Problem von Selina - 17 Jahre

An Stephanie

Hallo. Ich bin es schon wieder... (die, die sich Krankheiten und Verletzungen wünscht)
Ich denke ich habe den Stein ins rollen gebracht. Und zwar war ich mal beim arzt und habe meiner ärztin von den meisten meiner Probleme erzählt. Diese gab mir eine Überweisung zum Psychologen bei dem ich auch mitte mai einen termin gemacht hab. Ich habe dann auch meiner Schwester von ein paar meiner probleme erzählt weil ich jemanden zum reden brauchte als ich mal wieder abends weinend im bett lag... meine schwester hat dann meinen Eltern alles erzählt! Die haben dann andauernd gesagt das ich doch mit ihnen über alles reden könne und warum ich denn nichts gesagt habe... jetzt kommen sie immer wieder zu mir und fragen ob alles ok sei (das nervt) und wenn man sagt das alles ok ist und nur n bisschen traurig ist, denken sie wieder das ich mich gerade in einem psychischen tief befinde...
Ich kann meine schwester schon ein bisschen verstehen das sie es meinen Eltern erzählt hat. Die ganze sache hat sie sehr belastet und sie dachte zwischenzeitlich auch das sie schuld an der ganzen sache hat. (Das hat mich echt traurig gemacht. ) ich habe ihr halt auch nur gesagt das ich mir ab und zu Verletzungen wünsche und n bisschen ritze. Davon das ich manchmal nichts esse etc. weiß niemand etwas. Das macht mich echt fertig. Wenn ich etwas esse bin ich deprimiert das ich etwas gegessen habe. Dann hasse ich mich selber. Dann esse ich weil ich traurig bin und dann bin ich nur noch mehr sauer auf mich selbt. Beim ritzen werden die schnitte zwar auch immer kürzer aber auch immer tiefer. .. naja...
Und wegen meiner Ausbildung. .. man kann den Kindergarten zwar mitten im jahr wechseln, aber ich glaube ich ziehe das durch... nach dem Schuljahr wechselt man den Kindergarten eh... und ich möchte nicht aufgeben. .. denn wenn ich aufgebe bin ich schwach. Und eigentlich ist das einzig schlimme in dem Kindergarten auch nur meine anleiterin (also die, die mich dann auch bewertet) und die andere Praktikantin die da auch für das Jahr ist. Sie ist eigentlich auch nur schlimm weil sie zu denen gehört die mich mehrere Jahre immer mal wieder gemobbt haben...
Naja... ich ja nicht mehr so lange bisich in einen neuen Kindergarten kann...
Liebe Grüße, Selina

Anwort von Stephanie

Liebe Selina,

ich freue mich sehr darüber, dass du mir noch einmal geschrieben hast und mit erzählt hast, was sich in der Zwischenzeit bei dir alles getan hast!

Zunächst möchte ich dir sagen, dass ich es ganz toll finde, dass du den Mut aufgebracht und dich deiner Ärztin anvertraust hast. Wie ich mir vorstellen kann, hat dies das mit Sicherheit eine Menge Überwindung gekostet. Umso stolzer kannst du nun auf dich sein. Denn du hast den ersten Schritt gemacht! Die erste Etappe ist nun geschafft! TOLL! Ich bin wirklich sehr stolz auf dich, liebe Selina! :)

Du schreibst, dass du mit deiner Schwester über deine Probleme gesprochen hast und sie sich euren Eltern anvertraut hast. Im ersten Moment kann ich mir vorstellen, dass du anfangs sicherlich nicht ganz begeistert und -vielleicht- auch wenig enttäuscht von deiner Schwester warst. Doch du weißst, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hat, indem sie mit euren Eltern darüber gesprochen hat. Denn weißst du: Sie hat es in keinster Weise böse mit dir gemeint und wollte dich nicht verpetzen. Sie macht sich Sorgen um dich & um deine Gesundheit. Denn auch, wenn Geschwister sich manchmal streiten und Meinungsverschiedenheiten haben: Letztendlich ist man eine Familie und hält zusammen - in guten, sowie in schlechten Zeiten. Und deine Schwester hat gemerkt:
"Ja, ihr geht es zurzeit sehr schlecht, alleine kann ich ihr nicht helfen". Und dann hat sie etwas getan, was ein sehr großer Beweis dafür ist, dass sie dich liebt. Sie hat nicht weggeschaut und damit signalisiert, dass sie dir helfen will! Sie möchte, wie viele andere Menschen auch, dass es dir gut geht und du wieder glücklich wirst.
Und auch deine Eltern zählen dazu. Sie waren mit Sicherheit im ersten Moment irritiert, als sie hörten, wie es innerlich in dir ausschaut, weil ihnen das Ausmaß deiner Verletzungen nicht bewusst war. Und dieses Verhalten zeigen sie auch jetzt auf. Sie sehen, dass es dir in bestimmten Situationen nicht gut geht und fragen nach. In deinen Augen ist dieses Verhalten vielleicht manches Mal ein wenig übertrieben und in etwas viel hineininterpretiert, doch sie möchten dir damit nicht auf die Nerven gehen, glaube mir. Sie machen sich nur Sorgen. Sorgen um ihre Tochter, um das was sie lieben.

Und auch ich mache mir große Sorgen um dich. In dir drin spürst du diesen großen Schmerz, der verdammt doll weh tut. Und diesen Schmerz versuchst du durch das Ritzen zu unterdrücken. Hinzu kommt, dass du dich nicht unterkriegen lassen möchtest und dranghaft versucht, die Macht zu gewinnen. Und dies signalisiert du, indem du hungerst. Denn du merkst durch das Hungern, dass du deinen Körper im Griff hast. Doch dem ist nicht so. Du schädest deinem Körper nur. Vielleicht denkst du, dass es dir jetzt im diesem Moment gut tut, aber wie soll das in Zukunft sein? Und ich bin mir sicher, dass du auch weißst, dass das, was du gerade machst, nicht in Ordnung ist. Denn liebe Selina: Du bist sehr intelligent! Ich wünsche mir einfach sehr, dass du das auch weißst! Es wird nichts bringen, wenn ich dir sage: Bitte, höre auf. Dafür tut alles viel zu sehr weh. Aber ich würde mir wünschen, wenn du über meine Gedanken einmal nachdenkst.

Ich finde es toll, dass du ein Ziel hast und weißst, dass du es durchziehen möchtest. Du schreibst, dass aufgeben heißst, schwach zu sein? Doch ist das wirklich so? Ist man schwach, wenn man einsieht, dass das, was man gerade macht, keine Perspektive hat? Muss man immer stark sein? Wem muss man beweisen, dass man stark ist? Liebe Selina: Es ist nicht wichtig, anderen etwas zu beweisen, sondern glücklich mit sich und seinem Leben und sein. Und wenn man merkt, dass der Weg, den man zurzeit geht, nicht erfolgsversprechend ist, nicht das kein Aufgeben, sondern zu beweisen, dass man stark ist.

Du schreibst, dass in dem Kindergarten eine Praktikatin ist, die dich auch schon einmal gemobbt hat? Ich bin keine Psychologin, aber ich sehe schon einen Zusammenhang. Mobbing tut weh. Da sind Menschen, die einen ganz tief in der Seele treffen. Und dies tut weh. Sehr weh sogar. Stell dir vor: Ein kleines Kind fällt hin und hat eine Schramme am Arm. Es tut weh, doch diese Verletzung kann man innerhalb weniger Sekunden heilen. Eine innerliche Verletzung nicht. Dies benötigt seine Zeit. Und indem du sie jeden Tag siehst, wirst du daran erinnert, wie schlimm diese Zeit für dich war. Das wühlt auf und lässt dich nicht zur Ruhe kommen. Ich finde dies sehr problematisch. Was ich dir damit sagen möchte: Ich möchte auf gar keinen Fall, dass du deine Ausbildung abbrichst oder nicht mehr in den Kindergarten gehst, aber ich möchte auch nicht, dass du unglücklich bist. Ich würde mich wirklich sehr freuen, wenn du es schaffst, weiterhin in den Kindergarten zu gehen und dich nicht unterkriegen zu lassen. Aber bitte verspreche mir, dass du dich nicht kaputt machen lässt, okay?

Du schreibst, dass du Mitte Mai einen Termin bei einem Psychologen hast - das ist super! Aber bitte verspreche mir eins: Sollte es in der Zwischenzeit sehr weh tun und du hast den Drang, etwas zu tun, was dir sehr weh tun würde, bitte spreche mit deinen Eltern oder einer anderen Vertrauensperson und mache es nicht mit dir selbst aus? Versprichst du mir das? Denn du bist NICHT egal!
Ein offenes Ohr findest du außerdem bei der Telefonseelsorge unter:
0800/111 0 111 oder 0800/111 0 222 (Anruf ist kostenfrei).
Wichtig ist nur, dass es dir gut geht!

Zum Schluss habe ich noch tollen Songtext für dich. Ich hoffe, er gefällt dir! :)

Du bist meilenweit bis hierher gegangen
Deine Geduld ist am Ende
Du bist schon so gespannt
Es ist wirklich nicht mehr lang
Das Ziel vor deinen Augen zieht dich magisch an
Sie trauen es dir zu,
Aber glauben nicht daran
Ich weiß, dass du es schaffen kannst

Das ist dein großer Moment
Du machst dir das größte Geschenk
Und du hast nichts zu verlieren
Du kannst nur gewinnen

Auch wenn du selbst noch nicht glaubst
Du hast wirklich Alles was man dazu braucht
Und du hast nichts zu verlieren
Du kannst nur gewinnen

Der ganze Scheiß von gestern
Spielt doch heute keine Rolle mehr
Und die verlorene Zeit zurück zu holen
Wär’ doch auch die Mühe nicht wert
Ich weiß dass das nicht möglich ist
Aber nur bis es einer riskiert
Auch wenn es diesmal nicht gut geht
Dann hast du’s wenigstens probiert

Das ist dein großer Moment
Du machst dir das größte Geschenk
Und du hast nichts zu verlieren
Du kannst nur gewinnen

Auch wenn du selbst noch nicht glaubst
Du hast wirklich Alles was man dazu braucht
Und du hast nichts zu verlieren
Du kannst nur gewinnen

Gib Alles, was du hast, aber gibt nicht auf
Sie werden sagen, du kannst das nicht schaffen
Doch du gibst nicht auf
Es wird dir wieder gelingen, bitte gib nicht auf
Du weißt, dass ich an dich glaube
Bitte gib nicht auf

Du hast nichts zu verlieren
Du kannst nur gewinnen

Das ist dein großer Moment
Du machst dir das größte Geschenk
Und du hast nichts zu verlieren
Du kannst nur gewinnen

Auch wenn du selbst noch nicht glaubst
Du hast wirklich Alles was man dazu braucht
Und du hast nichts zu verlieren
Du kannst nur gewinnen

Liebe Selina: Ich wünsche dir wirklich vom ganzen Herzen alles Gute! Du weißst, dass du dich jederzeit an uns / mich wenden kannst. Auch, wenn die Antwort manchmal ein wenig dauert, liegst du uns / mir sehr am Herzen und ich möchte, dass du das weißst!

Liebe Grüße,
Stephanie