Problem von Anonym - 18 Jahre

Schlechtes Gewissen meinen Eltern gegenüber

Hallo! Grosses Lob an euch,dass ihr die Zeit und Nerven für diese Arbeit aufwendet!
Nun zu meinem Problem..Dezember 2014 hab ich mir mein erstes Tattoo stechen lassen,kein Modemotiv oder was nur gefällt,es hat eine Bedeutung für mich und war gut durchdacht! Es ist picassoorientiert und sehr individuell. Die Menschen, die davon wissen mögen es und finden dass es zu mir passt, Kritik kam selten und wenn,stört sie mich nicht. Ich sehe generell etwas anders als die breite Masse aus: Dreadlocks,eigener Stil..Meine Eltern sind um die 55 Jahre,schlichtweg eine ganz andere Generation. Meine Mutter hat auf äusserliche Veränderungen meinerseits oft geschockt und impulsiv reagiert..Sätze wie"Du verschandelst dich immer mehr" oder "Was habe ich nur in der Erziehung falsch gemacht" fielen. Mein Freund ist grosser Tattoo-Fan,als er mit einem neuen am Arm ankam, meinte meine Mutter nur"Der weiss nicht, was er da tut". Ich habe wirklich sehr Angst ihnen mein Tattoo zu zeigen( auch wenn die Resonanz von älteren Menschen wie z.B. Grosseltern meines Freundes,welche tattoos eher negativ gegenüberstehen, sehr positiv ausfiel).Ich will meiner Mutter nicht schon wieder Sorgen bereiten,auch wenn ich eine gut verdekckbare Stelle gewählt habe. Ausserdem weiss ich einfach nicht ob ich stark genug bin, wieder Beleidigungen auf mich zu nehmen. Ich habe das Tattoo nun seit 3 Monaten und verstecke es vor meinen Eltern und doch weiss ich ganz genau, dass ich es ihnen irgendwann zeigen muss. Ich glaube, dass Ganze hat sich schon so dermassen in mein Unterbewusstsein gefressen, dass die Zweifel am schlechten Gewissen liegen. Ich informiere mich über Tattooentfernung und bin mir der Sache nicht mehr so sicher, obwohl ich es schön finde? Ich weiss, dass das Ganze ziemlich bescheuert klingt,aber ist es möglich, dass meine Psyche da mitspielt? Was ist los mit mir??

Bernd Anwort von Bernd

Hallo,
ganz so einfach, wie Du die Welt einteilst, ist sie nicht! Und Du lieferst ja selber die Beweise: Sagst einerseits:
"Meine Eltern sind um die 55 Jahre, schlichtweg eine ganz andere Generation."
Aber sagst auch:
"auch wenn die Resonanz von älteren Menschen wie z.B. Großeltern meines Freundes, welche Tattoos eher negativ gegenüberstehen, sehr positiv ausfiel".

Also vergiss es, auf Resonanzen zu reagieren!
Was gilt, ist nur Deine eigene Entscheidung!

Für mich (selber 60 Jahre alt und nicht tätowiert) gibt es einige Aspekte bei all den Versuchen, sich von der breiten Masse der Menschen absetzen zu wollen:
Mit Tätowierungen, die ihre Blutgruppe beinhalteten, setzten sich SS-Soldaten vom Rest der Menschheit ab.
Wenn man weiter zurück schaut auf die Tradition der Tätowierungen, findest Du Dich in der Südsee, und sogar dem alten Ägypten wieder.
Ob die Tätowierungen der Seeleute dazu gestochen wurden, um einen Ertrunkenen als Christen identifizieren zu können, wenn er dann wieder gefunden wurde, oder ob Gefängnisinsassen und Gangmitglieder mit den Bildern ihre Zugehörigkeit und ihren Rang in der Organisation anzeigen:
ich finde es nicht einfach, sich durch solche Bilder von einer Masse abzusetzen, ohne sich gleich in einer anderen Gruppe wiederzufinden!

Dein Ding scheint es zu sein, Dich eigentlich nicht nur absetzen, sondern auch irgendwie Deinen eigenen Standpunkt positiv zum Ausdruck bringen zu wollen?
Verfilzte Haare und anderes kann man ändern.
Ablegen, wie eine eigene Einstellung, die nun nicht mehr zu mir passt.
(Brauchst Dir dazu nur die ganze Riege meiner Altersgenossen anzuschauen, die mal sehr provokant begonnen hatten und nun (ein Menschenalter später) von einer sehr angepassten Politikrente über ihre damaligen Intentionen nun lächeln und einfach ablegen, wie eine unzeitgemäße Haarpracht.
Vom Grund her bedeutet für mich ein Tattoo, dass es einen Teil der Persönlichkeit beinhaltet, den man von sich aus freiwillig niemals mehr ändern will.
Etwas wie ein "Brandzeichen"!

Das bedeutet für immer:
"Das bist Du"!
"Dazu gehörst Du"
"Von dem willst Du Dich niemals mehr lossagen"!



Wenn du also z.B. den Treueeid eines Ehepaares verewigen willst, braucht es keine Ringe, die man abstreifen und verlieren kann. Keinen Priester und keine teure Feier, die man nur in dem Augenblick genießt, in dem es geschieht:
es reicht doch ein einfaches "Brandmahl"?
Das hält vielleicht eher von einer vorschnellen Trennung/Scheidung ab?

Was ich Dir sagen will?

Ein Tattoo sollte (wie ein Brandzeichen) etwas sein, wozu Du ohne Wenn und Aber selber stehst!
Nicht aus einer spontanen Idee heraus!
Was bedeutet das?
Du solltest nicht nur Deinen Eltern, sondern auch noch Deinen Kindern erklären können, warum Du nicht anders konntest, als Dich mit dem Brandmahl "schmücken" zu müssen.

Und solange Du das kannst, will ich Dir in Deiner Entscheidung auch gerne folgen! Ohne Bedingungen!

Was für mich auch heißt: Wenn Du Dir nun schon Gedanken darüber machst, wie Du es Deinen Eltern "verkaufen" sollst?

Deinen Eltern solltest Du Dich niemals "verkaufen" müssen:
Du erklärst Dich ihnen und sie müssen Dich annehmen und sollten Dich verstehen können!

So verlangt es unsere Natur :-)

Alles Liebe,

Bernd