Problem von Maya - 26 Jahre

Selbstmordgedanken

Hallo, ich weiß nicht ob ich hier so richtig bin und ich schäme mich auch dafür.
Eigentlich denke ich immer das ich keinen Grund habe mich über mein Leben zu beschweren, aber in letzter Zeit habe ich oft Selbstmordgedanken und ich kann mir das nicht erklären warum, es ist so als ob alles über mich einbricht. Etwas über mich, ich habe eine feste Arbeit, keine finanziellen Probleme, zwei gute Freundinnen mit denen ich reden kann und die auch über meine Gedanken bescheid wissen, seit knapp drei Jahren habe ich mit einem Mann eine Art sexuellen Beziehung momentan wollen wir uns langsam auch außerhalb des Bettes annähern auch wenn ich dem nicht viel Zukunft verschreibe mache ich mir auch oft Gedanken über mein späteres Leben wie heiraten oder Kinder, ich habe eine Wohnung im Haus meiner Eltern und auch sonst ein sehr gutes Verhältnis zu ihnen und allgemein zur Familie.
Ich hatte öfters mal ein Tief, war leicht depressiv, aber kam immer recht schnell wieder raus, aber auf einmal kam ich dort nicht mehr raus. Ich fühlte mich ungeliebt, abstoßend, von allen missverstanden, sexuell ausgenutzt. Mir war alles zu viel, das einfachste der Welt konnte ich nicht mehr problemlos machen ohne zu weinen, am Abend war das weinen am schlimmsten, ich verkrampfte und konnte nur schlecht wieder aufhören. Ich kam morgens kaum raus, konnte meistens meine Tränen nicht unterdrücken, auf Arbeit konnte ich mich einigermaßen unter Kontrolle bringen und mich konzentrieren, aber spätestens auf dem Rückweg kamen wieder die Tränen. Dann kamen auch Selbstmordgedanken, wie und wo, das hörte teilweise nicht auf, so dass ich immer versucht habe nicht alleine zu sein, weil ich ernsthaft angst hatte schwach zu werden und meinem Leben ein Ende zu setzen. Als der Drang immer stärker wurde kamen mir aber Zweifel, aber nur weil ich nicht wollte das jemand aus der Familie mich findet. Also kam mir der Gedanke mich in meinem Urlaub um zu bringen, den hatte einige Monate vorher gebucht als es mir noch gut ging. Der kam mir dann sehr gelegen. Ich bin meistens nervös vorm Urlaub und fliegen, aber diesesmal machte sich diesbezügliche eine innere Ruhe breit. Einen Tag vorher versammelte sich auch nochmal die ganze Familie & meine Freundinnen und ich habe alles wie ein Schwamm aufgezogen mit dem Gedanken alle das letzte Mal zu sehen. Ich bin dann in den Urlaub geflogen. Am nächsten Morgen war alles wie weg geblasen, das Wetter, das Klima, das Land, die Menschen ich weiß nicht was es war, aber mein Kopf war leer, ich hab keinen Gedanken an Selbstmord fassen können. Nach ein paar Tagen kam er sogar nachgeflogen und verbrachte zwei Tage dort mit mir, eigentlich wollte ich das nicht weil ich ihn mitverantwortlich machte für meinen Zustand und meine Gedanken. Ich ließ es jedenfalls zu und hatte danach eigentlich wieder ein Tief erwartet, aber ich war einfach nur zufrieden, einfach nur glücklich mit mir und meinem Leben und vorallem das ich am Leben war. Die letzte Woche des Urlaub kamen aber doch mal wieder leichte negative Gedanken hoch, aber keine Selbstmordgedanken.
Zurück in Deutschland ging es die ersten Tagen kannst gut, ich ging wieder arbeiten und dann kam auf einmal der Alltag oder was auch immer, es kam so überraschend wie es auf hörte es war wieder da. Es bohrt sich seit Tagen in mein Kopf, bildet einen richtigen Druck. Ich kann manchmal nicht mehr klar denken, ich habe dann einfach keine Kraft mehr, nicht mal mehr die Kraft raus zu gehen um mich abzulenken. Ich habe dann auch konkrete Vorstellungen, das ich mich vor eine Bahn werfe, ich möchte dem einfach ein Ende setzen. Nach dem Urlaub habe ich aber nicht mehr mit meinen Freundinnen darüber gesprochen das ich Selbstmordgedanken habe, ich schäme mich so, weil ich einfach nicht weiß warum ich sie habe. Es ist so als ob es viele Stänge sind die zu mir führen und mir die Luft zum Atmen nehmen und der einzige Ausweg ist es zu sterben. Ich merke wie mir langsam der Boden unter den Füßen entgleitet. Ich kann nicht mehr.

PaulG Anwort von PaulG

Liebe Maya,

man muss es einfach sagen: Bei allem Schmerz, der dich quält, hast du doch deinen Realitätssinn bewahrt. Du weißt im Grunde, dass du alles besitzt, das Menschen in deiner Situation oft fehlt: Stabilität, Rückhalt, Familie und Freundeskreis. Trotzdem sind "Wissen", das Rationale, und dein Gefühl, zwei ganz verschiedene Dinge. Nicht immer kann man erwarten, dass das eine dem anderen gehorcht. Du musst dich nicht dafür schämen, dass du solche Gedanken hast. Warum sollten sie eine Schuld darstellen? Indem du den Eindruck hast, es sei alles ohne Sinn und Freude, wertest du dich selbst über alle Maßen ab. Eine Scham dafür zu empfinden, setzt dem noch etwas hinzu. Das muss sich wirklich schlimm anfühlen.

Ich denke im Grunde: Muss dafür unbedingt ein Grund bestehen? Darf man nicht auch mal verzweifelt sein, einfach weil einem alles über den Kopf wächst? Vielleicht gar nicht mal im negativen Sinne: Vielleicht, weil alles sich zu gut anfühlt?

Das Gefühl, das ich mir für dich wünsche, ist das: Zu fühlen, dass du etwas Besonderes bist. Das ist gar nicht so einfach. Kannst du sagen, du kennst das - zu wissen, dass du, nur du, die Eigenschaften vereinst, die dich ausmachen? Dass es niemals vorher einen Menschen gegeben hat, der dir annähernd geglichen hat? Und es so jemanden niemals geben wird? Wir können uns in den Schicksalen Anderer spiegeln, sie uns zum Vorbild nehmen. Aber trotzdem sind keine zwei Geschichten gleich. Kein Schicksal nimmt ein zweites voraus, jedes hat seine eigenen Hürden und Höhenflüge, seinen ganz eigenen Gefühlskosmos. Wir können Andere nicht perfekt nachahmen, es gilt immer, auf unser Besonders-Sein Rücksicht zu nehmen. Was für Andere gut ist, muss es für uns nicht sein. Bist du wirklich mit dem zufrieden, was du hast? Denn es wäre auch kein Verbrechen, es nicht zu sein. Es ist kein Widerspruch, ein äußerlich schönes Leben zu führen, und innerlich zu zerbrechen; denn was die Norm als schön, als wünschenswert bezeichnet, muss für dich nicht gelten. Damit meine ich nicht, dass du die Zelte abbrechen sollst. Aber kannst du bejahen, dass du es wirklich nicht anders haben willst? Vielleicht gar nicht so sehr das große Ganze, sondern dass in winzigsten Details für dich etwas Unvollkommenes steckt - der nagende Gedanke, ob nicht etwas fehlt? Siehst du wirklich in das Gesicht deines Partners, in die deiner Freunde und Eltern, und bejahst, dass niemand sonst dort stehen könnte und sollte? Oder verbirgt sich irgendwo eine unklare Überlegung, was noch sein könnte? Ist es vielleicht gerade die äußere Perfektion, die alles so farblos macht? Kannst du dein Glück wirklich annehmen? Und noch wichtiger: Kannst du annehmen, dass es dein Verdienst ist - dass du dir all das erarbeitet hast? Dass du etwas Besonderes bist, nach all dem, was du erlebt hast - alles einzigartig, alles schon Beweis genug, dass du eine Aufgabe hast?

Welcher Wunsch verfolgt dich, wenn du bei deinem Partner bist? Gibt er dir wirklich das, was du brauchst, oder möchtest du ihm eigentlich viel mehr anvertrauen, dir viel mehr wünschen, jetzt und gleich? Hast du wirklich das Gefühl, bei deiner Familie und deinen Freunden aufgehoben zu sein? Bist du mit deinem Leben im Reinen, oder möchtest du etwas ändern? Denn Ändern muss nicht heißen, dass du auf Nimmerwiedersehen verschwinden sollst. Es kann auch bedeuten, dass du das Jetzige als unfertig empfindest, vielleicht eben, weil es so sicher und planvoll daher kommt. Wie, denkst du, könnte etwas Farbe hinein kommen? Wie könnte dir das Essen wieder schmecken, die Bilder wieder haften bleiben, die dir zufliegen? Die Stangen, die dich stechen, müssen keine Probleme im eigentlichen Sinn sein - keine Krankheit, kein Zwang, einfach nur die Gitter des Alltags. Es ist nicht gesagt, dass er nicht gut ist. Es wäre nur schön, wenn du ihn freudiger betrachten könntest.

Was erwartetst du noch von deinem Leben? Die Frage muss dir kühn vorkommen. Was hast du einmal von deinem Leben erhofft? Und was davon ist eingetreten? Ich gebe die Antwort für dich: Vieles, viel mehr, als mancher sich träumen lassen würde. Und alles durch deine eigene Kraft und Leistung. Darauf kannst du mit Stolz blicken. Aber ich fände es schön, wenn auch der Druck, von dir abfallen würde, alles gut zu finden - das muss nicht sein. Für dich kann das, was ist, der Anfang sein - auch wenn es dir gerade vorkommt, als sei es das Ende. Vielleicht, weil es ein bisschen ist, als hättest du schon alles - und zwar farblos - gelebt? Die Farbe kann zurück kommen. Doch versuche sie nicht zu erzwingen, hab Vertrauen, dass sie von selbst dir zufließt. Ich weiß letztendlich nicht, was die Ursache für deine Suizidgedanken ist - aber ich glaube, dass du wirklich eine Zukunft hast. Sei etwas freundlicher zu dir - dazu kann auch gehören, sollte gehören, dir Schwäche zuzugestehen. Hast du über eine Thearpie nachgedacht? Sie könnte diese Gedanken begleiten und erforschen, wenn sie auftreten. Wo deine Freunde keine Ansprechpartner sein können, warum auch immer, ist es wichtig, sich weitere zu schaffen. Denn dein Tod ist nicht das, was du verdienst. Er würde nichts beenden außer dem Guten, das du an deine Mitmenschen austeilst. Traust du dir zu, deinen Anspruch etwas zu lockern? Es wird seine Zeit brauchen, aber ich bin sicher, dass du es schaffst. Gib dich nicht auf - ich kann dich nur darum bitten. Der erste Schritt ist immer, ehrlich zu sein und sich einzugestehen, dass einem alles zuviel wird. Diesen Schritt hast du getan, du hast uns geschrieben. Ich wünsche dir den Mut und die Kraft, diesen Weg weiterzugehen - er wird viel Gutes für dich bereit halten.

Alles Gute und Liebe Grüße,

Paul