Problem von Sissi - 18 Jahre

Für nichts zu gebrauchen?/Depressionen

Liebes Kummerkasten-Team,

mein Problem lässt sich leider nicht kurz erklären.
Ich habe 2013 mein Abi gemacht, das ich mit einer sehr guten Note bestanden habe (1,4). Ich habe mich dann entschlossen mich für die Fächer Französisch und Politikwissenschaft zu bewerben. Als die Zusage von der Uni kam, habe ich mich aber überhaupt nicht gefreut. Im Gegenteil. Immer wenn ich an die mir bevorstehende Zeit dachte, wurde mir fast schon schlecht und ich fing an zu weinen. Allerdings dachte ich mir, dass ich mich schon an meine neue Lebenssituation gewöhnen würde. Ich zog also in eine neue Stadt. Und was dann kam war der blanke Horror für mich. Mein Studium gefiel mir nicht, ich konnte wenig neue Kontakte knüpfen, der Unialltag überforderte mich und ich hatte schreckliches Heimweh. In der Uni machte ich gute Miene zum bösen Spiel. Aber sobald ich in meinem Zimmer war, konnte ich mich nicht mehr zusammen reißen: ich heulte ununterbrochen. Jeden Tag telefonierte ich bis zu 5 Mal mit meiner Mutter und meinen Geschwistern. Ich war ohne Zweifel schwer depressiv und dachte auch an Selbstmord. Ich ging schließlich auch zu einer Psychologin, die mir sofort Psychopharmaka verschrieb. Meiner Mutter tat es natürlich unfassbar Leid, dass ich so leidete. Sie kam mich dann auch ganz oft besuchen, weil sie sich ernsthafte Sorgen um mich machte. Aber jedes Mal wenn sie wieder ging, fühlte es sich an. als würde mir jemad das Herz zerreißen. Ich entschloss mich schließlich nach nur 3-monatigem Studium, mich zu exmatrikulieren und erst einmal ein FSJ zu machen. Das tat ich dann auch. Im Februar begann ich in einer Kinderkrippe zu arbeiten, was mir wirklich unglaublich viel Spaß macht und ich bekomme auch sehr viel Lob und Anerkennung von meinen Kolleginnen. Mein Fsj ist allerdings in einer Woche vorbei. Mein Ziel ist es nun Grundschullehrerin zu werden. Ich bin mir aber sehr unsicher, ob das wirklich der richtige Beruf für mich ist. Denn schließlich bin ich kein selbstbewusster und psychisch stabiler Mensch. Ich habe totale Angst davor, wieder ein Studium zu beginnen, um es dann abzubrechen. Bei mir kommt nämlich zusätzlich noch dazu, dass ich vollkommen aufs Bafög angewiesen ist. Meine Eltern können mich finanziell nicht unterstützen. Und wenn ich das zweite Studium abbrechen sollte, bekomme ich so einfach kein Bafög mehr. Ich werde jetzt zwar noch ein halbjähriges Praktikum machen, bei dem ich mit ("Problem"-) Kindern im Grundschulalter zu tun haben werde, aber meine große Sorge ist, dass sich da herausstellen wird, dass ich für den Job nicht geeignet bin. Die Frage, die ich mir deshalb immer stelle, ist, ob ich eigentlich für gar nichts zu gebrauchen bin. Ich habe so ein gutes Abi geschrieben, aber trotzdem habe ich das Gefühl, es gibt keinen geeigneten Beruf für mich und ich bin vollkommen unbegabt. Und heute, wenn ich mich an all das erinnere, was hinter mir liegt, kann ich meine Tränen wieder nicht zurück halten und überlege mir, ob ich so überhaupt leben möchte. Zu einem Psychologen zu gehen traue ich mich aber nicht, weil es mir sehr schwer fällt, mich einem fremden Menschen so zu öffnen und dann auch ganz ehrlich über meine Gedanken zu sprechen. Ich muss vielleicht noch einige Dinge erwähen: Meine Mutter war jahrelang selbst schwer depressiv, was meine Kindheit stark geprägt hat. Ich hatte außerdem noch nie einen Freund und war auch noch nie wirklich verliebt. Das liegt nicht daran, dass noch nie ein Mann Interesse an mir gezeigt hätte, aber ich war einfach nicht in sie verliebt. Dabei wünsche ich mir seit ich ein Kind war nichts mehr, als irgendwann zu heiraten, Kinder zu bekommen und für immer mit meinem Mann zusammen zu bleiben. Aber das scheint mir langsam schon fast utopisch und ich bezweifele ernsthaft, dass mein Lebenstraum jemals in Erfüllung gehen wird. Außerdem leide ich seit Jahren unter ziemlicher Akne. Ich decke sie zwar jeden Tag gründlich ab, sodass sie wirklich kaum zu sehen ist, aber ich weiß natürlich immer, dass sie da ist und fühle mich einfach überhaupt nicht wohl in meiner Haut und entstellt.
So. Das ist mein Problem also nun. Ich weiß natürlich, dass ihr keine Lösung für mich herzaubern könnt. Deswegen formuliere ich am Ende auch keine Frage. Aber es wäre wirklich schön eine Art Kommentar von euch zu bekommen.
Deshalb Dankeschön jetzt schon einmal.

Florian Anwort von Florian

Hallo Sissi


Als ich die Schilderung Deines Problems gelesen hatte, ist mir aufgefallen, wie stark Du Dein Selbstbild und Deine Selbstsicherheit von dem Unterschied abhängig machst, was Du Dir für Dein Leben vorgenimmst und was Du bislang erreicht hast. Doch dieser Unterschied ist absolut irrelevant dafür wer Du bist, wie Du bist und was Du erreichen kannst.
Du hast ein Studium abgebrochen, weil Du Dich noch nicht richtig von Deiner Familie lösen konntest und weil Dir Dein Studium nicht gefallen hat. Das ist kein Scheitern Deiner Person. Du bist darum nicht weniger wert. Du hast etwas ausprobiert und das hat unter diesen Voraussetzungen einfach nicht funktioniert. Punkt. Dies ist eine absolut normale Art und Weise festzustellen was man im Leben will und was nicht. Trail and Error - Versuch und Irrtum - so lernt der Mensch seit Anbeginn seiner Existenz sich im Leben zurecht zu finden. Hier war Dein erstes Studium ein Irrtum, also her mit dem nächsten Versuch.

Und hier beginnt nun etwas interessantes: Aufgrund des ersten Irrtums bist Du bei Deinem FSJ in der Kinderkrippe gelandet und stellst fest, dass es Dir Spaß macht Dich um Kinder zu kümmern und Dich mit diesen zu beschäftigen. Und schließt daraus folgerichtig: In diese Richtung könnte ich doch zukünftig gehen. Und Du beginnst zu planen auf Grundschullehramt zu studieren und davor aber noch ein Praktikum zu machen um ganz sicher zu gehen.
Das ist Dein nächster Versuch hier eine Zukunftsperspektive zu gewinnen. Nun gilt es herauszufinden ob es wieder ein Irrtum oder doch der richtige Weg für Dein Leben ist. Doch dazu musst Du diesen auch Schritt wagen und ins kalte Wasser springen. Anders lässt sich nicht herausfinden ob Dir dieses Studium dann liegt oder letztlich der Beruf als Lehrerin.

Und selbst wenn Du herausfinden solltest, dass Dir dieser Beruf nicht liegt, ist damit noch nichts gesagt. Es gibt andere Berufe mit Kindern, welche Dir Spaß machen können und Deinem Leben Sinn verleihen kann. Auch Berufe die kein Studium voraussetzen, solltest Du etwa herausfinden, dass das Studieren selbst ein Problem darstellt.
Aber auch wenn Du Dich für ein weiteres anderes Studium entscheiden solltest und kein Bafög mehr erhalten solltest, so ist dieser Weg nicht verbaut. Es gibt die Möglichkeit sich das Studium auch anders zu finanzieren: Studienkredite, Stipendien, Anstellungen als studentische Hilfskraft oder Werkstudentin. Oder Du nimmst ein duales Studium wahr oder studierst Teilzeit neben den Beruf. Die Wege sind vielleicht nicht einfach, aber es sind Möglichkeiten die existieren und die Du nutzen kannst, wenn es entsprechend dazu kommt.

Ganz wichtig ist aber: Egal ob sich herausstellt, dass Du Grundschullehrerin werden willst und auch kannst oder eben nicht, Du bist und bleibst Du selbst. Du bleibst diese liebenswerte Person, die sich um Kinder kümmert und dafür sorgen will das es ihnen gut geht, selbst wenn dies bedeutet sollte diesen Beruf nicht einzuschlagen. Du bleibst die familienorientierte Person die Du heute schon bist, auch wenn Du noch keine eigene Familie gegründet hast. Diese Qualitäten und Fähigkeiten, und das sind nur jene die ich aus Deiner Nachricht eindeutig herauslesen kann, bleiben erhalten. Nicht Dein Beruf, nicht ob Du ein Studium absolviert hast, nicht ob Du Akne hast, nicht ob Du einen Mann binnen der nächsten Jahre findest und mit diesen Kinder bekommst, sind entscheidend dafür wer Du bist. Es ist Deine Persönlichkeit und Dein Charakter die Deinen Wert ausmachen. Alles andere ist nur Deko, Dinge die Dir gegeben und genommen werden können bzw. Ziele die Du erreichen kann oder auch nicht. Deine Persönlichkeit aber bleibt Dir stehts erhalten.


Soweit mein Kommentar zu Deinem Problem. Nun vielleicht nun doch noch ein paar Worte zur Problemlösung, selbst wenn Du diese nicht gefordert hast:

Willst Du über Dein Studienabbruch hinwegkommen? Dann akzeptiere das es geschehen ist. Akzeptiere das es geschehen musste um für Dich herauszufinden was Dir wichtig ist und wo Deine Fähigkeiten liegen.

Willst Du Sicherheit darüber ob Du für den Job als Grundschullehrerin geschaffen bist? Dann nutze das Praktikum aus und achte darauf welche Empfindungen dabei erlebst. Wenn es Dir Spaß bereitet bist Du auf den richtigen Weg. Wenn Du danach noch zweifelst, probiere es trotzdem mit dem Studium. Auch hier wirst Du erkennen ob es Dir Spaß bereitet oder nicht. Gibst Du jedoch bereits jetzt auf, wirst Du nie erfahren ob er für Dich geeignet gewesen wäre.

Willst Du selbstbewusster und psychisch stabiler werden? Dann akzeptiere Dich selbst so wie Du bist. Egal welche Eigenschaften von Dir Du gerade als positiv oder negativ wertest, sie sind Teil Deiner Persönlichkeit und somit Dir selbst. Du kannst sie nicht ändern, nur Deine Einstellung und damit Deinen Umgang mit diesen. Bist Du mit Dir selbst im Reinen, so beeinträchtigen Dich auch Deine negativen Eigenschaften nicht mehr wirklich und Du wirst zufriedener mit Dir selbst.

Willst Du einen Freund finden und Dich verlieben? Dann nutze das Prinzip des Versuch und Irrtums auch bei der Partnerwahl. Wenn Du Dich nie auf eine Beziehung einlässt, kannst Du nie herausfinden was sich daraus entwickeln kann. Liebe entsteht nicht zwangsläufig auf den ersten Blick. Manchmal benötigt sie einen kritischen zweiten Blick bevor sie sich hervortraut.

Willst Du Dich trotz Akne wohl in Deiner Haut fühlen? Dann akzeptiere, dass die Akne nuneinmal da ist und gerade Dein Gesicht ziert. Akne hält nicht ewig, sie wird irgendwann verschwinden. Solange Du allerdings nicht akzeptieren kannst, dass sie im Moment existiert, wirst Du Dich immer unwohl in Deiner Haut fühlen und dies auch nach außen hin ausstrahlen. Akzeptierst Du aber jeden einzelnen Pickel, fühlst Du Dich gleich viel besser in Deiner Haut.

Vielleicht noch ein Rat in allgemeiner Hinsicht: Akzeptiere was das Leben Dir bereithält, selbst wenn es nicht immer das ist was Du Dir gerade gewünscht hast. Das Leben hat unzählige Facetten, bietet grenzenlosen Chancen und unterliegt einem permanenten Wandel. In 5 Jahren denkst Du vielleicht an diese Probleme zurück und fragst Dich warum Du Dein Leben damals als schwer gesehen hast. Und in 10 Jahren stehst Du vielleicht plötzlich an einem Punkt im Leben, von dem Du heute noch nicht einmal zu träumen wagst. Du weißt nicht was Dein Leben für Dich noch bereithalten wird. Empfange es mit offenen Armen und akzeptiere seine grenzenlosen Möglichkeiten. Dann kannst Du mit diesem Leben auch viel glücklicher und zufrieden sein, egal was noch kommen mag.

Mit diesen Worten möchte ich mich von Dir verabschieden. Ich wünsche Dir alles Gute und hoffe das Dich mein Kommentar und meine Ratschläge etwas weitergeholfen haben. Falls ja, oder auch falls nicht, würde ich mich auf eine Antwort von Dir freuen.

Gruß
Florian