Problem von Isabo G. - 19 Jahre

Eine neutrale Stimme, bitte.

Hallo Kummerkasten-Team,
da mein Name relativ selten ist und ich nicht erkannt werden möchte, gebe ich einen anderen Namen an. Bitte seid mir dafür nicht böse, aber ich will nicht, dass andere mich erkennen oder meine Schwächen und Probleme sehen. Ich bin weiblich, 19 Jahre alt und habe vor wenigen Monaten mein Abitur geschafft.
Nun zu meinem Problem: Es ist ein ganzes Stück und es hat sich die letzten Jahre einiges angesammelt. Meine Familie merkt diese Probleme und fragt hin und wieder so nebenbei, was los sei, aber wirklich zuhören tun sie nicht. Kaum dass ich anfange, sagen sie, dass alles wieder von selbst in Ordnung kommt und sie wenden sich anderen Dingen zu. Auch wenn meine Mutter mir immer sagt, dass ich mit jedem Problem zu ihr kommen könnte, traue ich mich nicht wirklich. Gerade seit letztem Jahr hat sie unendlich viel um die Ohren: Der heftige Stress bei der Arbeit, die Trennung von ihrem Freund, mein Bruder, der nun im Haus den Macker markiert, das neu gekaufte Haus, das mitten im Umbau steht, ihre nervende Mutter die nur nörgeln kann und nirgends mithilft…. Ihr seht vielleicht, dass ich mich nicht traue ihr noch mehr Probleme aufzuhalsen, wenn sie ohnehin soviel zu tun hat. Auch wenn sie will, dass ich mit ihr spreche, höre ich sie später ja doch jedes Mal jammern, dass sie so viel um die Ohren hat.
Ich liebe meine Mutter und will ihr um jeden Preis das Leben erleichtern, aber ich kriege es nicht wirklich hin.
Seit ich mein Abi habe, sitze ich zuhause. Jeden Tag mache ich nichts anderes als zu spülen, meine Haustiere zu füttern und im Netz zu sein. Auch wenn meine Mutter meint, sie würde schon die gemachte Hausarbeit erleichtern, reicht mir das nicht. Jeden Tag das Gleiche zu tun macht mich irgendwo traurig und ich verliere schnell die Lust daran. Und wenn ich dann Mecker bekomme, dass ich mal nichts gemacht habe, werde ich sofort wütend und stänker rum, ohne ersichtlichen Grund: Schließlich war ich ja die Böse, die nichts gemacht hat, während mein Bruder und meine Mutter den ganzen Tag von Morgens bis Abends arbeiten waren.
Was meine Zukunft angeht, habe ich den Plan, Maskenbild in Dresden zu studieren, da ich dort nicht nur Bachelor sondern auch Master machen kann. Zwar könnte ich auch eine Ausbildung machen, aber da ich sowieso Abitur habe, wollte ich es nutzen und dieses Fach studieren. Ich habe großen Spaß daran Dinge zu schaffen und zu schminken und sehe mich in Zukunft auch in Musicals oder anderen großen Schauspielhäusern als Maskenbildner. Allerdings dass meine Oma mich damit nervt, mir ständig einredet, dass ich damit keine Zukunft habe und stattdessen eine Ausbildung zur Bankangestellten machen soll, geht mir gegen den Strich. Obwohl ich ihr erklären wollte, was ich mit dem Master alles machen kann, schüttelt sie nur den Kopf und zetert.
Auch dass ich meinen eigenen Stil gefunden hab, den ich solange gesucht habe, gefällt den Leuten aus meiner Umgebung nicht. Vorher war ich das kleine, süße, etwas durch geknallte Mädchen, jetzt gehe ich ohne hohe Hacken nicht mehr vor die Tür, ziehe immer Lederjacken und rockiges Zeug an und höre auch nur noch Rock in letzter Zeit. Ich habe einen kompletten Wechsel im letzten Jahr gemacht und suche immer noch nach den Dingen, die mich auszeichnen und mich individuell machen. Ja, ich will individuell sein. In der Masse unter zu gehen, will ich nicht mehr. Ich möchte erkannt und gesehen werden und nicht wie jedes x-beliebige Kind alles genau so tun wie es jeder macht, aber dabei mir selbst treu bleiben, was ich bis jetzt sehr gut hinbekomme. Auch überlege ich mir ein Tattoo anzuschaffen, aber das dauert noch aus Kostengründen.
Kurz: Ich habe mich verändert und das verwirrt die konservativen Menschen in meiner Umgebung, die mich von früher kennen.
Die Probleme meiner Mutter kommen mit meinen zusammen: Ich streite mich immer öfter mit meinem Bruder und mit ihr, mit meiner Oma teilweise bis zum Hausrauswurf, weil ich ihre Meinung einfach nicht teile und sie meine nicht respektiert. Außerdem bin ich in letzter Zeit sehr von Stimmungsschwankungen besetzt. ( sagt man das so? denke schon ) Oft will ich weinen, obwohl ich keinen Grund dafür sehe, der dafür schlimm genug ist. Generell weine ich sehr selten, vor allem dafür, dass ich ein Mädchen bin. Sogar mein Bruder weint mehr als ich. Ich lache gern und viel und finde im Netz eigentlich immer Bilder, Videos oder Musik die mich aufmuntert und zum Lachen bringt, aber das wird seit Monaten immer weniger. In letzter Zeit habe ich auf gar nichts Lust, vor allem bei miesem Wetter nicht.
Dann gibt’s da noch das soziale Problem.
Seit ich klein ( also kleiner als heute ) war, konnte ich nie wirklich Freunde finden. In einer Clique war ich nie und mit Freunden zu treffen ist auch so eine Sache, die ich selten tue, da meine Freunde entweder weit weg wohnen oder wegen ihrer Arbeit keine Zeit haben. Zwar habe ich seit kurzem einen Freundeskreis gefunden, in dem ich mich wohl fühle und auch dort bleiben will, aber das Ding ist, dass ich diese Leute noch nicht wirklich kenne und sie alle mindestens 5 Jahre älter sind als ich. Gerade zu Älteren fühle ich mich hingezogen und finde, dass ich diese besser verstehe und sie mich besser verstehen als es Gleichaltrige jemals könnten, aber es sitzt immer noch die Angst fest, dass sie mich nicht akzeptieren und als Kind abstempeln. Das war schon immer so, egal in welcher Schulklasse ich war.
Und was Beziehungen angeht, kann ich sagen, dass ich diesbezüglich keinerlei Erfahrung habe. Ich hatte bis heute keinen Freund, was auch daran liegt, dass ich nie zur Gruppe gehört habe und mich von deren oberflächlichen Gehabe distanziert habe. Zwar habe ich mich selbst ausgeschlossen, aber das war mir lieber als mit denen vollgekotzt und sturzbesoffen in einer Ecke zu liegen. ( Das war jedes Wochenende Minimum und deren Garant für eine gelungene Party. )
Ich möchte nicht alleine sein, im Gegenteil, ich genieße es in einer Gruppe von Menschen zu sein, die ich mag und die mich mögen. Aber in gewisser Art habe ich mich an das Alleinsein gewöhnt, deswegen schrecke ich auch nicht davor zurück, meinen Stil auszuleben und mich so zu geben wie ich bin. Was Jungs angeht, habe ich erst vor 3 Jahren Gefallen an ihnen gefunden. Auch hat man mich als hübsch und intelligent; mancher schon als ideal, witzig und „Bombe“ beschrieben, aber das waren immer nur solche Jungs, die ich weder im Charakter noch am Äußeren attraktiv fand. Ich finde es cool Jungs als Freunde zu haben, aber dass man immer damit rechnen muss, dass unter ihnen jemand ist, der auf mich steht, fällt es mir schwer. Ich will nicht auf deren Gefühle Rücksicht nehmen müssen und mich verstellen müssen, aber verletzen will ich auch keinen. Ich nehme gerne Rücksicht und achte immer auf das Wohl meiner Mitmenschen, aber ich will mich dafür nicht verstellen oder unterdrücken müssen.
Was einen Partner angeht, muss ich sagen, dass ich mir gewisse Kriterien gestellt habe. Er soll attraktiv sein, mich verstehen und akzeptieren wie ich bin. Er soll sich mit mir streiten können und mir zur Seite stehen. Kurz: Ich will mit ihm auf gleicher Stufe stehen und mich mit ihm zusammen ergänzen können. Er soll zu mir passen und die Macken haben, über die ich mich jahrelang aufregen kann, aber die kein Grund für eine Trennung sind. Ein für mich perfekter Typ sollte es sein, aber dann kommen mir wieder diese Zweifel. Dass ich Macken habe und launisch bin. Zwar bin ich ein rücksichtsvoller und selbstloser Mensch, aber wenn mir jemand querkommt, rege ich mich auf werde oft aufgrund meiner Wortwahl falsch verstanden. Auch dass ich äußerlich nicht gut genug bin. Ich verlange sehr viel von ihm, könnte ihm aber nichts bieten, was ein Mann haben will. Jeden Wunsch würde ich dem passenden Mann erfüllen, aber bieten könnte ich ihm nichts. Ich habe einfach mal beschlossen, das Suchen aufzugeben und mich ganz dem Weg für mein Studium zu widmen.
Im Groben und Ganzen ist das in etwa der Haufen an Müll, der mir im Kopf rumgeistert. Und da ich mir das alles Mal von der Seele lassen wollte, habe ich es aufgeschrieben. Ich will nicht zum Psychiater und mit meinen Mitmenschen kann ich darüber nicht reden. Entweder weil sie kein Interesse dafür haben, oder meinen, das ist Einbildung oder mich nicht verstehen.
Ich hoffe, dass eine neutrale Stimme, jemand der mich nicht mein Leben lang kennt, das liest und mir eventuell ein paar Tipps geben kann.
Vielleicht hilft es mir ja schon nur, dass ich den ganzen Mist mal erzählt habe.
Ich wünsche euch eine schöne Woche und viel Glück. Das was ihr hier macht, muss allerhand sein. Toll, dass es Menschen gibt, die anderen helfen.
Machts gut, und vielleicht höre ich ja was von euch. Bis dahin, haut rein und haltet die Ohren steif.

Bernd Anwort von Bernd

Hallo Isabo,

darf ich Dich ein wenig provozieren? Deinen Widerspruchsgeist wecken?

Du weißt was Du nun willst: Maskenbildnerin werden und es da zur "Meisterschaft" bringen!

Das ist nicht nur Geschäft! Es ist vor allem Kunst!

Kunst wiederum hat mit "Können" zutun! Nicht nur mit dem Willen, sondern sehr viel mehr mit Talent und dem "TUN"!
Du verstehst nicht, was ich meine?
Jeder Kunsthochschüler oder Musikhochschüler ist von jedem NC freigesprochen, wenn er beweist, dass es ihm wirklich im Blut liegt!

Was hast Du bereits gemacht, um Dein Talent zu erproben? Was machst Du im Augenblick?

(Zum Vergleich: jeder Musiker, dem die Musik auch nur ein weinig Spaß macht, macht halt Musik! Du kannst solche Menschen nicht bremsen! Du wirst sie singen hören! Gitarre spielen! Saxophon, Klavier oder Schlagzeug! Wenn sie sich doch bremsen lassen, wird ihnen etwas sehr wichtiges fehlen!)

Wo lebst Du Deine Ambition aus? Machst Du z.B. Kinderschminken?
Warst Du in der Theater AG Deiner Schule, bevor Du das Abi gemacht hattest?

Es ist nicht immer einfach, anders als die Anderen zu sein!

Sicherlich reicht es nicht, nur alles Andere zu negieren! Und ich denke, dass Du auch das so ähnlich empfindest: das ist, was Dich traurig macht!
Du suchst Dich aber hast Dich längst noch nicht gefunden?

Du hast noch mehr geschrieben. Allein mir fehlt heute die Zeit.

Nimm nicht einfach hin, was ich Dir eben so mal vor den Latz geknallt habe! Werde aufsässig und böse und setzte Dich mit mir auseinander:
setzte Dich mit Dir selbst auseinander!
Wäre schön, wenn Du darauf nochmal schreibst!

Alles Liebe,

Bernd