen Erziehung. Es gibt tausend Wege, einen Menschen zu dem zu machen, was wir uns für ihn wünschen; aber wer immer auf den einen und selben Weg pocht, der am besten alles beinhaltet, was man selber ist, und noch das, was man nicht ist - der erreicht oft das Gegenteil. Warum? Nicht weil der Mensch, das Kind, schlecht ist. Sondern weil man vergessen hat, dass mancher genau das will, das seine Eltern nicht sind, haben und wollen. Und damit gut bedient ist.

Trotz allem muss ich dich um eines bitten: Versuche, dich möglichst nicht über die Babys zu beschweren. Das kannst du tun, wenn du mit Freunden zusammen bist, oder für dich allein, dich ärgerst - aber in der Öffentlichkeit? (Wenn es das ist, was du meinst?) Denn für sein Kind das Beste zu wollen, ist auch nur natürlich. Ja, es gibt Leute, die es damit absolut übertreiben! Und es gibt viele Orte, an denen man mit Babys nicht wirklich hin muss; und Situationen, die manche Eltern wirklich vermeiden sollten! Aber so wie du nicht verstehen kannst, wie sie fühlen, so ist es umgekehrt auch. Es wird dich nicht weiter bringen. Die Verständnislosigkeit wird deine Abneigung nur vergrößern, weil du dich bestätigt fühlst. Was dahinter steht, sind zwei Denkweisen, die im Grunde keinen Kompromiss zulassen: Du hast die deine, sie ihre. Denk bei dir: Gott sei Dank muss ich das nie haben! Oder: Euch kann ich nur bedauern! Das ist in Ordnung. Wichtig ist jedoch, dass du weißt: Es kann sein, dass die Frau, über die du dich ärgerst, sich genau deshalb sicher fühlt. Weil ihr Baby ihr Selbstbewusstsein verleiht. Eine Frau, die sich ein Kind wünscht - die geht von dem Moment, da sie einen positiven Schwangerschaftstest in Händen hält, ganz anders durchs Leben. Für dich wäre es die Katastrophe überhaupt; für sie ist es wie sechs Richtige im Lotto, der Hauptgewinn der Hauptgewinne. Dass du es verstehst und nachvollziehen kannst, verlangt keiner von dir. Auf Dauer ist es nur wichtig, dass du es anerkennst und stehen lassen kannst. Bedauern kannst du sie immer noch - aber das werden wiederum sie niemals verstehen.

Es ist eine Entwicklung, durch die du gehst. Ich weiß nicht, ob es dich auf lange Sicht glücklich macht, mit diesem Hass zu leben. Aber ich weiß, dass du es nicht so gewollt hast, und werfe es dir nicht vor. Ich wollte dir zeigen, dass es erstmal nicht schlimm ist. Solange du es ertragen kannst - und solange du dich im Griff hast. Wie es besser werden kann, das kann dir deine Psychologin am besten sagen - oder zumindest mit dir daran arbeiten. Recht hat sie jedenfalls. Wichtig ist, dass du dich wohl fühlst - frage dich immer, ob dem so ist. Denn der erste Schritt zur Besserung ist, dass du es selbst ändern möchtest, statt auf den Hass zu beharren. Dieser ist nichts, was dich zum Dämon macht: Ich kann ihn verstehen. Du nimmst ihm am ehesten die Spitze, wenn du dich deshalb nicht mehr böse und krank fühlst, denn das bist du nicht. Wenn du dir das klar machst, kann es sich bessern. Und dazu, sowie zu allem, was du dir wünschst, wünsche ich dir alles Gute.

Liebe Grüße,

Paul