Anwort von PaulG

Lieber Anonymer,

du merkst, wohin der Hase läuft? Der freundschaftliche Kontakt klappt nicht so, wie du es dir vorgestellt hast. Das soll kein Vorwurf an dich sein; die Trennung voll und ganz zu akzeptieren, dauert lange. Es sagt sich so leicht "Du musst...", man kann es nicht auf Knopfdruck schaffen. Was du allerdings tun kannst, ist, dich so einzurichten, dass es dir gelingen kann. Ich glaube dir, dass du dir klarer wirst, wie eure Chancen sind. Aber dein Gefühl zur Zeit, wäre ganz unbegreiflich, wenn du nicht trotzdem noch stark an ihr hängen würdest. Auch wenn du rational weißt, dass kaum mehr etwas werden wird, brauchst du den Gedanken, die bessere Wahl zu sein. Das mag auch stimmen - aber du kannst das nicht ganz hinter deiner Selbstlosigkeit verbergen. Wenn du es dir bewusst machen willst, was du schreibst, dann kannst du vorerst wirklich keinen - oder sehr wenig - Kontakt halten. Es muss nicht für immer so bleiben, und es ist doch vorerst das Beste. Dass du kein Treffen mehr willst, geht in die richtige Richtung. Du schränkst deine Angriffsfläche ein. Vielleicht wünschst du es dir irgendwann wieder. Jetzt gerade solltest du von deinen Bemühungen, alles besser zu machen, und deinen Schmerz heldenmütig zu überspielen, Abstand nehmen.

Du musst dich nicht entschuldigen, dein Ärger ist verständlich. Sie hat sich von dir getrennt, du liebst sie noch, und sie hat schon den Nächsten am Start. Oder genauer gesagt, er ist vielleicht schon eine Weile ein Thema. Das tut verdammt weh. Das Problem ist jetzt folgendes: Du übst, ohne es zu wollen, auch Druck auf sie aus. Du möchtest gerne freundschaftlichen Kontakt mit ihr, zumindest vordergründig. Wenn du ehrlich bist, hoffst du aber noch immer darauf, dass sie zu dir zurückkehrt. Wenigstens ein bisschen. Daher fragst du auch, ob es einen anderen Jungen gibt. Und prompt: Ja, es gibt einen! Jetzt, da du das weißt, fühlen sich doch so viele Dinge wie eine Lüge an? Wenn nicht die ganzen letzten Monate? Und hier liegt die größte Gefahr für dich. Es mag schwer sein, aber sie hat nun einmal das Recht, zu treffen wen sie möchte. Zwar spricht es nicht gerade für sie, dass sie sich so schnell mit einem Anderen tröstet. Du wirst sie aber weder durch Wut, noch durch ein geheucheltes "Alles Gute für dich / euch" zurückgewinnen. Sie muss selbst merken, was sie an dir hatte. Dafür ist derselbe Abstand nötig, den auch du dringendst brauchst.

Versuche, eine Weile auf Distanz zu gehen. Das Letzte, was du jetzt brauchen kannst, sind auch nur die kleinsten Andeutungen, was sie und den anderen Jungen betrifft. Die winzigste Nahrung, die deine Fantasie erhält, ist Gift für dich. Wenn sie sich mit ihm treffen möchte, verhinderst du es nicht. Wenn sie mit ihm ins Bett geht, hast du leider auch das nicht in der Hand. Eher liegt hier noch eine Chance, dass ihr aufgeht, was du verglichen mit IHM bist. Doch diese Erkenntnis muss von ihr ausgehen. Und wenn sie dafür dieses Erlebnis braucht, kannst du es nicht abwenden. Je mehr du über sie hörst, je mehr du erfährst, was sie nach eurer Trennung so treibt, ohne dass dein Schmerz halbwegs abgeklungen ist, desto geringer wird die Hoffnung für einen Neuanfang. Desto schaler wird auch das Gefühl, das nach eurer Beziehung zurück bleibt. Wenn ihr jetzt wieder zusammen kämt, würdest du dich vielleicht fragen: "Was wird wohl der andere Typ mit ihr gemacht haben, was sie bei mir nicht zulässt?" Du wirst es nie erfahren! Aber um den Gedanken ertragen zu können, brauchst du Ruhe und Abstand. Er ist auch schon so schlimm genug. Gleichzeitig bedeutet alles Nachfragen von deiner Seite, so verständlich es mir ist, dass sie in Versuchung kommt, dir irgendetwas zu erzählen. Sich Sätze auszudenken, die so gar nicht ihrem Gefühl entsprechen, damit sie Ruhe hat. Und somit mehr und mehr dem Bild, das du von eurer Beziehung bewahrt hast, den Boden zu entziehen. Das mag erträglich sein, wenn die Trennung ein gutes Stück zurück liegt, und du nicht mehr so stark an ihr hängst. Doch im Augenblick hast du gar keine Chance, dich auch nur annähernd damit auseinander zu setzen, dass es vielleicht nichts mehr wird.

Es ist gut möglich, dass sie sauer ist. Aber ihr kommt gerade beide nicht umhin, euch nichts zu ersparen. Euer Problem ist der Anspruch, den ihr an euer Verhältnis habt: Ihr möchtet im Großen alles so belassen, wie es in der Beziehung war - nur dass es nicht mehr so heißt, ihr euch nicht mehr "Ich liebe dich!" sagt, und die Zärtlichkeiten bleiben lasst. Dieses Vorhaben ist edel, aber es kann noch nicht funktionieren, solange sie sich dir verantwortlich fühlt, und du lieber heute als morgen wieder ihr Freund wärst. Zumindest war es bis vor Kurzem so. Du musst einmal spüren, wie diese Leere, in die sie dich gestürzt hat, sich wirklich anfühlt. Das mag hart klingen, aber der Weg, den ihr im Moment beschreitet, ist der einfachere. Ihr wollt die Trennung so unspektakulär wie möglich gestalten, und nehmt euch damit beide die Möglichkeit, über Alternativen zu eurer Beziehung nachzudenken.

Heute ist Aschermittwoch. Eine gute Vorgehensweise wäre, zu verabreden: "So um Ostern kommen wir wieder ins Gespräch!" Brutal heftig, ich kann es mir vorstellen. Aber sollten in dieser Zeit wieder Gefühle für dich wach werden, dann machen eine oder drei Wochen Wartezeit mehr, den Braten nicht fett. Du kannst bei dir denken: "Ich kann dann immer noch ihr Freund werden, falls sie möchte - und falls sich nichts Neues ergibt", und sie "Ich habe Zeit - noch haben wir uns nicht so zerstritten, dass es keinen Kontakt mehr gibt. Wir reden wieder, und wenn er mich dann noch liebt, gibt es vielleicht eine Zukunft." Was natürlich auch davon abhängt, ob sie sich neu in dich verliebt. Gerade stehen die Zeichen anders. Ihr müsst euch beide gedanklich mit dem "Es ist vermutlich ganz aus" beschäftigen, dürft aber das tröstende "Wer weiß..." noch im Hinterkopf haben. Trotzdem, vor allem benötigt ihr Zeit und Abstand. Ihr seid gerade nicht bereit, soviel voneinander zu hören, was geeignet ist, vor allem dich zu verletzen. Du gewinnst auf Dauer mehr, wenn du dem Satz "Wir sind getrennt!" auch Taten folgen lässt. So, wie es jetzt läuft, leidest du wie ein Held oder Märtyrer, erreichst aber nichts. Und sie kann auch in keiner neuen Bindung glücklich werden, in die sie sich vielleicht begibt. Und sollte das passieren, dann wünschst du ihr doch Glück, oder nicht? Diese Großmut hast du, das ist toll. Aber vergiss dabei nie dich selbst. Ihr lauft Gefahr, in Streit und Unsicherheit auseinander zu gehen, was ihr euch bedeutet habt; das kann vermieden werden.

Keine Ursache, ich antworte dir gern. Es interessiert mich durchaus sehr, wie es für dich weiter geht. Wenn du also möchtest, dann schreib uns / mir gern weiterhin. Vorerst wünsche ich dir viel Kraft und Hoffnung, und vor allem Selbstachtung!

Liebe Grüße,

Paul

Hier verlinke ich deine bisherigen Zuschriften:

http://mein-kummerkasten.de/315500/Schluss-gemacht-zu-sehr-Freundschaft-in-der-Beziehung.html

http://mein-kummerkasten.de/315702/Trennung.html