Anwort von PaulG

Liebe Kimberly,

man muss zugeben: Du hast es dir und Anderen nicht leicht gemacht. Aber deswegen bist du kein Abschaum. Du hast immer das Beste gewollt, und dich dabei völlig erschöpft. Ich kann zwar verstehen, dass es deinem Exfreund auf Dauer zuviel wurde. Andererseits liebst du aufrichtig und gestehst deine Fehler ein. Ich glaube, in dir ist eine sehr einfühlsame und treue Partnerin zu gewinnen. Allein deshalb wäre es schon schlimm, würdest du dich umbringen. Es gibt so viel, das dir im Kopf umher geht, und dich belastet. Ich verstehe, dass dir gerade alles zuviel wird, und der Tod dir als einziger Lösungsweg erscheint. Aber er ist es nicht. Du bist es wert, am Leben zu bleiben - bitte, tu dir nichts an.

Es ist nicht gerecht von deinem Exfreund, dich zu hassen und zu ignorieren. Damit macht er alles viel schlimmer, das muss auch ihm klar sein. Trotzdem, und da wirst du mir zustimmen: Du hast ihn im Lauf der letzten Monate sehr eingeengt, ob ihr nun gerade zusammen wart oder nicht; ich könnte mir vorstellen, dass er irgendwann Angst hatte, sich deinen Launen nicht mehr gewachsen fühlte. Frustriert war er mit Sicherheit. Das alles müssen wir anerkennen, und es ist begreiflich, wenn er erst einmal keinen Kontakt mehr möchte. Ob es für eure Beziehung noch eine Chance gibt, weiß ich nicht. Es wäre auch verfrüht, sich darüber Gedanken zu machen. Wichtiger finde ich, dass du dich zuerst um dich kümmerst, und darum, dass es dir besser geht. Erst wenn du ihm wieder gefestigt und selbstbewusst gegenüber treten kannst, ist die Zeit für einen Neuanfang da. Wenn er einen möchte. Denn was das betrifft, solltest du dich nach ihm richten. Es wird dir nichts nützen, ihn unter Druck zu setzen - damit gewinnst du nicht, was du dir wünschst. Es wäre immer eine Unehrlichkeit dabei, eine Distanz, etwas Gezwungenes. Das möchtest du dem Jungen, den du liebst, doch ersparen - oder?

Wer auch immer dein zukünftiger Partner sein wird: Es ist wichtig, dass du deinen Hang, Schluss zu machen, ihn dir wieder zu holen, nicht als "Macke" abtust. Ja, es kommt vor, dass man im Streit das Handtuch wirft, oder lange nicht miteinander redet. Wenn aber wirkliche Liebe im Spiel ist, wenn beide noch wissen, was sie aneinander haben - dann kann man sich wieder zusammen raufen. Bei dir ist es so, dass du aufpassen musst, deinem Freund nicht mehr Stress zu bereiten, als er ertragen kann. Natürlich, wenn er dich liebt, dann sollte er auch aushalten können, wenn du mal launisch und sauer bist. Er muss sich auch mal was vorwerfen lassen, das ist richtig. Aber mehrfach Schluss machen, wieder kommen und beteuern, dass es besser wird, ist auf Dauer sehr frustrierend für ihn. Sicher gibt es auch Sachen, die er falsch gemacht hat - die kenne ich jetzt nicht, aber sicher hat es sie gegeben. In gewisser Weise ist das gut: Du hast auch gesehen, dass er auch eklig sein kann. Du wirst ihm nicht mehr blind hinterher laufen, sondern hast ein realistisches Bild von ihm. Daran zeigt sich deutlich, dass eben immer zwei dazu gehören. Eine Beziehung ist immer Geben und Nehmen, von beiden Seiten; beide müssen dazu bereit sein. Dein Freund muss sich beherrschen können, muss dich gut behandeln und, wenn es ihm nicht gelingt, sich entschuldigen. Du dagegen musst aufpassen, dass du ihn nicht mehr unter Druck setzt, als er vertragen kann. Wenn er gar nicht mehr richtig weiß, was die Beziehung zu dir ihm noch einbringt, außer ewigem Hin und Her - dann wirst du ihn verlieren. An diesen Punkt seid ihr gekommen. Sicher war auch er nicht ganz unschuldig daran, sicher kann man nicht allein von dir fordern, dass du etwas änderst. Trotzdem solltest du zuerst bei dir ansetzen, und dir überlegen, was in Zukunft anders laufen sollte. Darin einbegriffen ist auch dein Drang, ihn zu kontrollieren, oder das Kontaktverbot zu seiner Besten. Ob eure Beziehung weitergehen kann oder nicht, das ist etwas, das du lernen kannst, und von dem sich später profitieren lässt. Ich finde es klasse, dass du einsiehst, was nicht rund lief, und doch ist es nicht fair, dich innerlich so fertig zu machen. Auch du hattest deine Gründe - und auch du hast ein Recht, dich in deiner Beziehung wohl zu fühlen.

Du verlangst sehr viel von dir, wenn du alles auf einmal angehen möchtest: Abnehmen, Freunde finden, den Frieden zuhause wieder herstellen, beliebter werden... und so wie du dich gerade fühlst, wird dir das kaum gelingen. Ich glaube, dass zwischen all den Problemen ein Zusammenhang besteht: Vielleicht ist Essen für dich auch eine Art, Stress zu bewältigen, ich weiß es nicht. Aber zusätzlich zu der seelischen Belastung auch dort Abstriche zu machen, fällt schwer, das verstehe ich. Ich denke, der Schlüssel könnte sein, dass du versuchst, etwas ruhiger aufzutreten, und nicht alles sofort lösen zu wollen. Haben denn viele an deiner Schule mitbekommen, was mit deinem Exfreund lief, und was in den Beziehungspausen passiert ist? Wenn ja, hast du damit sozusagen "deinen Ruf weg". Du weißt natürlich besser, wie das alles gekommen ist, und dass man dich nicht zu Unrecht beleidigen darf. Ich auch - aber trotzdem: Du könntest deinen Standpunkt verbessern, wenn du dich im neuen Jahr zuerst auf die Arbeit konzentrierst, und versuchst, nicht mehr so sehr über die Stränge zu schlagen. Im Klartext heißt das: Deine Reaktionen bei Streit etwas mäßigen, versuchen, ruhige Worte zu wählen, auch mal nachzugeben - anstatt, dass du überreagierst. So war es ja auch bei deinem Exfreund. Denn so gut du es gemeint hast, und so groß dein Schmerz war: Du hast ihn eher abgeschreckt, als du ihm aufgelauert hast, und deine Tränen hast sehen lassen. Besser ist es, du lässt den Leuten auch Zeit, ihre Gedanken zu ordnen, und sich zu überlegen, was ihnen an dir liegt. Anders baust du einen Druck auf sie auf, dem sie sich irgendwann durch Abbrechen des Kontakts entziehen. Ich will damit nicht sagen, dass das gesamte Problem an dir liegt, und dass du dich nicht passend verhältst. Auch die Anderen haben eine Verantwortung. Trotzdem wird für dich kein Weg daran vorbei führen, Sticheleien auszuhalten, nicht immer sofort zurück zu schießen; und im Ernstfall lieber mit einem Lehrer zu sprechen, statt die Sache gleich in die Hand zu nehmen. Ob es wirklich Hass ist, was dich trifft, weiß ich nicht. Vermutlich sind viele Leute sehr zurückhaltend, vielleicht ängstlich, vielleicht voreingenommen, weil sie nicht wissen, was sie erwartet. Diese Unsicherheit versteckt sich hinter Ärgern oder Beleidigen, denn du hast es Anderen nicht immer leicht gemacht. Ich kann gut verstehen, wie es dazu kam, und dein Schmerz war berechtigt. Aber du wirst es nicht ändern, wenn du weiter mit dem Kopf durch die Wand möchtest.

Dass du schon zu einer Psychologin gehst, finde ich gut. Glaubst du, dass du deine Probleme mit ihr bearbeiten kannst? Ich muss gestehen: Ein Patenrezept besitze ich nicht, ich kann dir auch nur raten, was mir so einfällt. Weder wirst du es von jetzt auf gleich ändern können, noch wird es gehen, ohne dass du auch bei dir selbst ansetzt. Ich bin sicher, dass es für dich eine Zukunft gibt, und zutiefst ungerecht wäre, wenn du gehen würdest - ich kann dich nur darum bitten, dir nichts anzutun. Genauso wie es nicht ohne deine Mithilfe geht, an deinen Problemen etwas zu ändern, genauso bist du nicht verantwortlich für den Schmerz und den Selbsthass, den du empfindest. Genau genommen, ist überhaupt niemand dafür verantwortlich. Du hast dich sehr angestrengt, hast etwas Gutes gewollt, und bist dabei Opfer deiner eigenen, überkochenden Gefühle geworden. Das ist ehrenvoll, aber letztlich sind es die Umstände, in die du ungewollt geraten bist, die alles so schlimm werden ließen. Du wirst Freunde finden, aber am besten dann, wenn du dich selbst mehr annimmst. Was liegt daran, ob du ein paar Kilos zuviel hast? Wenn man von "zuviel" sprechen kann. Denn manche Leute sind eben kräftiger, deswegen aber keineswegs hässlich. Du hast deine eigene, ganz besondere Schönheit, und dass Jungs sich für dich interessieren, zeigt dir ja, dass es so ist. So wie es viele verschiedene Frauen gibt, haben auch wir Männer ganz verschiedene Bilder, was schön ist. Wenn du dir stets sagst, du seist hässlich und fett, wirst du es nicht anders empfinden. Wenn es dir schwer fällt, davon zu lassen, dann lass dir von mir sagen: Du bist auch hübsch, du bist nicht hässlich. Beim Abnehmen, wie bei allem, was man tut, um schöner zu werden, gibt es eine wichtige Regel: Tu nichts, nur um den Anderen zu gefallen, obwohl du selbst dich nicht mehr wohl fühlst. Stell dir vor, du wärst so schlank, wie du möchtest - müsstest aber ständig darauf achten, ja kein Gramm zuviel zu essen? Was wäre das für ein Leben? Männer schätzen es genauso, wenn eine Frau ehrlich ist, zu ihrem Körper steht; wenn sie ihre Gefühle nicht versteckt und das Essen genießen kann, statt sich immer verrückt zu machen. Das alles sind sehr gute Eigenschaften, die du besitzt, und die dich liebenswert machen.

Ich hoffe sehr, dass das neue Jahr dir etwas mehr Liebe zu dir selbst geben wird. Etwas mehr Bewusstsein, dass du in Ordnung bist, schön und wert, zu leben und geliebt zu werden. Und wer auch immer dein Partner sein wird, das Glück in der Liebe wird so nicht lange auf sich warten lassen.

Frohe Weihnachten, Alles Gute und Liebe Grüße,

Paul