Problem von Mareike - 25 Jahre

Feedback Umzug für das Studium

http://mein-kummerkasten.de/310103/Umzug-fuer-das-Studium.html

Hallo Krissi (und hallo Bernd ;-) ),

bei deinem Problem dachte ich mir, dass ich ein Feedback abgeben sollte. Ich war nämlich in beiden Situationen: einmal bin ich für mein Studium in eine 350km entfernte Stadt gezogen (Bachelor) und für den Master bin ich in meine Heimatstadt zurückgezogen und bin von dort aus gependelt.
Somit kenne ich beides und kann dir ein realistisches Bild geben – zumindest kann ich von mir behaupten, dass ich mich da wirklich mit auskenne ;-)
Als ich damals die Zulassung zum Bachelor bekommen habe, habe ich mich total gefreut, es war mein Traumstudiengang und für mich war klar: das kannst du dir nicht entgehen lassen! Auch ich hatte meinen damaligen Freund in meiner Heimatstadt sowie Familie und Freunde. Ich hatte keine Lust auf eine Fernbeziehung, ebenso wollte ich meine Freunde nicht missen und ich liebte meine Heimatstadt. Aber ich wusste auch, dass ich mir irgendwann in den Allerwertesten beißen würde, wenn ich aus reinem Sicherheitsgefühl den Studiengang nicht annehmen würde. Dennoch hatte ich Angst, dass meine Beziehung darunter leidet oder sogar daran zerbricht. Pendeln war mir nicht möglich, das war schlicht zu weit weg. Also war klar: ich musste es versuchen! Wegen meiner Beziehung und meinen Freunden bin ich alle zwei Wochenenden in meine Heimatstadt gefahren (mit Bahncard 50 war das auch okay). Meine Beziehung hielt das aus, die gesamten drei Jahre. Am Anfang war es hart, na klar! Aber sowohl mein Freund als auch ich haben uns irgendwann daran gewöhnt und es war in Ordnung. Nicht gerade toll, aber aushaltbar. Und ich wusste ja, es war nur eine begrenzte Zeit. Zum Master wollte ich dann die Uni wechseln (das gab mir im Übrigen einen großen Ansporn mich richtig anzustrengen und gute Noten zu schreiben). Ich habe es damals als eine Art „Belastungsprobe“ für die Beziehung gesehen. Hält sie diese Zeit nicht aus, hätte die Beziehung eh keinen Bestand gehabt und wäre so oder so irgendwann zerbrochen. Obwohl ich wirklich nur wegen des Studiums in die fremde Stadt ging und eigentlich viel lieber daheim geblieben wäre, habe ich die Zeit damals genutzt. Am Anfang war ich total schüchtern, fühlte mich unwohl und ich wusste nicht, wie ich auf Menschen zugehen sollte. Damals musste ich mich aber überwinden und auf einmal ging es auch! Rückblickend hat es mir so unglaublich viel gebracht… ich wurde selbstständiger, weil ich Probleme selber regeln musste (Familie war ja 350km entfernt), ich wurde selbstbewusster, ich habe gelernt, offener auf andere Menschen zuzugehen, meine Meinung zu sagen, meinen Alltag komplett selber zu regeln. Und ich habe einen tollen Freundeskreis aufgebaut, den ich immer noch pflege und wo der Kontakt besteht. Damals hätte ich es auch nie für möglich gehalten, dass ich so viel aus der Zeit gewinnen könnte. Und dadurch, dass ich alle zwei Wochenenden zuhause war, ging auch der Kontakt zu meinen Freunden in der Heimatstadt nicht verloren. Wenn du wirklich so ein tolles Verhältnis zu Freunden, Familie und Freund hast, wird das nicht durch einen Umzug zerstört werden, das kann gar nicht passieren wenn die Bindung so stark ist. Ich habe es selber erlebt. Keine meiner Freundschaften ist dadurch kaputt gegangen, ebenso nicht meine Beziehung. Es hat mehr Koordination erfordert und man musste sich für die Freundschaften einsetzen damit sie nicht einschlafen. Klar war es auch Stress alles unter einem Hut zu bekommen und oft hätte ich am Liebsten gesagt ich ziehe zurück. Aber weil ich eben unbedingt dieses Studium machen wollte habe ich es durchgezogen – und es nie bereut.
Vielleicht wäre es auch etwas für dich? Dorthin ziehen, aber alle zwei Wochenenden zurück in die Heimat? Oder jedes Wochenende? Auch neue Freunde können eine zweite Familie werden, man muss es nur wollen und zulassen. Du musst ja auch nicht alleine wohnen. In einer WG kann es mindestens genauso laut und turbulent zugehen wie in einer Familie.
Für den Master ging es in meine alte Heimat. Weil der Studiengang aber nicht direkt dort angeboten wird, musste ich pendeln. Das hieß -wie bei dir- für mich 2 Stunden pro Fahrt. Ganz ehrlich, ich habe es nur gemacht, weil ich wusste, dass es nur zwei Jahre sind und ich im Master generell weniger Vorlesungen und Seminare hatte als im Bachelor. Ich habe es durchgezogen und habe auch im Zug gelernt etc. Konsequenzen waren aber, dass ich dort nur sehr oberflächliche Freundschaften geschlossen habe und am Abend, wenn ich zuhause war, einfach nur müde war. Ich habe dann nichts mehr tun können. Meinen Freundschaften hat das Pendeln nicht geschadet, aber sie wurden auch nicht besser oder enger als während des Bachelors. Du solltest nicht unterschätzen wie viel Arbeit so ein Studium macht. Es hört sich so locker an: ein paar Vorlesungen und am Ende des Semester Prüfungen. Easy. Ist es aber nicht (zumindest nicht in den meisten Studiengängen). Derzeit schreibe ich meine Abschlussarbeit, ich habe es also konsequent durchgezogen. Es ist durchaus machbar, wenn man viel Ehrgeiz und den Willen dafür hat. Fünf Jahre wären aber für mich zu hart gewesen und ich wäre wahrscheinlich auch unglücklich damit geworden. Weiterhin hätte ich viele Erfahrungen nicht gemacht, die mich weitergebracht haben.
Meine Beziehung ist im Übrigen während des Masters kaputt gegangen. Es gibt also keine Garantie dafür, das alles beim Alten bleibt nur weil man an einem Ort bleibt. Und ich hätte mich so geärgert, wenn ich wegen dieser Beziehung den Schritt nicht gewagt hätte woanders zu studieren. Denn ich darf nun genau das machen, was ich immer wollte. Ich brenne dafür was ich tue und ich liebe meinen Beruf (bzw. meinen zukünftigen). Und das kann mir keiner mehr nehmen. Der Beruf ist nicht alles im Leben, aber er macht einen großen Teil davon aus. Und ich persönlich will etwas machen, was mir Spaß macht.
Du musst selber wissen was das richtige für dich ist. Zum Beispiel könntest du auch einfach erstmal in Kiel studieren und dann versuchen die Uni zu wechseln und in HH weiter zu studieren (oder an einer näher liegenden Uni). Ich schließe mich aber auch Bernds Meinung aber an: wenn du lieber dein Studium nicht antreten willst aufgrund äußerer Umstände, dann ist es nicht das richtige für dich, dann brennst du nicht dafür. Oder deine Angst, dein gewohntes Umfeld zu verlassen oder die Menschen zu verlieren, die dir wichtig sind, ist größer. Ist das der Fall solltest du dich aber auch fragen ob es nicht ein generelles Problem ist, das man angehen sollte. Denn du wirst in deinem Leben noch öfters in solche Situationen kommen – beispielsweise bekommst du deinen Traumjob nur in einer anderen Stadt, dein Freund muss beruflich umziehen... und dann musst du dich auch entscheiden was dir dann wichtiger ist. Du sagst, du kannst nur glücklich sein, wenn du in deiner gewohnten Umgebung bist – hast du es denn schon jemals ausprobiert woanders zu sein? Wie kannst du dir dann so sicher sein, dass du nicht woanders auch glücklich sein kannst? Mir hat es gut geholfen mir immer wieder zu sagen, dass es ja nicht für immer sein muss. Das ich immer wieder zurück kann wenn ich will. Und ich bin zurückgekommen, aber mit dem Bachelor in der Tasche. Und in deinem Fall ist ein Pendeln sogar möglich, du musst nur den Willen haben es auch durchzuziehen.
Mein Fazit: es ist beides machbar, sowohl für eine gewisse Zeit in eine andere Stadt zu ziehen als auch zu pendeln. Bei beiden Dingen gibt es klare Vor- und Nachteile. Ich habe nie bereut, umgezogen oder gependelt zu sein. Was ich bereut hätte, wäre das Studium hinzuschmeißen aufgrund der äußeren Umstände. Du musst wissen was dir wichtiger ist und dabei auch ein bisschen weiter schauen als nur auf das Hier und Jetzt, sondern was z.B. in 10 Jahren ist. Was du erreichen möchtest und was du aus deinem Leben machen willst.
Und: du bist mit deinen 23 Jahren gerade mal 2 Jahre jünger als ich und längst erwachsen. Wenn du etwas nicht willst oder kannst, ist das deine Entscheidung und du musst dann damit leben – mit allen Konsequenzen (egal was du tust: pendeln, umziehen, Studium ablehnen). Das müssen deine Eltern dann akzeptieren, zu etwas zwingen können sie dich sowieso nicht. Du kannst ihnen deinen Standpunkt noch mal erklären und sie dir ihren, aber keiner von euch wird den anderen grundsätzlich überzeugen können. Und wenn du pendeln möchtest, dann tu es. Es gibt immer einen Weg, einen Kompromiss – aber wenn du dein Studium deswegen nicht antreten würdest, wäre das mehr als schade. Vielleicht würdest du es jetzt nicht bereuen – in ein paar Jahren sieht es dann doch anders aus. Von daher wirst du deine Entscheidung selber treffen müssen – sie aber auch dann selber tragen und auch durchziehen müssen.
Dafür wünsche ich dir alles Gute!

Bernd Anwort von Bernd

Hallo Mareike,

Dankefür Deinen ausführlichen Erfahrungsbericht.
Werde Dein feeback gleich an Krissi weiterreichen,

Alles Liebe,

Bernd