Problem von Max - 21 Jahre

Bitte um ernst gemeinten Rat

Hallo zusammen,

Ich habe im Moment echt echt großes Problem und hoffe sehr, dass mir jemand einen Rat geben kann, der das ganze von aussen betrachtet.

Vor ungefähr 5 Monaten habe ich ein Mädchen kennen gelernt (Sie 19, Ich 21).
Ihr gesamter Freundeskreis hat sie mit der Zeit komplett im Stich gelassen, weshalb es ihr zu Anfang sehr schwer fiel vertrauen zu mir aufzubauen. Mit der Zeit erfuhr ich aber, dass sie außerdem einige Probleme mit ihren Eltern hatte und dass sie körperlich nicht ganz gesund sei. Neben vielen Allergien (z.B. Nahrungsmittelallergie, Histaminintoleranz, Gräser- und Pollenallergie) hat sie ausserdem eine kleinere Lungenfunktion, da ihr ein Teil eines Flügels nach einem Unfall entfernt werden musste.
Alles in allem bedeutet das, dass sie sich weder viel anstrengen kann, noch kann sie großartig Restaurants besuchen, u.Ä.
Trotz dieser Einschränkungen wusste ich einfach, dass sie perfekt für mich war.
Erst haben wir nur geschrieben und verstanden uns mit der Zeit immer besser.
Irgendwann haben wir uns dann auch mal getroffen und es war sofort ersichtlich, dass wir sehr voneinander angetan sind, weshalb wir uns noch am gleichen Abend näher kamen.
Sie konnte sich jederzeit bei mir anlehen und mir von ihren Problemen erzählen, wofür sie auch sehr dankbar war. Immer wieder schrieben wir uns, wie glücklich wir sind und dass wir das alles niemals enden lassen wollen. Sie fragte sich, wie sie endlich jemanden finden konnte, der ihr durch all diese schweren Zeiten hindurch hilft und sie niemals verlassen würde, ganz egal wie hart es werden könnte.
Nach ca. zwei Monaten stieg in mir die Frage auf, ob wir es nicht einmal miteinander versuchen wollen, da wir uns beide schon regelrecht unsere gemeinsame Zukunft ausgemalt haben.
Sie sagte daraufhin, dass sie mehr Zeit für eine solche Entscheidung bräuchte und ich sagte ihr, dass sie sich so lange Zeit lassen kann, wie sie braucht.

Irgendwann hatte sie einen Termin bei einem neuen Arzt, nachdem ein Allergieschock ihr den schlimmsten Abend ihres Lebens bereitete. Natürlich machte ich mich sofort auf den Weg zur ihr, obwohl es schon 22 Uhr war, Hin- und Rückweg 1,5 Stunden Fahrt bedeuteten und ich am nächsten Tag arbeiten musste. Als sie eingeschlafen war machte ich mich wieder auf den Heimweg und von da an war sie sich sicher, dass sie sich immer und überall, in jeder Situation auf mich verlassen könnte und ich sie niemals im Stich lassen würde, so wie ihre anderen Freunde.
Leider bekam sie vom Arzt einige Medikamente verschrieben, welche für unglaublich schlechte Laune, Migräne und andere böse Nebenwirkungen sorgten.
Von einem auf den anderen Tag wurde sie abweisend zu mir, sagte sie brauche Zeit um mit allem klar zu kommen und würde in der Zeit niemanden sehen wollen.
Vor allem, weil sie mit der Zeit zu meinem Mittelpunkt geworden ist, wir uns sagen wollten, dass wir uns lieben und ich dieses Mädchen einfach nicht mit ihren Problemen und Sorgen allein lassen kann, fiel es mir unglaublich schwer ihr diesen Wunsch zu erfüllen.
Wir schrieben kaum noch und sie wurde immer kühler, sagte aber, dass sie nichts dafür könnte und die Medikamente an ihrem Verhalten schuld seien.
Ich war so etwas nicht gewohnt, kam mit dieser plötzlichen Veränderung nur schwer klar und verstand die Welt nicht mehr.
Immer wieder fragte ich sie, ob ich etwas falsch gemacht hätte oder ob ich sonst in irgendeiner Weise der Grund dafür sei, dass sie nurnoch so abweisend ist.
Jedes mal sagte sie, dass ich diese Fragerei endlich lassen solle und dass es sie unglaublich nervt, sie mit meinem Verhalten nicht klarkommt und sie weiterhin Abstand braucht, damit sie diese Sorgen nicht auch noch hat.
Beim letzten Arztbesuch vor ca 4 Wochen hat sie mir gesagt, dass der Arzt bei ihr eine Depression festgestellt hat und dies ein weiterer Grund für ihr abweisendes Verhalten sei.
Diese Diagnose hat mir persönlich nicht nur viel Angst um sie bereitet, sondern auf andere Art und Weise auch eine Last von meinen Schultern genommen, da ich nun sicher war, dass nicht ich der Auslöser für ihr Verhalten bin.
Mittlerweile sind drei Wochen vergangen, wir haben uns in dieser Zeit weder gesehen, noch telefoniert und schreiben nurnoch äußerst selten und dann auch nurnoch so, als würde sie mich überhaupt nicht mehr kennen.
Immer wieder habe ich sie um Verzeihung geben und ihr gesagt, dass es nicht nur für sie schwer ist, sondern auch für mich und ich sie nicht einfach allein lassen kann.
Ich habe ihr gesagt, dass ich Zeit brauche um mich daran zu gewöhnen, dass diese Medikamente unser Verhätnis so sehr verändern und dass wir das gemeinsam schon irgendwie hinbekommen.
Durch meine ganzen Entschuldigungen und Sorgen, von denen ich ihr erzählt habe wurde sie aber so wütend auf mich, dass sie mir vor etwa einer Woche sagte, dass sie nicht weiß, ob sie mir mein Verhalten verzeihen kann und dass so ein Verhalten bei ihr einen Hebel umlegt, der nur schwer wieder umzulegen ist.
Jetzt habe ich natürlich große Angst, dass sie einfach wieder aus meinem Leben verschwindet, denn ich liebe dieses Mädchen mehr, als ich sonst jemals eins geliebt habe und weiß nicht, wie ich mit der ganzen Sache umgehen soll.
Jeden Tag würde ich am liebsten einfach zu ihr fahren, sie in den Arm nehmen und küssen, aber ich mache mir zu große Sorgen darum, dass ihr das zu viel ist und sie sich dadurch noch mehr von mir entfernt.
Ich habe so viel für dieses Mädchen getan, habe immer alles gegeben um sie glücklich zu machen und für sie war ich mal der allertollste Mensch in ihrem Leben.
Ich hoffe ich habe durch diesen einen Fehler nicht alles kaputt gemacht, zumal ich das alles ja nicht für mich getan habe, sondern um ihr zu zeigen, dass ich anders bin als ihre alten Freunde und sie niemals im Leben allein oder im Stich lassen würde.

Hoffentlich könnt ihr mir einen guten Rat geben.
Liebe Grüße, Max

PaulG Anwort von PaulG

Lieber Max,

von welchem Fehlverhalten sprichst du denn?

Ich habe das Gefühl, dich aus deiner Selbstbezichtigung holen zu müssen: Du hast dich nicht falsch verhalten! Genau genommen, hat niemand sich falsch verhalten.

Ich glaube dir, dass du sie liebst und sie dir unendlich viel bedeutet. Aber du solltest dich immer wieder fragen: Wenn ich sage, ich kann nicht ohne sie, was bedeutet das genau?

Heißt es: Sie ist ein fantastischer Mensch, dessen Dasein mir hilft und mich stärkt, und für die ich gern da bin? Weil ich so viel zurück erhalte?

Oder heißt es: Sie hat so schwere Probleme, dass sie gar nicht mehr sie selbst ist; ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass es sich bessert, und überhaupt, es wäre ein Verbrechen, sie allein zu lassen...?

Was ich eben geschrieben habe, soll keinesfalls bedeuten, dass du dich von ihr trennen sollst. Doch ich möchte dir gern sagen: Hör auf, dir Vorwürfe zu machen. So kommst du nicht weiter. Du hast alles getan, was in deiner Macht stand, um ihr beizustehen. Sie kann weder für ihre Allergien, noch für ihre Depressionen etwas. Wenn es allerdings einen Menschen auf der Welt gibt, der daran nicht schuld ist - und der es nicht verdient hat, unter ihr zu leiden -: Dann bist du dieser Mensch.

Natürlich machen ihr die Medikamente schwer zu schaffen, natürlich leidet sie, körperlich wie seelisch. Aber das ist nicht deine Schuld, nicht ein bisschen. Auch du bist ein Mensch, und nebenbei ihr Freund. Mittlerweile kannst du dir nicht mal mehr dessen sicher sein. Es ist ehrenvoll und bewundernswert, wie du dich um sie sorgst. Dabei möchte ich jedoch mal einen Satz von dir aufgreifen:

"Jeden Tag würde ich am liebsten einfach zu ihr fahren, sie in den Arm nehmen und küssen, aber ich mache mir zu große Sorgen darum, dass ihr das zu viel ist und sie sich dadurch noch mehr von mir entfernt."

Max, genau da hakt es. Bei nichts, was du ihr gegenüber tust, bist du im Mindesten entspannt. Sie zu lieben, quält dich. Was du an ihr liebst, ist im Augenblick, wenn auch nicht durch ihre Schuld, mehr Erinnerung, sorgsam gepflegte Bilder: Solche, die einmal waren, und solche, die noch werden sollten. Überleg dir: Gibt es eine Chance, dass du die Vergangenheit nicht mehr mit leisem Schmerz betrachtest - "da war es noch so schön... ?" Und wie realistisch siehst du es, mit ihr dahin zu gelangen, wo du möchtest? Könnt ihr in absehbarer Zeit an einen Punkt kommen, wo das, was sie dir gibt, den Schmerz, den sie dir - direkt und indirekt - bereitet, aufwiegt? Klar tut sie es nicht absichtlich. Trotzdem unterstellt sie dir etwas, das nicht gerecht ist. Du hast große Opfer für sie gebracht - es ist wunderbar, aber eben auch nicht selbstverständlich. Auch du hast deine Bedürfnisse, Ansprüche und Pläne - auch du darfst nicht zu kurz kommen. Und das tust du zur Zeit. Sicher will sie es nicht, dennoch verletzt sie dich. Ihre Probleme können gegenüber dem Menschen, der ihr in den schlimmsten Tagen beigestanden hat, und der sie mehr liebt als sich selbst, nicht alles entschuldigen. Du bist derjenige, der Bedürfnisse anmelden muss - sonst werdet ihr euch verlieren.

Es gab keinen Bruch in deinem Verhalten ihr gegenüber. Du warst immer da und hast sie geliebt. Der Hebel, den du umgelegt haben sollst, ist ein Stück weit auch eine Ausflucht. Wie soll die Behandlung und Medikation, unter der sie steht, etwas nützen, wenn sie nicht an sich arbeitet? Ihre Diagnose ist nicht dazu da, dich zu unterdrücken. Doch genau das findet statt. Ich glaube bestimmt nicht, dass sie das will. Aber sie lässt es zu. Ist ihr bewusst, wie sehr du unter ihr leidest? Wie du deine Träume zerfließen siehst, und dich mit Macht - erfolglos - dagegen auflehnst? Wenn dem nicht so ist, musst du es ihr bewusst machen.

Liebe kann vieles erreichen, aber irgendwann ist die Kraft jedes Menschen aufgebraucht. Diesem Punkt näherst du dich gerade. Was auch immer das Problem ist - sie muss auch etwas zurückgeben, auch auf dich eingehen. Sie muss auch versuchen, einen Schalter zu bewegen. Es ist nicht gerecht, den Mann, der so viel für sie getan hat, und alles aus Liebe, so zu behandeln. Du hast dich nicht falsch verhalten - die Umstände waren gegen eine Entspannung. Ihr könnt sie zum großen Teil nicht ändern, zumindest nicht gleich. Aber ihr könnt - und müsst - euch arrangieren, an einen Punkt gelangen, wo ein Geben und ein Nehmen stattfindet. Nicht mehr du der bist, der alles aushält, ohne etwas zu erreichen, sondern du auch weißt, wofür du das alles tust.

Ich will dir mit all dem nicht raten, dich von ihr zu trennen. Ich wünsche mir, dass du aufhören kannst, dir eine Schuld zuzuweisen. Deine Mühe läuft ins Leere, wenn du nicht anerkennen kannst, dass du etwas fordern darfst. Was immer zwischen euch an Streit und Missverständnissen passiert ist, kann nicht der Grund sein, deine Aufopferung und Hilfsbereitschaft nicht zu belohnen. Ich hoffe, dass du es annehmen kannst. Du kennst sie am besten, und weißt, wie realistisch eine Normalisierung der Verhältnisse ist - und sei sie nur halb; wenigstens so weit, dass du nicht mehr permanent am Leiden und Kämpfen bist, ohne ans Ziel zu kommen.

Denn je länger das der Fall ist, desto mehr wird sich dir der Gedanke aufdrängen: Was auch immer das Ziel war, es ist mehr Traum als Realität, mehr Wunschbild als echte Möglichkeit. Wofür kämpfe ich eigentlich? Und wenn es soweit kommt, läufst du Gefahr, nicht mehr zu wissen, wie stolz du auf dich sein darfst. Lass deine Liebe nicht umsonst gewesen sein - trau dich, deine Taten zu belasten. Sie sollte auch etwas zurück geben - dadurch wird das, was du für sie getan hast, und gerne, nicht geschmälert. Es ist nur gerecht. Ich hoffe sehr, dass du es umsetzen kannst. Denn du hast Großes geleistet. Es wäre schön, wenn du dir der Dankbarkeit und Liebe, die du weiterhin verdienst, bewusst werden könntest.

Alles Gute und Liebe Grüße,

Paul