Problem von Alina - 15 Jahre

Egal was ich mache, es ist falsch.

Hallo,

ich bin vollkommen am Ende, ich kann einfach nicht mehr. Ich werde im Moment nur angemeckert wegen jedem Scheiß. Ich habe letztens ein Gespräch von meinen Eltern gehört, wo mein Vater meiner Mutter erzählt hat das er findet ich hätte mal ein paar Schläge verdient und das es ihm scheißegal wäre. Meine Mutter meinte darauf hin ob er noch ganz dicht wäre und daraufhin haben sie sich ein wenig gestritten. Auch wenn ich manchmal mit meinem Vater in eine Konfrontation komme droht er mir mit Schlägen. Ich komme damit einfach nicht klar, ich hab große Angst davor, dass es wirklich mal so weit kommt und er mich schlägt. Ich bin für ihn sowieso nutzlos und er sagt immer wie dumm ich doch manchmal wäre. Obwohl ich das nicht bin. Ich bin auf einem Gymnasium und habe dieses Jahr einen Notendurchschnitt von 1,6. Trotzdem meint er ich wäre dumm. Letztens kam meine Mutter zu mir und hat mich gebeten ihre Bewerbung abzutippen und auszudrucken. Ich hab ihr erzählt das unser Drucker nicht mehr gut druckt und immer hängt. Sie meinte sie würde es dann bei ihrer Freundin ausdrucken. Und damit war die Sache gegessen. Meinem Vater hatte ich das aber noch nicht erzählt, einfach weil ich es wieder vergessen hatte. Nun kam er gestern zu mir und hat mich angeschrien warum ich ihm das nicht erzählt habe und warum ich nie etwas für die Familie tun würde. Er meinte meine Mutter und Er würden mir ja jeden Wunsch erfüllen und immer alles für mich tun und warum ich denn nichtmal die Bewerbung für meine Mutter abtippen könnte. Ich war vollkommen perplex und sauer, weil es einfach nur ungerecht und nicht fair war. Ich hatte das schließlich mit meiner Mum geklärt und er schrie mich jetzt an das ich nie etwas für jemanden machen würde und mir immer alles nur vor'n Arsch gemacht wird?! Ich war so stinksauer, dass ich einfach nur in Tränen ausgebrochen bin. Daraufhin ist er erst richtig ausgerastet und hat einfach nur noch an mir rum gemeckert, wie nutzlos und dumm ich doch sei und das ich zu nix zu gebrauchen bin. Ich dachte wirklich er wird mich schlagen Ich kann einfach nicht mehr. Ich halte dieses ständige Geschreie nicht mehr aus. Egal was ich mache, egal ob ich jemanden helfen will oder nicht, es ist falsch. Wenn ich zu viel rede, sagt er ich soll still sein. Wenn ich still bin und nachdenke , sagt er ich sei depressiv! Es ist nicht zum aushalten für alles angemeckert und kritisiert zu werden.

Danke an diejenige/denjenigen der sich das durch gelesen hat.
Grüße Alina

Florian Anwort von Florian

Hallo Alina,

Du wirst es Deinem Vater vermutlich nur in seltenen Fällen recht machen. Das liegt jedoch nicht an Dir. Dein Vater hat zum Teil paradoxe, also sich selbst wiedersprechende, Ansprüche an Dein Verhalten. Als ideales Beispiel finde ich das von Dir letztgenannte, in dem Dein Vater von Dir sinngemäß fordert: "Sei still und rede nicht zu viel, aber wehe Du sprichst gar nicht mehr." Hier ist es absolut egal ob Du dann etwas sagst oder nichts sagst. Du wirst in beiden Fällen gegen diesen Anspruch verstossen und damit in seinen Augen falsch handeln.

Andere Ansprüche wiederum erscheinen überaus überzogen und perfektionistisch. Wenn er z.B. bei einem Notendurchschnitt von 1,6 Dich für dumm hält und Dir somit vermittelt das dieser Schnitt nicht genügt. Dann ist das kein Mangel von Deiner Seite (Ich wäre bei meinem Abitur mit einem Schnitt von 2,5 schon zufrieden gewesen), es ist eine übertriebene Erwartung von ihm an Dir.

Er ist sich selbst wahrscheinlich gar nicht bewusst darüber, aber er hat ein bestimmtes fiktives Idealbild von Dir als Tochter im Kopf und an diesem Ideal versucht er Dich und Dein Verhalten zu messen. Das Du dabei nur schlechter abschneiden kannst, ist logisch. Nichts ist idealer als das Ideale selbst. Das frustet ihn natürlich. Diesen Frust wiederum gibt er an Dich weiter, indem er zum einen diese überzogenen Ansprüche an Dich hat und zum anderen eben paradoxe Ansprüche äußert. Da Du beides nicht erfüllen kannst, weichst Du in seiner Vorstellung noch mehr von diesem Ideal ab und das ganze verstärkt sich so selbst.


Es gibt nun zwei Dinge die Du machen kannst, um mit dieser Situation umzugehen:

Das eine ist erstmal zu akzeptieren, dass Du nie seinem Ideal gerecht werden wirst und aus seiner Sicht noch häufig etwas falsch machen wirst. Wichtig ist Dich nicht davon einnehmen zu lassen und seine Idealvorstellung auch als Deine Idealvorstellung von Dir selbst zu übernehmen, sondern Deine eigene Idealvorstellung von Dir selbst zu entwickeln. Du könntest Dich also einmal häufiger Fragen, was Du eigentlich gerade von Dir hälst und wie Du selbst Dein Verhalten bewerten würdest. Bist Du mit Deinem Notenschnitt zufrieden? Hälst Du Dich für dumm oder doch eher für intelligent? Ist es für Dich besser jetzt etwas erzählen zu wollen oder doch besser ruhig zu sein? Oder einfach gefragt: Welche Ansprüche hast Du an Dich selbst?
Wenn Du für Dich geklärt hast, was Deine Ansprüche sind, können Dir die Ansprüche anderer ersteinmal egal sein. Du kannst sie natürlich immer wieder anpassen, aber im Kern sollten es immer Deine persönlichen Anforderungen an Dich bleiben. Und jedesmal wenn Dein Vater Dich wieder kritisiert, kannst Du innerlich zu Dir selbst sagen: "Ok, du bist unzufrieden mit mir. Aber Ich bin zufrieden mit mir selbst, denn ich habe meine Ansprüche an mich selbst erfüllt."

Das andere was Du machen kannst, ist einmal zu versuchen diese Problematik anzusprechen. Das kann zunächst erstmal nur mit Deiner Mutter sein und erst später mit Deinem Vater, um so vielleicht auch Unterstützung von Deiner Mutter zu sichern. Es geht hier darum erstmal diese paradoxen und übertriebenen Ansprüche klarzustellen und zu sagen: "Hier wird etwas von mir gefordert was ich unmöglich machen kann." Vielen ist es nämlich gar nicht so bewusst was sie von einem fordern und das sie sogar etwas unmögliches oder überaus ideales fordern. Durch ein Gespräch rückt das in ihre Aufmerksamkeit, auch wenn es zunächst erstmal auf Abwehr stoßen wird. Niemand gibt gerne zu das seine Forderungen unmöglich zu bewerkstelligen ist. Aber in der nächsten Situation ist die Wahrscheinlichkeit dann höher, dass er es selbst bemerkt welche Ansprüche er stellt und das sie vielleicht gar nicht so einfach zu erfüllen sind, wie er Anfangs noch dachte. Dann hat er erst die Möglichkeit selbst etwas an seinem Verhalten zu ändern und seine Ansprüche anzupassen.


Ich wünsche Dir alles erdenklich Gute


Gruß
Florian