Problem von Vera - 15 Jahre

Ich verletze andere, indem ich mich falsch ausdrücke

Hallo liebes Kummerkasten-Team,
mein Problem ist, dass ich ständig mich irgendwie äußere und es andere total falsch verstehen und ich sie so verletze, dabei meinte ich es gar nicht so. Es macht mich ziemlich fertig, weil ich mich langsam sowieso für dämlich halte, weil ich selbst alles falsch verstehe.

Ich versteh mich selbst langsam gar nicht und bin auch voll unzufrieden mit mir. Die 8 Klasse muss ich wiederholen, ständig werd ich schief angeschaut und und und. Eigentlich bin ich ein sehr optimistischer Mensch, aber in letzter Zeit geht es einfach nicht. Ich bin total enttäuscht von mir selbst.

Mein Deutsch ist auch nicht so perfekt und deshalb kommt es manchmal vor, dass ich nicht mal Sachen richtig erzählen oder erklären kann. Das war auch einer der Gründe warum ich die 8 Klasse nicht geschafft habe.
Ich bin ziemlich verzweifelt, ich hasse mich dafür andere so zu verletzen. Ich will endlich nicht mehr als dumm angesehen werden und ich will endlich wieder positiv denken können. Die Personen, die ich damit verletzt haben wissen, dass ich alles vieles falsch verstehe und vieles falsch ausdrücke, trotzdem sind die verletzt, was verständlich ist.

Ich weiß einfach nicht mehr was ich tuen kann, die Angst etwas falsches zu sagen und jemanden so zu verletzen, oder gar zu verlieren, ist unglaublich groß. Deshalb bitte ich um ein Rat. Was soll ich tun? Was kann ich ändern? Wie werd ich wieder optimistischer?
Ich schreibe seit Wochen ein Tagebuch, wo all meine Gedanken drin stehen. -Hilft nicht.
In ein Kissen schreien, um nicht alles in sich drin zu lassen. -Hilft auch nicht.
Reden bringt auch nicht viel.

Das schlimmste ist immer noch, dass meine Cousine, die für mich, wie eine Schwester ist, an starken Depressionen leidet. Uns trennen 800km und sie kommt in 2 Wochen zu mir und ich habe gar keine Ahnung wie ich mit ihr umgehen soll, um sie nicht zu verletzen.

Ich wäre über eine schnelle Antwort mehr als erfreut! Danke im Voraus.
Eure Vera.

Dana Anwort von Dana

Liebe Vera!

Dass du dich oft unabsichtlich falsch ausdrückst und andere Menschen so verletzt, ist natürlich eine üble Situation für dich und andere. Für andere, weil sie eben verletzt werden und für dich, weil du es erst nicht merkst, was dich dann natürlich total verunsichert.

Es gibt aber auch eine Sache, die ich total gut an dir finde, obwohl ich überhaupt nichts von dir weiß: du bist ehrlich zu dir selbst UND du versuchst, die Situation in den Griff zu bekommen, ohne in Selbsthass und "alles ist sooo furchtbar!!!!"-Heulereien zu ertrinken. Finde ich super!
Was ich auch nicht schlimm an dir finde, ist dein Deutsch. Ich weiß zwar nicht, woher du kommst, dass du denkst, die Probleme zu haben, vielleicht hast du sie auch im Gespräch mehr als im Schriftlichen, aber da haben wir schon ganz andere Zusendungen bekommen, die fast unleserlich waren.

So...wie kannst du jetzt das Problem für dich lösen?

Das Zauberwort heißt "Empathie". Empathie ist die Fähigkeit, sich in andere Menschen hinein zu versetzen, zu fühlen, wie sie fühlen und zu wissen, was sie denken, ohne dass sie es aussprechen müssen. Diese Fähigkeit ist oft ein Produkt aus "schon angeboren" und "erlernt". Es gibt Menschen, die haben diese Fähigkeit überhaupt nicht und sind sehr unsensibel anderen Menschen gegenüber und es gibt Menschen, die haben diese Fähigkeit sehr stark und wissen den Anderen schnell einzuordnen und können ihn so gut unterstützen. Allerdings werden diese Menschen auch gerne als "seelischer Mülleimer" benutzt, da kann ich aus meiner Jugendzeit ein Lied davon singen.

Wie kann man das nun lernen? Indem man sich JEDESMAL vorher fragt, was der Andere nun denken könnte, wenn man das und das sagt. Das klingt erstmal heftig, denn man muss sehr viel denken und sich konzentrieren, aber es hilft wirklich. Man muss die "Sprache" des Gesichtsausdruckes lernen und die Körpersprache...das alles, zusammen mit dem, was der Andere sagt, ergibt dann ein "Gesamtbild", mit dem es sich arbeiten lässt. Frage dich immer: "Was wäre, wenn ICH diejenige wäre, der ich das jetzt sagen würde?" Es ist wichtig, genau zu überlegen, ob der Andere das nun auch witzig finden würde...oder ob es ihn verletzen könnte. Ja, das macht auch erst einmal unsicher, weil man anfangs nicht genau weiß, wie das abläuft.

Du schriebst: "Reden bringt nicht viel". Und das ist ein sehr wichtiger Punkt. Wenn du nicht sicher bist, ob dein Gesagtes nicht vielleicht verletzen könnte, ist es auch manchmal gut, einfach mal die Klappe zu halten. Vielleicht redest du auch einfach zu schnell zu viel, ohne richtig nachzudenken. Oder du fragst halt nach, ob du das jetzt richtig verstanden hast, ohne sofort drauf zu reagieren. Auch so kannst du vielleicht manche Missverständnisse vorher schon aushebeln, so dass gar nicht erst etwas Verletzendes aus deinem Mund kommt. Oft ist es sinnvoll, einfach nochmals über alles nachzudenken, bevor es die Lippen verlässt. Denn wenn es einmal draußen ist, ist es zu spät. Zurück nehmen kann man es dann nicht mehr.

Ich finde es schon mal sehr gut, dass du im Gespräch mit denen bist, die du verletzt. Ich finde es gut, dass du ehrlich sagst, dass du da ein Manko hast, somit ist es nämlich leichter für die Anderen, Verständnis dafür zu haben, obwohl sie natürlich trotzdem verletzt sind. Eigentlich gehst du mit der ganzen Sache also schon mal richtig gut um.

Empathie zu erlernen, ist richtig schwer. Es IST mit Unsicherheiten verbunden, man fährt auch die ein oder andere Schlappe ein...aber man kann das schaffen, wenn man dran bleibt und wirklich viel drüber nachdenkt, bevor man den Mund aufmacht. Du kannst auch deine Mitschüler fragen: "wie geht es dir denn mit deinem Problem jetzt?", bevor du irgendwas raushaust, was dann nicht gut ist. Oder lass dir erklären, warum sie verletzt sind von dem, was du gesagt hast. Das alles speicherst du ab und versuchst, in Zukunft genau diese Punkte zu berücksichtigen.

Ich musste meine Empathie auch erst entdecken, denn ich war lange ein verwöhntes Einzelkind, bis später meine Geschwister dazu kamen. Ich kannte es nicht, Rücksicht auf andere zu nehmen. Das ist echt ein Brocken Arbeit und ab und an bekommt man dann auch mal eins über die Rübe, weil man etwas eben nicht gemerkt hat und voll ins Fettnäpfchen getrampelt ist oder man hat seine eigenen Belange durchgesetzt, ohne zu merken, was der Andere fühlt. Aber man kann es lernen...und wenn man sich richtig Mühe gibt, wird man auch gut darin, die Anzeichen zu bemerken, die Sprache des Anderen zu hören, obwohl er noch nichts gesagt hat...und dann auch entsprechend zu reagieren.

ANDERS ist es übrigens bei Menschen, die psychisch krank sind. Wenn du sagst, dass deine Cousine Depressionen hat (sind diese diagnostiziert und nimmt sie Medikamente? Ansonsten ist sie vielleicht nur "schlecht drauf"), ist es vielleicht wirklich besser, du sagst wenig. Da ist es für jemanden, der nicht vom Fach ist, echt schwer bis unmöglich, richtig zu antworten und zu handeln. Das kannst du gar nicht schaffen und musst es auch nicht. Solltest du mit deiner Cousine Probleme bekommen, weil du sie nicht verstehst und sie dich nicht, holt euch Hilfe von den Erwachsenen. Das musst du nicht alleine stemmen. Mein Ratschlag galt nur für den ganz normalen Umgang mit deinen Klassenkameraden oder Freunden.

Und eins noch: bleibe so offen und ehrlich. Das macht dich sympathisch, auch wenn du immer mal total daneben liegst. Ich finde dich goldig und wünsche dir, dass du dein Plappermäulchen in den Griff bekommst. Arbeite hart dran, kassiere die Schlappen, aber auch die Erfolge...und mach dich nicht nieder für deine kleine Schwäche. Die wirst du bald ausgebessert haben, wenn du dir richtig Mühe gibst.

Alles Liebe,

Dana