Problem von Jana - 16 Jahre

Meine Schwester die Kriegerin

Hallo ,
also erst mal wollt ich euch sagen was ihr für eine tolle arbeit leistet.
Aber jetzt auf mein Problem zu kommen , ich hab mir geschworen im hier und jetzt zu leben weil ich damals ,als ich klein war, sehr allein war und mich sonst das von damals immer wieder einholt.. Aufallefälle hat meine Schwester Krebs (sie ist 26) leider Gottes haben die Ärzte gesagt sie habe eine Überlebenschance von knapp 5%. Meine Schwester ist eine tolle Person ,sie studiert BWL hat einen Durchschnitt von 1,2 ,ist humorvoll und wunderschön. Auch wenn sie eine Besserwisserin ist , liebe ich sie. Sie hat jeden Tag starke schmerzen und Medikamente helfen nicht mehr. Ich würde so gern mit ihr tauschen, das hat sie einfach nicht verdient. Meine Mutter meint das es sein könnte das sie es nicht mehr bis Weihnachten durchhält. Meine Mutter ist sehr stark Depressiv (ja sie ist in Behandlung) aber der einzige Grund warum sie nicht in der Klinik ist, ist der das meine Schwester sie gerade sehr dringend braucht. Aber es gibt immer wieder Situationen in denen meine Mutter mir dinge wie ,"Ich kann nicht mehr meine Kräfte sind erschöpft" oder "Bist du dir sicher das du mich noch brauchst" sagt. Sie würde den Tot meiner Schwester nicht Überleben.Ja meine Mutter hat schon sehr viel erlebt(meine Vater ist fremd gegangen und sie hat 7 Jahre versucht ihn zurückzuholen , was sie dann auch geschafft hat, sie selbst hatte Brustkrebs, unsere Firma geht den Bach runter, wir stehen vor dem Bankrott und so weiter). Meine Mutter ist so eine schöne starke Frau. Und ich fühle mich einfach so machtlos neben alldem. Ich sehe wie 2 Personen die ich so sehr liebe langsam zerbrechen und sterben innerlich und körperlich. Ich habe freunde , die ich aber nicht belasten will. Ich will nicht das jemand meinetwegen traurig ist. Ich kann nichts sagen ich kann nur da stehen und alles an mir vorbeiziehen lassen. Und ich hasse mich dafür das ich selbst so in Selbstmitleid versinke obwohl meine Schwester oder meine Mutter eig. meine Unterstützung brauchen. Ich erwarte keine "Hilfe" von meiner Familie.(Meinen Vater hab ich mal weggelassen ich hab ihn auch sehr lieb un er tut alles um uns vor dem Bankrott zu bewahren aber auch er ist fertig) Ich möcht einfach das es allen gut geht und wir endlich Glücklich sein können, alle zusammen. Wie ichs mir schon gewünscht hab seit ich klein war.(wurde eher von meiner Oma und meinem Opa aufgezogen)Ich weiß nicht was ich für eine Antwort möchte... Ich will wahrscheinlich einfach nur hören das alles gut geht aber ich weiß das diese Möglichkeit nicht zur Auswahl steht. Ich hab einfach Angst vor der Zukunft. Was soll ich tun? Bin ich wirklich son eine schlechte Person weil ich in so einem Moment so viel an mich denke? Was soll ich mit meiner Mutter anstellen? Kann ich irgendwas für meine Schwester tun? Ich seh sie nicht so oft weil sie in einem Krankenhaus weiter weg liegt und meine Eltern sind unter der Woche jeden Tag bei ihr aber da hab ich Schule...

Vielleicht könnt ihr mir ja irgendwas raten aber wenn nicht ist das auch ok, macht euch keine zu großen Gedanken um mich . Ich komm schon irgendwie klar. Danke fürs lesen!

Liebe Grüße Jana

Delia Anwort von Delia

Hallo liebe Jana,

zuerst einmal möchte ich dir sagen, dass es mir sehr leid tut, dass du das alles durchmachen musst. Ich kann mir nicht vorstellen, wie du dich momentan fühlst, aber ich möchte dir trotzdem gerne einige Worte schreiben.

Du fragst ob du eine schlechte Person bist weil du an dich selbst denkst. Ich kann dir ganz klar sagen: Nein, du bist keine schlechte Person! Natürlich bist nicht du es, sondern deine Schwester, die im Sterben liegt, aber du bist trotzdem ein Teil der Familie und somit ein Teil dieser Situation. Nur weil du nicht im Krankenhaus liegst heißt das noch lange nicht, dass es dir gut geht oder bei dir alles in Ordnung ist. Du hast jedes Recht dich mies zu fühlen und Angst zu haben und es ist vollkommen ok an dich selbst zu denken und traurig zu sein. Das macht dich noch lange nicht zu einer schlechten Person, sondern es macht dich menschlich.
Du versinkst nicht in Selbstmitleid, während deiner gesamten Zuschrift an uns jammerst du nicht einmal herum, sondern beschreibst einfach nur, was gerade um dich herum passiert und was du dabei denkst und fühlst. Du schreibst, dass deine Schwester eine tolle Person ist und du sie liebst, ebenso wie du deine Mutter liebst. Sogar von deinem Vater schreibst du, dass du ihn sehr lieb hast und das obwohl er in der Vergangenheit Fehler gemacht hat. Ein schlechter Mensch würde so etwas nicht sagen, er würde nicht so viel Liebe für die Menschen in seiner Umgebung übrig haben und er würde sich nicht darum kümmern wie es diesen Menschen geht. Und ganz gewiss würde er sich nicht selbst fragen, ob er ein schlechter Mensch ist, denn es würde ihn nicht interessieren. Aber genau das fragst du dich, du überlegst ob du dich schlecht fühlen darfst aus Rücksicht auf die Menschen, denen es in deinen Augen noch schlechter geht. Jana, du kannst dir wirklich sicher sein, dass du keine schlechte Person bist. Bitte denke das nicht mehr.

Du schreibst, du hast Freunde, die du aber nicht belasten möchtest. Aber genau dafür sind Freunde doch da. Wenn eine Freundin von dir in dieser Situation wäre, in der du gerade bist, dann würdest du doch auch gerne für sie da sein und sie unterstützen wollen oder nicht? Du würdest ihr gerne helfen wollen und dafür sorgen wollen, dass es ihr zumindest etwas besser geht.
Wenn du mit deinen Freunden nicht darüber redest wie es dir geht, nimmst du ihnen aber die Möglichkeit dir zu helfen. Du erlaubst ihnen nicht sich um dich zu kümmern und dich zu unterstützen. Und du brauchst jetzt gerade Unterstützung von deinen Freunden, nicht weil du schwach bist, sondern weil du eine wirklich schwere Zeit hast und Hilfe brauchst um damit klar zu kommen. Diese Hilfe würde jeder brauchen, es liegt also nicht an dir und ganz sicher nicht daran, dass du in irgendeiner Art und Weise egoistisch bist. Denn das bist du nicht!

Deswegen möchte ich dich darum bitten, dass du mit deinen Freunden darüber redest wie es dir geht. Vertraue dich ihnen an und schließe sie nicht aus. Du belastest sie damit nicht einfach sondern gibst ihnen die Möglichkeit an deinem Leben teilzuhaben, dich besser kennen zu lernen und dir zu zeigen wie wichtig du ihnen bist. Wenn du aber nur schweigst und versuchst alles mit dir selbst auszumachen, wird es dir nur immer schlechter gehen und du wirst deine Freunde immer weiter von dir wegstoßen. Darum rede bitte mit ihnen!
Es kann sein, dass sie im ersten Moment selbst nicht so ganz wissen was sie machen oder sagen sollen. Auf so eine Situation ist man meistens nicht vorbereitet und ist daher manchmal ratlos. Das heißt aber nicht, dass es deswegen falsch ist mit Freunden über deine Probleme zu reden. Sag ihnen einfach was du in dem Moment brauchst. Egal ob du gerne über deine Familie reden möchtest oder ob du lieber abgelenkt werden möchtest. Es ist auch in Ordnung wenn du einfach nur in den Arm genommen werden oder dich mal ausweinen möchtest. Es ist auch nicht schlimm, wenn du wütend wirst und diese Wut irgendwie loswerden möchtest, dich abreagieren willst.
Rede mit deinen Freunden und sag ihnen was du brauchst, wie sie dich unterstützen können.

Du schreibst, dass du gerne hören würdest, dass alles wieder gut wird und dass diese Möglichkeit nicht zur Auswahl steht. Die Frage ist, was genau heißt "alles wird wieder gut" für dich? Wenn es darum geht, dass deine Schwester und deine Mutter plötzlich wieder vollkommen gesund werden und eure finanziellen Schwierigkeiten von jetzt auf gleich verschwinden, dann hast du wahrscheinlich recht. In diesem Fall wird nicht alles wieder gut. Das heißt aber nicht, dass du in deinem Leben nicht mehr glücklich werden kannst oder dass du dein Leben niemals genießen wirst.
Die Bedeutung des Satzes "alles wird wieder gut" verändert sich für eine Person im Laufe des Lebens dauernd. Es kann für dich durchaus wieder alles gut werden, nur wahrscheinlich leider nicht so wie du es dir jetzt gerade in dieser Situation wünschst.

Liebe Jana, du bist momentan tatsächlich machtlos und das ist ein wirklich schreckliches und kaum auszuhaltendes Gefühl, aber auch dieses Gefühl wird mit der Zeit vergehen und es wird auch genug Situationen geben, in denen du die Menschen, die du liebst, unterstützen kannst. Du bist hilflos gegenüber dem Krebs deiner Schwester, den Depressionen deiner Mutter und den finanziellen Problemen deiner Familie, aber das bedeutet nicht, dass du deswegen unwichtig bist oder dass es egal ist was du tust. Du kannst für deine Familie da sein und ihr Unterstützung bieten, auch wenn es nur Kleinigkeiten wie z.B. Hilfe im Haushalt oder das Erinnern an wichtige Termine sind. Du bist wichtig und du kannst helfen, auch wenn du die ganz großen Probleme nicht lösen kannst. Aber das ist auch nicht deine Aufgabe.

Du schreibst, dass deine Mutter wegen ihrer Depression in Behandlung ist. Vielleicht solltet ihr mal zusammen als Familie darüber nachdenken ob eine Familientherapie möglich ist um diese schwere Zeit gemeinsam aufzuarbeiten. Es würde euch eventuell gut tun, wenn ihr euch in einem professionellen Rahmen wie eben einer Therapie über eure Erlebnisse und Gefühle austauschen könnt und dabei von einer Therapeutin Rückmeldung bekommt. Auch wenn deine Eltern momentan natürlich viel anderes im Kopf haben, kannst du sie ja einmal auf diese Möglichkeit ansprechen.

Wenn deine Schwester stirbt, wird es für dich grausam und schlimm und schrecklich werden. Und es wird auch noch lange weh tun und dich den Rest deines Lebens begleiten. Diese "Narbe" wird wahrscheinlich niemals verschwinden, auch nicht mit der Zeit. Aber es wird mit der Zeit leichter werden damit umzugehen, die Gedanken an deine Schwester werden irgendwann nicht mehr ganz so sehr weh tun und du wirst dich an die schönen Erlebnisse mit ihr erinnern. Du wirst sie wahrscheinlich auch weiterhin vermissen, besonders an Tagen wie Geburtstagen oder Weihnachten, aber sie wird immer ein Teil eurer Familie sein. Und ich weiß, das kann ihre wirkliche körperliche Anwesenheit nicht ersetzen, nichts und niemand kann das, aber sie lebt trotzdem durch eure Erinnerungen an sie weiter.

Ich wünsche dir und deiner Familie wirklich alles erdenklich Gute und ganz viel Kraft und Unterstützung! Ich wünsche euch so sehr, dass ihr alles so gut es eben geht übersteht!