Problem von Robert - 20 Jahre

Keine Freunde/Freundin mit 20

Hallo Community!

Ich habe lange überlegt, ob ich mich mit meinem Problem wirklich an jemanden im Internet wenden soll, da ich nicht einmal genau weiß, wo genau das Problem liegt. Ich erwarte keine Lösung, sondern vielleicht nur einen gutgemeinten Ratschlag. Darüber wäre ich schon dankbar. Ich würde mich auch nicht an euch wenden, wenn ich jemanden hätte mit dem ich darüber sprechen könnte. Genau das ist das Problem.

Ich habe keine Freunde. Seitdem ich durch die Pubertät durch bin (ca. seit 5 Jahren) hatte ich nie richtige Freunde, geschweige denn eine Beziehung.

Und es macht mich fertig, jeden Tag zu sehen wie die Welt und mein eigenes Leben an mir vorbeiziehen. Wie die Jahre vergehen, ohne dass etwas passiert. Ich habe Angst mein Leben zu zerstören, es nutzlos zu vergeuden.

Natürlich habe ich mir über die Ursachen Gedanken gemacht. Als Kleinkind war mein zu Hause die Kinderabteilung des Krankenhauses. Und das ist nicht übertrieben. Tatsächlich sehe ich das Krankenhaus vor mir, wenn ich versuche mich an diese Zeit zu erinnern. Ich war unterentwickelt, klein und krank. Die ersten Jahre meines Lebens waren ein Überlebenskampf. Meine Eltern erzogen mich streng und so legte ich bereits im Alter von 3 bis 4 Jahren eine wahnsinnige Disziplin und Ernsthaftigkeit an den Tag. Ich hatte kaum Kontakt zu anderen Kindern und um mich herum kannte ich nur Erwachsene, hauptsächlich Ärzte.

In Kindergarten- und Grundschulzeit wurde ich heftig gemobbt. Meine Ernsthaftigkeit stieß logischerweise auf Unverständnis und so wurde ich immer schüchterner und zurückgezogener. Nicht zuletzt war ich der kleinste und schwächste, und mit dem kann man’s halt machen. Außer mit meinem kleinen Bruder verstand ich mich kaum mit jemandem.

Mein fehlendes Interesse an Fußball, Yu-Gi-Oh-Karten und Kampfkreiseln machte mich nicht unbedingt beliebter. Auf der Realschule dann, fand ich ein, vielleicht zwei Freunde, mit denen ich auch ab und zu was unternommen hab (z.B. Zelten, Grillen, Tischtennis, PC-Spiele).

Doch als es dann mit 15/16 anfing, dass Leute zu Partys, Diskos und Festen gingen, ordentlich Alkohol tranken und anfingen zu rauchen kam der Schnitt ab dem alles Bergab ging. Ich machte einfach nicht mit. Die strenge Erziehung meiner Eltern und meine eigene Disziplin griffen und so weigerte ich mich Alkohol anzurühren. Zigaretten sowieso.

Ich habe einfach keinen Sinn darin gesehen plötzlich das zu machen, wovon mir jahrelang gewarnt wurde: Alkohol ist eine Droge! Es ist schlimmes Zeug! Es macht abhängig! usw.
War das alles nichts mehr wert? Wieso ist Alkohol mit 15 ein Verbrechen und mit 16 ein Genuss? Fragen, die ich mir damals stellte.

Doch ich war abserviert. Ich war das Arschloch der Klasse. Keiner konnte mich leiden. Ich wurde nur ein einziges Mal zu einer Geburtstagsparty von einem Schulkollegen eingeladen. Danach nie wieder. Bis heute. Damals habe ich an einem Schülerprojekt in Leipzig mitgearbeitet und dort das einzige Mädchen kennengelernt, dass mich leiden konnte. Zum Abschied hat sie mich umarmt. Das erste und bisher einzige Mal, dass ich ein Mädchen im Arm hatte. Das war Mitte 2010. Soviel zu meinem Sexualleben.

Seitdem hat sich kaum etwas geändert. Ich habe nur Bekannte, keine Freunde.
Mit 18 habe ich angefangen im Internet nach jemandem zu suchen, mit dem ich schreiben kann, eigentlich nur so zum Spaß. Daraus entwickelte sich eine Brieffreundschaft zu einem Mädchen aus Australien – und eine ständige „1“ als Note in Englisch. Sie findet mich im Gegensatz zu allen, die mich persönlich kennen, total nett und süß. Und ich könnte wetten, wenn sie mich erst gesehen hätte, wär alles anders.

Eine andere Sache ist, dass ich das Gefühl habe nicht in diese Gesellschaft zu passen. Vor zwei Wochen zum Beispiel, als wir uns als Schulklasse ein echt gutes und gelungenes englischsprachiges Theaterstück angesehen haben. Der Großteil hat sich später darüber lustig gemacht und die Vorstellung als „dumme Zeitverschwendung“ tituliert. Ich konnte es wieder nicht verstehen. Warum bin ich so anders? Ich kapiere nicht was so toll daran ist sich in der Freizeit die Birne voll zu kippen. Ich mache mich wo es nur geht unbeliebt. Und mein Selbstwertgefühl ist im Keller. Währenddessen hängen mir meine Eltern in den Ohren, warum ich mich nicht in die Dorfgemeinschaft integrieren würde.

Die Dorfgemeinschaft, mit wenigen Ausnahmen, ein Haufen Landeier, deren schönstes Erlebnis es ist mit dem Trecker zum Schützenfest zu fahren. Meine Eltern hatten mich so gedrängt, dass ich nun seit 2 Jahren Mitglied der örtlichen Freiwilligen Feuerwehr geworden bin. Gefallen tut es mir dort nicht, obwohl ich die Arbeit der Feuerwehr hoch schätze. Es liegt hauptsächlich an den anderen Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die mich nur mit dummen Sprüchen belagern und mich zu mehr Alkohol drängen.

Hinzu kommt, dass ich eine nicht behandelbare Augenkrankheit von meiner Mutter vererbt bekommen habe, die mich wahrscheinlich mit 40 Jahren fast erblinden lässt (meine Mutter hat nur noch 5% Restsehstärke). Ich muss mein Leben irgendwie ändern. Ich will nicht so erblinden. Nicht mit diesem Leben.

Deshalb habe ich mir auch das Ziel gesetzt 2016 mit dem Auto zum Nordkap aufzubrechen und nur mit einem Zelt und Ausrüstung die Freiheit der Natur fern von der Heimat zu erfahren. Für einen Monat nach Lappland, wovon ich schon immer geträumt habe. Ich will diese Landschaft SEHEN, bevor es nicht mehr geht. Natürlich nicht allein. Am besten mit meinem Bruder, der mir wie ein guter Freund ist. Aber eben nur wie. Das ist überhaupt so: Nur draußen in der Natur bekomme ich wieder einen klaren Kopf. Ich erhoffe mir einen Sinneswandel oder sowas, wenn es auch ein bisschen abwegig klingt.

Das ich keine Freundin habe, könnte auch daran liegen, dass ich nur 1,67 m groß und sehr hager bin. Ich wirke wie ein Zwerg neben meinen Schulkollegen. So wird man natürlich nicht für voll genommen, zumindest nicht von Mädchen bzw. jungen Frauen, die ja auch ihre Ansprüche ans Äußere des Mannes haben. Und ohne Freude kann ich natürlich auch nie eine Freundin kennenlernen. Überlegt mal, sie würde herausfinden, dass niemand mit mir befreundet ist. Sie würde denken ich bin ein Psycho oder sowas.
Und auch, dass ich noch nie eine Freundin hatte ist eher hinderlich. Stellt euch mal vor ein Mädchen trifft einen 25-jährigen Mann und der sagt ihr: Du bist die erste Freundin in meinem Leben. Ich glaube, wenn sie bis jetzt noch nicht weggerannt ist, wird sie es spätestens jetzt machen. Außerdem stelle ich Frauen immer extrem auf ein Podest. Mir würde es nicht einmal im Traum einfallen ein Mädchen blöd anzumachen (selbst wenn es nur scherzhaft ist). Ich kann kaum mehr als ein paar Sätze mit Mädchen aus meiner Klasse reden. Ich weiß, Mädchen sind auch nur Menschen (gut wie schlecht), aber irgendwie habe ich da so eine Blockade. Sie sind halt was Besonderes für mich. Und ich bekomme jedes Mal eine Riesenkrawatte, wenn ich sehe mit was für Idioten und Machos manche Mädels zusammen sind. Ganz ehrlich, solchen Typen sieht man quasi an, dass sie jedes halbe Jahr ne Neue haben. Dagegen hoffe ich auf die echte Liebe. Ich würde alles für sie tun wenn es sein müsste. Doch die Hoffnung schwindet von Jahr zu Jahr.

Ich wünschte ich könnte mein Leben nochmal zurückspulen und neu beginnen.
Mein Alltag besteht aus Schule, Bücher lesen, am PC zocken, Musik hören, Filme gucken und mit meiner platonischen australischen Freundin chatten. Echt trostlos hier.

Die Sache ist die: Wenn ihr mir raten wollt, wegzuziehen, dann geht das nicht. Ich werde im Sommer 2015 im 4 km entfernten Rathaus eine dreijährige Ausbildung anfangen. Also mindestens die nächsten 3 Jahre muss ich zu Hause bleiben. Und dieser Loser-Ruf im Ort ist jetzt halt da.

Ich hoffe auf einen kleinen Ratschlag.
Vielen Dank, wenn ihr das alles ernsthaft gelesen habt.

Robert

Romina Anwort von Romina

Lieber Robert,

danke für dein Vertrauen in den Kummerkasten. Du klingst sehr vernünftig und sehr reflektiert, viel "weiter entwickelt" als viele andere in deinem Alter. Genau darin besteht womöglich dein Problem. Du passt nicht rein, weder in die Klassen- noch in die Dorfgemeinschaft. Du bist anders. Kein Mainstream. Und weißt du was, das finde ich gut! "Normal", also so wie die Masse, sind alle. Du bist etwas Besonderes. Und es gibt auch andere Leute, die so sind wie du. Du musst sie nur ausfindig machen. Sowohl um Freunde zu finden als auch um eine Freundin zu finden. Wegen deines Alters brauchst du dir übrigens keine Sorgen zu machen, ich kenne einige, die in deinem Alter noch keine Beziehung hatten. Was wird deiner zukünftigen Freundin wohl lieber sein? Die Erste für dich zu sein oder die Fünfte?
Es gibt Mädchen, die auch weder rauchen noch trinken, die nicht mit den von dir beschriebenen Typen anbandeln, die auch auf der Suche nach der echten Liebe sind. Und genau diese Mädchen sind auf der Suche nach Jungs wie dir. (Und dabei spielt deine Körpergröße ganz bestimmt keine Rolle)

Das Problem ist nur: Man findet sich nicht so leicht, wenn man "anders" ist. Die "Mainstream"-Leute findet man leicht, auf Partys, bei der Feuerwehr usw. Aber wo findet man die "anderen"?
Eine gute Voraussetzung für eine funktionierende Beziehung (bzw. Freundschaft) sind ja bekanntermaßen gleiche Interessen. Ergo solltest du dir dringend ein Hobby außerhalb der Feuerwehr zulegen. Und zwar ein Hobby, das sozialen Kontakt impliziert, aber nicht übers Internet!
Wenn du im Dorf schon deinen Ruf weg hast (wobei es bestimmt jemanden gibt, der dich trotzdem toll findet), könntest du es in der nächstgrößeren Stadt versuchen. Dafür musst du ja nicht wegziehen. Was du machst, ist ganz egal, hauptsache, es macht dir Spaß und du hast Kontakt zu Leuten. Du könntest einen Sport anfangen, in einem Chor singen, Theater spielen, dich sozial oder politisch engagieren... Die Möglichkeiten sind endlos.

Ich kann mich in manchen Bereichen gut mit dir identifizieren, um das gewöhnliche "Partyleben" mache ich auch einen Bogen. Aber ich habe übers Theaterspielen Leute gefunden, die zu mir passen, bei denen ich dachte "hey, die sind ja wie ich!".
Dieses "Ankommen" wünsche ich dir auch. Und es ist möglich, da bin ich mir ganz sicher. Überleg mal, was dich interessieren könnte, probiere vielleicht verschiedene Sachen aus.

Was deine Chancen bei Mädchen betrifft, kann ich dich wirklich beruhigen.
Diejenigen, die eine richtige Beziehung wollen, legen nicht nur Wert aufs Aussehen. Natürlich spielt es eine Rolle, aber schön ist, was man liebt, wie es so schön heißt. Und wenn sich ein Mädchen in dich verliebt, weil du sympathisch, freundlich, intelligent und zuverlässig bist, einige ihrer Interessen und ihren Humor teilst, wird diese Beziehung sehr viel beständiger sein als wenn sie nur dachte "Oh, sieht der aber gut aus!".

Jetzt noch zu deiner Augenerkrankung: Das ist eine schlimme Sache, aber ich finde es gut, wie du damit umgehst. Dass du dich aufrütteln lässt. Dass dich deine Erkrankung motiviert, mehr aus dem Leben herauszuholen.

Der erste Schritt um dein Leben zu ändern ist getan. Du hast erkannt, dass du nicht zufrieden bist und etwas ändern möchtest.
Ich hoffe, ich konnte dir ein bisschen weiterhelfen und dir Mut für den nächsten Schritt, nämlich die Umsetzung, machen.

Ich wünsche dir alles Gute.

Liebe Grüße

Romina