Problem von Ned - 16 Jahre

imaginäres Sozialleben ?

Hallo,
ich mache mir über mich selbst Sorgen, denn jeden Tag stelle ich mir "Freunde" oder "Leute"
vor mit denen ich rede. Wenn ich Musik höre,esse oder am Computer bin versetzte ich mich in Situationen, wo ich mit Leuten rede und stelle mir vor ich wäre die Hauptperson.
Z.B. wie in einem Theaterstück. Egal wann und wo. Manchmal bin ich so manchmal so.
Man könnte es wie ein Schauspieltest oder -probe sehen in denen ich mich in anderen Rollen sehe. Da ich keine Freunde habe und tagelang zu Hause bin, habe ich Angst um mich,nicht das ich unter einer Persönlichkeitsstörung leide oder vielleicht einen Therapeuten suchen soll.
Eine Antwort wäre hilfreich.
Danke

PaulG Anwort von PaulG

Lieber Ned,

ich glaube, dich beruhigen zu können: Für mich sieht es überhaupt nicht nach einer Persönlichkeitsstörung aus.

Wenn du wenig soziale Kontakte hast, manchmal keine, kann ich mir gut vorstellen, dass du dir auf diese Weise "Ersatz" schaffst. Das hat in meinen Augen aber nichts mit einer Störung zu tun, sondern ist nur logisch: Was auch immer die Gründe sind, warum du viel allein bist, möchtest du dich ja trotzdem geistig rege halten, vielleicht auf kommende Situationen "vorbereiten"? Möglicherweise spielen auch deine Wünsche für kommende Freundschaften eine Rolle, oder du begegnest Ängsten und verschiedenen Erinnerungen auf diese Weise. All das kann sein, ist aber nicht gefährlich, sondern eher ein gutes Zeichen, würde ich sagen. Ohne dir solche Bilder zu schaffen, wären deine Tage ja dann ziemlich eintönig?

Auch in Zukunft - wenn du einmal mehr mit Leuten zusammen bist -, ist es eine Möglichkeit, Stress zu begegnen: Man kann sich in Rollen versetzen, in denen man sicherer und stärker ist, als in Wirklichkeit, und so seine Wut abbauen oder Ruhe gewinnen. Schwierig wird es immer erst ab dem Zeitpunkt, ab dem du Gedanke und Realität nicht mehr trennen kannst - also anfangen würdest, dich ohne näheren Anlass wie eine dieser Rollen zu verhalten. Davon scheinst du mir jedoch weit, weit entfernt. Du hast es ja selbst geschrieben: Es ist wie eine Art Test, ein Stück, in dem die Rollen anders verteilt sind als jetzt. Oder?

Wie kommt es denn, dass du so isoliert bist? Natürlich ist das per se nicht schlimm, aber warum nicht etwas Abhilfe schaffen? Zum Beispiel in einem Verein, oder indem du einfach öfter mal nach draußen gehst? Jede Art, unter Leute zu kommen, kann schon hilfreich sein - denn je länger du für dich allein bist, desto weniger wirst du eventuell deine Rolle bestätigt fühlen. Zwar bist du dir ja bewusst, dass es nicht die Wirklichkeit ist, aber wünschst du dir nicht irgendwie, etwas davon in die Wirklichkeit hinüber zu tragen? Vielleicht einfach, weil diese Charaktere anders sind, weil sie die Eigenschaften vereinen, die du an dir - noch - vermisst? Kontakt zu suchen, ist nicht nur eine Möglichkeit, dich von deiner Befürchtung abzulenken, sondern auch, der Rolle - wenn es eine gute ist - näher zu kommen. Das hat nichts mit Krankheit zu tun, sondern ist eine gute Strategie, sich einen Ausgleich zu schaffen.

Ich glaube wirklich nicht, dass du Angst haben musst. Wenn du das Bedürfnis hast, das Ganze mal mit einem Therapeuten zu besprechen, ist das selbstverständlich deine Entscheidung. Falls du das Gefühl hast, es wäre gut, spricht nichts dagegen. Ich hoffe, dir fürs Erste deine Angst nehmen zu können: Du bist nicht gefährdet, ich sehe es als produktiv an. Und ich wünsche dir, dass du zu dem Umgang damit, und mit Menschen, findest, der dir am besten gefällt.

Alles Gute und Liebe Grüße,

Paul