Problem von Krissi - 23 Jahre

Umzug für das Studium?

Hallo:)
Ich habe folgendes Problem:
Ich fange ab August diesen Jahres mein Studium in Kiel an, wohne aber in der Nähe von HH und müsste jeden Tag ca. 2 Stunden hin und 2 Stunden zurück mit der Bahn pendeln. Da hätte ich ansich auch gar nichts gegen. Der Preis beträgt hier ( mit einer Bahnkarte die auch für HH gültig ist ca. 200 euro) und dies ist etwa der gleiche Preis den ich an Miete für ein Wohnheimzimmer zahlen müsste.
Ich kann mir auch gut vorstellen, dass ich pendeln kann, da ich schon bei meiner letzten Ausbildung ca. 2-3 Stunden unterwegs war und in der Bahn auch gut lernen kann.
Ansich möchte ich auch sehr gerne hier in HH wohnen bleiben, weil hier einfach meine Freunde, mein Freund und meine Familie ist. Aber genau das ist das Problem.
Meine Eltern möchten, dass ich nach Kiel ziehe, da sie der Meinung sind, dass ich so weniger Stress habe und alles besser unter einen Hut bekomme.
Sie haben selber studiert, sind eine Zeit lang gependelt und dann doch in den Studienort gezogen. Ich möchte dies aber nicht, weil ich weiß, dass ich so nicht glücklich bin. Ich bin ein recht ruhiger Mensch und ich brauche einfach meine " gewohnte" Umgebung um glücklich zu sein. Was bringt es mir also, wenn ich in Kiel wohnen sollte und so ( laut meiner Eltern, die sich da ja soooo gut auskennen;))zwar weniger "Stress" habe aber unglücklich und unmotiviert bin, da ich weiß das mein soziales Umfeld einfach mal nicht da ist.
Außerdem möchte ich nicht sofort aus einer großen lauten Familie, wo immer etwas los ist, alleine in eine klein Wohnung ziehen.
Natürlich gibt s auch viele Gründe dafür nach Kiel zu ziehen ( weniger "Stress"; Abnabelung und auf eignen Beinen stehen, neue Leute kennn lernen, Spontanität) aber mein Bauchgefühl und alles an mir sagt eigentlich, dass ich in HH bleiben will, weil hier einfach mein sozialer Kreis ist, der eigentlich wie eine zweite Familie für mich ist und auch mein Freund wohnt, den ich dann noch seltener sehen würde, was vielleicht auch zu einem Auseinanderleben führen könnte, was ich definitiv nicht möchte.
Aber wie soll ich dies meinen Eltern begreiflich machen?
Ich kann sie auf der einen Seite verstehen, da sie mich auch unterstützen müssten und ich, wenn ich in Kiel wohnen würde, natürlich auch mehr Zeit für einen Nebenjob hätte wodurch ich ergo mehr Geld hätte und sie mich weniger bezuschüssen müssten, aber auf der anderen Seite, weiß ich, dass ich dort nicht glücklich sein würde und nehme so lieber in Kauf, dass ich weniger Zeit für alles hätte, aber glücklich wäre.
Auch mein Eltern hätten hieraus eigentlich einen Vorteil, da ich auch noch einen Bruder habe auf den ich manchmal aufpassen muss und natürlich auch im Haushalt etc. Sachen übernehmen könnte.
Wie gesagt Pendeln ob mit Auto oder Bahn kein Problem, ein Umzug kommt für mich aber wirklich nicht in Frage.Lieber lehn ich meine Zulassung ab.
ABer wie soll ich ihnen das erklären und begreiflich machen?
Ich hoffe ihr könnt mir vielleicht helfen?
MfG
Krissi

Bernd Anwort von Bernd

vorweg schon mal: wir beide haben ein Feedback bekommen:
http://mein-kummerkasten.de/310116/Feedback-zu-Umzug-fuer-das-Studium.html
und gleich noch eines:
http://mein-kummerkasten.de/310121/Feedback-Umzug-fuer-das-Studium.html

Hallo Krissi,

Soweit ich weiß ist an der Christian-Albrechts-Universität fast alles recht dicht beieinander. Es schadet aber sicher nichts, wenn Du Dich vorher einmal bei der Fachschaft Deiner Fakultät schlau machst, wo genau die Hörsäle sind, die Du wirst besuchen müssen.
Das stressigste neben den vielen Ortswechseln sind im Studium diese oft absolut idiotischen Stundenpläne.
Das ist weder vergleichbar mit einer Ausbildung, noch mit Schule:
Da gibt es einerseits die normalen Tage mit erträglicher Stundenzahl und nicht überrmäßigem Leerlauf dazwischen. Dann gibt es die überlangen Tage, bei denen dann vielleicht auch mal zwischen 13 und 17 Uhr nix ist. Dann aber ein mega wichtiges Seminar von 17 bis 20 Uhr.
Oder (wie mein Ältester es gerade im Augenblick auch hat) am Freitag nur eine Veranstaltung von 10 bis um 12 Uhr
Wie das in Deinem Fach aussehen wird, weiß ich natürlich nicht. Zu meiner Zeit (war selber mal Gasthörer in Kiel) war es eigentlich nur auf der PH einigermaßen erträglich.
In manchen Fächern (Lehramt) werden Gruppenarbeiten gefertigt. Wie willst Du mit einer Gruppe vernünftig zusammenarbeiten, wenn "gleich Dein Zug heim fährt"?
Und in manchen Fächern ist es einfach gut, Kommilitonen zu haben, mit denen man sich auch neben der Vorlesung oder dem Seminar austauschen kann (Mathe oder Physik z.B.): Da fühlen sich oft die Abi-besten auf einmal ganz klein und doof, solange sie nicht lernen, das was sie bisher strebsam und allein im eigenen Kämmerlein gepaukt hatten nun nicht mehr reicht! Das man das eine oder andere viel besser in Lerngruppen verinnerlicht.
(Hat oft auch den Vorteil, dass man dann sieht: man ist eigentlich gar nicht doofer als die anderen! Liegt wohl oft einfach daran, dass Mathe an der Uni eine Klasse für sich ist?!

Wenn Du pendeln willst solltest Du all das auch mit einrechnen und Dir dazu auch ganz klare Pläne machen: als "Rückzugsraum" oder "Tages-Mittelpunkt" bleibt Dir, wenn Du dort kein Zimmer hast: Die Bibliothek, Mensa oder Cafeteria!
Im Sommer ist es an den beiden Seen inmitten des Campus schon recht schön. Aber auf Dauer?

2 - 4 Stunden Leerlauf mitten am Tage ohne mal die Tür hinter sich zumachen zu können ist manchmal recht mühsam. Den Rucksack mit dem Notebook und den Unterlagen den ganzen Tag im Blick haben zu müssen ist auch nicht unbedingt so prickelnd. Und zu den 2 Stunden Zugfahrt kommen ja noch die Busfahrten und jeweils Wartezeiten dazu, damit es auch auf jeden Fall reicht! Rechne also eher mit etwa 5 Stunde täglicher Reisezeit!
Und die Tage sind eben in der Regel beim Studium nicht gleich lang: Ein Seminar, dass bis 20 Uhr geht bedeutet, dass Du an diesem Tag vielleicht um 23 Uhr daheim sein kannst?!
Und was machst Du mit solchen Freitagen (oder Montagen), wenn tatsächlich nur eine Veranstaltung stattfindet?
5 Stunden mit Bus und Bahn für 90 Min. Seminar?
Ich sag es Dir ganz ehrlich: die Versuchung solch eine Veranstaltung schlicht ausfallen zu lassen ist schon recht groß, wenn man am Studienort wohnt!
Wenn man pendelt wird sie recht schnell gecancelt oder Du hast jeden Freitag schon beim aus dem Haus gehen einen dicken Hals.

Und das wirkt sich auch auf Dein hanseatisches soziales Umfeld aus!
Du wirst Dich zuerst überlastet fühlen. Schlapp und müde nachhause kommen und Deine Großfamilie samt Freund anbaffen, wenn sie dann noch etwas von Dir wollen, außer Dich zu trösten und zu streicheln.
Im Studium wird es dann auch zuerst einige "Eingeständnisse" geben. Veranstaltungen, die ausfallen. Ärger mit den Arbeitsgruppen, für die Du keine Zeit hast.
Und den Frust darf dann Dein "soziales Umfeld" ausbaden.
Dadurch kann man sich so viel schneller auseinanderleben, als wenn eine funktionierende Beziehung eine Zeit lang zu Wochenend- und Semesterferien-Beziehung wird!
Da ist es oft für alle Beteiligten erfrischender wenn man sich auf ein gemeinsames Wochenende wirklich freuen kann, statt 7 Tage in der Woche nur ein verpenntes und mürrisches Gesicht zu sehen.
Ich war mit 19 in einer ähnlichen Situation, allerdings ohne die Möglichkeit "abzulehnen: die Bundeswehr zog und ich hatte zu folgen. Nach Höxter. Etwa 190 km oder 3 Stunden mit dem Auto. Nutzt nur nix, wenn man keinen Ausgang hat :-) Es dauerte eine Zeit. Aber irgendwann kam selbst ich auf die Idee: wenn ich schon an einem Urlaubsort "dienen" darf: warum muß eigentlich ich am Wochenende immer zurück?
Und so kam es, dass an langen Wochenenden oft meine Freundin in das Weserbergland kam. Hast Du nicht einmal mit Deinem Freund darüber gesprochen, ob er sich auch vorstellen kann, Dich in Kiel zu besuchen?

Aber Du schreibst ja: "Wie gesagt Pendeln ob mit Auto oder Bahn kein Problem, ein Umzug kommt für mich aber wirklich nicht in Frage. Lieber lehn ich meine Zulassung ab."

Das ist eigentlich fast genauso deutlich, als wenn Du schreiben würdest: das Studium interessiert mich nicht wirklich!
Und dann kann der Rat eigentlich nur sein: lass es!

Ist zwar wohl nicht, was Du an Hilfe erwartet hast? Aber ich bitte z.B. auch meine Mitarbeiter, sich an der Baustelle ein Zimmer zu bestellen, sobald die einfache Heimfahrt etwa 1 1/2 Stunden oder länger dauert.
Es ist einfach vernünftiger und dafür zahle ich auch gerne mehr Auslosung und die Übernachtungen.
Wie soll ich Dir dann wohl ruhigen Gewissens etwas anderes raten?

Besprich es doch vielleicht einmal mit Deinem Freund?

Alles Liebe,

Bernd