Problem von Melli - 15 Jahre

Helfersyndrom?

Hallo mal wieder liebes KuKa-Team
Ich weiß nicht ob eine andere mail ankamm weil ich die vom Handy ausgeschickt habe und das ist jetzt auch schon bewältigt worden.
Nunja ihr fragt euch doch bestimmt wieso ich jetzt Helfersyndrom? schreibe?
Nunja ich wollte es jemanden in meiner Familie erzählen also alles was ich schon durchmachen musste dies hab ich ja schon vor wenigen Wochen euch geschrieben. Noch mal danke an Paul :).
Nunja ich wante mich zu meiner Schwester, zum einen mag ich sie von meiner Familie am meisten und zum anderen macht sie bald ein Studium zur Sozialpädagogin. ( Will ich auch mal werden ) Ich schrieb mit ihr auf whats app sie war echt traurig und besorgt und meinte ich hätte im nicht negativen Sinne einen Schuss. Das mich überrascht hat. Naja irgendwann verabschiedeten wir uns. Wir sahen uns im Kino wieder wo meine meiste Familie da war sprich Partin und versammelte Manschaft. Dann ging ich zu ihr nach hause und wir unterhielten uns ein bisschen humor war auch dabei aber trotzdem zugleich ernst. Sie beruhigte mich auch als sie sagte das sie mal mit meiner Mutter auf das Thema schwul lesbisch und bi gekommen ist den meine Mutter hat nichts dagegen sie fänd es nur schade weil sie gern Enkel hätte. Meiner Schwester ist nach den fragen die sie mir gestellt hatte aufgefallen das ich mich echt vernachläassige den ich kümmere mich anscheind mehr um die Probleme anderer als meine. Das brachte mich zum nachdenken und ging ins Internet um mich darüber schlau zu machen. Ich fand viel was mich ansprach. Fast alles traf zu. Ich nehme Dinge die mich beruhigen bin manchmal echt Derpressiv. Ich kümmer mich nicht um mich sondern nur für andere. Ich möchte oft helfen auch wenn niemand will. Ich fühl mich dadurch wichtig und finde das ist der Sinn meines Lebens. Anderes macht mich nicht glücklich. Dann hab ich noch einen Online Test gemacht. Man kann 110 Punkte erreichen und ich hatte 90. Also 110 heißt, man hat das Syndrom. Aber ich bin mir trotzdem nicht sicher. Denn ich vertrau online Test nicht soo. Bitte könnt ihr mir helfen
LG
Melli

PaulG Anwort von PaulG

Liebe Melli,

nichts zu danken :) Zunächst einmal freut es mich, dass du ein gutes Gespräch mit deiner Schwester hattest, und dir die Angst etwas genommen wurde. Deine Mutter scheint die Einstellung zu dem Thema zu haben, die wir beide wünschenswert finden. Es ist wohl nie ganz einfach für Eltern, das von ihrem Kind zu erfahren, aber die Basis ist ja gelegt. Wenn sie schon jetzt positiv eingestellt ist, kann sich das im Grunde nur bessern.

Zu deiner Frage nach dem Helfersyndrom: Vielleicht beschreibe ich mal meinen Eindruck von dir, den ich nach deinen bisherigen Zuschriften hatte. Mir kam es auch vor, dass du sehr hin- und her gerissen warst zwischen deinem eigenen Schmerz, und dem Wunsch, die Anderen durch deine Probleme nicht zu belasten. Daher war es auch ein Anliegen von mir, dich zu ermutigen, auf Anerkennung und Hilfe für deine Probleme zu bestehen. Wenn sie nämlich nicht gelöst werden, ist auf Dauer ja niemandem geholfen, denn sie werden immer größer, und lassen sich irgendwann nicht mehr verbergen. Insofern stimmt es tatsächlich: Du bist sehr bemüht, andere Menschen nicht über Gebühr in Anspruch zu nehmen, und neigst möglicherweise dazu, deine eigenen Bedürfnisse hintenan zu stellen.

Ob das allein ein Helfersyndrom macht, kann ich nicht sagen. Meiner Meinung nach sollte man solche Online-Tests immer mit Vorsicht genießen, auch wenn eine medizinische Einrichtung oder Universität sie zur Verfügung stellt. Diagnosen sind im Endeffekt nur ein Hilfsmittel, das Menschen erfunden haben, um das, was sie sehen, einordnen und benennen zu können; keine Diagnose, zumindest nicht im psychologischen Bereich, kann tausendprozentig die Wirklichkeit wiedergeben. Und genauso sind keine zwei Leute, die dieselbe Diagnose teilen, auch nur annähernd gleich (ist ja auch sonst nie der Fall). Das bedeutet, du hast Recht, dem Test nicht völlig zu vertrauen. Für mich tut sich hier die Frage auf: Braucht es eigentlich eine Diagnose - also eine, die ein Test bestätigt hat, oder ein Arzt ausgesprochen? Unter dem Begriff "Helfersyndrom" verstehe ich eigentlich nicht unbedingt was Problematisches. Ich glaube, es steht dir frei, dich mit diesem Wort zu beschreiben, wenn du das möchtest. Wer ein solches "Syndrom" hat, ist wohl einfach jemand, den das Leid Anderer niemals kalt lässt, und der oder die unterstützend eingreifen möchte, wo es nur geht. Das kann sich auf viele Arten äußern, und ist an sich nichts Schlimmes, finde ich. Dein Wunsch, Sozialpädagogin zu werden, deutet vielleicht in diese Richtung. Man könnte aber auch einfach sagen, dass du eine sehr einfühlsame, nachdenkliche und dabei selbstkritische junge Frau bist, die den Wunsch hat, ihren beruflichen Werdegang anderen Menschen mit Problemen zu widmen. Die Gefahr, dass man die Probleme Anderer zu sehr zu seinen eigenen macht, und sich mit zuviel Arbeit belädt, ist dabei immer gegeben. Sie lässt sich nur schwer an einem solchen Begriff festmachen, und mit dieser Neigung zur Aufopferung umzugehen, wird dir dein Studium und Beruf sehr schnell vermitteln.

Vielleicht kann ich dir einen anderen, und wie ich finde, schönen Begriff mitgeben: "Altruismus". Der Altruismus bildet das Gegenteil zum Egoismus, er ist ein "Für-Andre-leben" statt einem "Nur-für-sich-leben". Dass du sehr geneigt bist, auf die Menschen um dich herum Rücksicht zu nehmen, wo es nur möglich ist, und große Skrupel hast, auf deinen eigenen Schmerz zu bestehen, haben deine Zuschriften durchaus gezeigt. Für dich wäre es wichtig, einen Mittelweg zu finden. Denn, wie man nur immer wieder sagen kann: Bevor es einem nicht selbst halbwegs gut geht, ist man schlecht in der Lage, Anderen beizustehen. Man sollte sich vorneweg selbst das Nötige Gute tun, um sich wohl zu fühlen, und Kraft zu tanken. Es braucht einen Ausgleich; denn wenn man sich durch die vielen Probleme, die man auf sich nimmt, aufzehren lässt, nimmt man den Leuten doch sich selbst. Und das wäre schade, oder? Ich wünsche dir, dass du deinen Weg findest, und deine Wünsche und Pläne verwirklichen kannst. Vielleicht darf ich an dieser Stelle bemerken, dass man deinem Text sehr anmerkt, dass du dich stabiler fühlst als vor kurzem: Du hast dich immer sehr deutlich geäußert, aber ich habe das Gefühl, dass du im Moment sehr strukturiert und überlegt an die Sache heran gehst. Mehr, als es noch vor einiger Zeit der Fall war. Das deutet auf eine grundsätzliche Fähigkeit hin, dich selbst aufzufangen, und auffangen zu lassen, und keine geringe. Bessere Kompetenzen kannst du für deine Ziele nicht mitbringen - das hast du dir hier selbst bewiesen.

Alles Gute und Liebe Grüße,

Paul