Problem von Anonym - 18 Jahre

Ich weiß nicht mehr weiter

Hallo..
Also wie schon bekannt bin ich 18 Jahre und weiß langsam nicht mehr, was ich tun soll.
Zur Zeit bin ich in einem wahnsinnigen Tief aus dem ich seit Monaten nicht heraus komme und irgendwie macht mich alles fertig. Was genau los ist, weiß ich nicht einmal. Irgendwie Alles und Nichts. Jedenfalls habe ich in letzter Zeit keine Motivation zu irgendwas und das obwohl ich die leider wirklich brauche kann. In zwei Monaten fangen die Abiturprüfungen an und ich schaffe es nicht einmal zu schlafen. Ich kann nicht produktiv sein, nicht schlafen und bin einfach nur unnütz.
Außerdem weiß ich überhaupt nicht was ich auf dieser Welt soll und der einzige Grund warum es mir etwas ausmachen würde zu sterben ist der, dass ich mir Sorgen um die Menschen machen würde, denen ich etwas bedeute - wie meiner Familie, meinen engsten Freunden.
Ich würde ihnen so etwas nicht antun wollen, wenn ich mir nämlich vorstelle, dass sich jemand aus meinem engsten Freundeskreis umbringen würde - und der Gedanke kam mir leider schon öfter - dann bin ich einfach nur am Verzweifeln. Ich würde nicht mehr weiter wissen, mir Schuldgefühle machen, dass ich es nicht verhindern konnte etc. Und genau das möchte ich ihnen nicht antun.
Ein Ziel oder so irgendwas habe ich nicht im Leben.
Und es gibt genau einen Traum: Musiker werden. Ich will auf die Bühne und damit meinen Lebensunterhalt verdienen können. Ich will nicht berühmt werden oder so irgendwas, aber einfach, dass ich mit meiner Leidenschaft Leben kann. Ich weiß natürlich, dass das total unrealistisch ist und wieder ein Punkt, der mich seltsamerweise runterzieht.
Ich weiß, dass - selbst von den wirklich wirklich Guten - nur ein Miniminiminimini-Teil, davon leben kann, aber der Traum bleibt. Egal, wie unrealistisch, aber es frustriert. Es frustriert, wenn man sieht, dass es funktionieren KANN, mit Glück oder sonst was.
Jedenfalls sind die einzig halbwegs glücklichen Momente die, wenn ich meine Gitarre in der Hand habe und einfach singen kann.
Aber das Schlimmste an Allem ist, dass ich überhaupt kein Recht habe, mich so scheiße zu fühlen. Meine Familie ist super, meine Freunde ebenfalls, ich habe einen Hund, den ich über Alles liebe und ich gehe aufs Gymnasium. Klingt doch nach einem guten Leben!
Ist es prinzipiell auch, wenn da nicht diese maßlose Selbstkritik, der Mangel an Selbstbewusstsein, und diese Gefühlslosigkeit wären. Denn diese Sachen erschweren den Lebensalltag.
Zudem kommt eine ungeheuere Panik vor der Schule und ich hasse es, mich mit fremden Menschen unterhalten zu müssen. Wenn ich weiß, ich muss in eine Menschengruppe in der ich NIEMANDEN kenne, wird mir total schlecht und ich bekomme kaum Luft. Wenn ich das meinen Eltern erzähle, meinen sie, dass ich übertreibe und mir das einrede. Ich wünschte es wäre so. Ich wünschte, ich würde mir das nur einreden. Aber sie verstehen mich nicht.
Schule ist ein Faktor, der, glaub ich, jeden irgendwie fertig macht. Ich will gut sein und wenn ich nur mittelmäßig bin - was ich bin - habe ich das Gefühl, alle zu enttäuschen. Ich meine, an sich ist ein Schnitt von 2,5 nicht schlecht, aber ich hätte es doch bestimmt besser machen können.
Ich weiß, dass keiner perfekt ist, aber ich will es für meine Familie und Freunde sein. Ich will jemand sein, auf den man sich immer verlassen kann, der immer für jemanden da ist. Und ich mache mir selbst einen riesen Druck. Was, wenn ich die Schule nicht schaffe? Regelmäßig zieht sich mein Bauch zusammen, wenn ich nur an eine bestimmte Klausur denke. Manchmal klappe ich sogar zusammen und kann mich fast nicht mehr bewegen. Ich liege auf dem Boden, mir wird schlecht und ich kann nicht aufstehen.
Das liegt nicht an meinem Körper an sich. Ich habe ihn durchchecken lassen und habe keine Mangelerscheinungen oder sonstiges.
Jedenfalls (dieses Wort benutze ich definitiv zu oft) bin ich irgendwann am Ende meiner Kräfte und ich bin einfach maßlos überfordert mit Allem..
Ist ziemlich lange geworden, tut mir leid.

Marco Anwort von Marco

Liebe Unbekannte,

ich danke Dir von Herzen für Deine Nachricht. An Deinem Text wird sehr deutlich, dass es Dir zur Zeit oft schlecht geht und Du unter verschiedenen "Problemen" leidest. Da es aber Dein persönliches Leben ist, solltest Du dieses Leben auch genießen (können). Ich gebe zu, das ist nicht immer leicht, aber man muss aus jeder Situation das Beste daraus machen.

Ich glaube, Dein Problem ist, dass Du zu viel von Dir selbst erwartest - und genau das zieht Dich dann herunter und macht Dich unglücklich. Du hast zu hohe Ansprüche an Dich selbst, Du bist nicht mit dem zufrieden, was Du bereits erreicht hast, Du willst immer noch mehr als "Dein Bestes" geben.
Aber, liebe Unbekannte, wir sind alle nur Menschen. Menschen mit Stärken und Schwächen, Menschen mit positiven und negativen Eigenschaften. Wir sind keine Superhelden, keine Alleskönner, sondern Menschen eben. Akzeptiere das, was Du bereits erreicht hast und sei damit zufrieden. Mit dieser Einstellung ist dann eine Steigerung immer noch möglich, aber nicht mehr so "drängend", wenn Du verstehst was ich meine.

Vor ein paar Tagen habe ich zufällig einen Text über einen Esel gelesen, den ich Dir nicht vorenthalten möchte, da er Dir eventuell weiterhelfen könnte. Ich möchte Dich jetzt nicht mit einem Esel vergleichen, bitte verstehe mich nicht falsch, aber vielleicht kannst Du von der Geschichte trotzdem was lernen: Es ging also um die Verhaltensweise eines Esels und dann stand da der folgende Satz: "So frisst ein Esel auch Brennnesseln und dornige Sträucher, so als wüsste er: Wenn er die nicht frisst, wird er überhaupt nichts kriegen. Wir Menschen übersehen oft die geringen Gaben, weil wir auf Besseres hoffen, und haben zum Schluss Hunger." (zitiert aus: Leben ist mehr 2015, 17.03.2015, gr). Erinnern Dich diese Zeilen an jemanden? Siehst Du Dich hier vielleicht selbst wieder? Siehst auch Du Deine "geringen Gaben" nicht, sondern "hoffst" immer, dass etwas "Besseres" von Dir kommt? Hast nicht auch Du jetzt "Hunger"?
Ich weiß nicht, was Du von dieser "Eselsgeschichte" hälst, aber ich finde sie beschreibt genau Dein Problem (und das vieler anderer Menschen auch!), und gibt im Prinzip auch schon einen Lösungsvorschlag: "Brennnesseln und dornige Sträucher" zu essen! Was bedeutet das konkret auf uns Menschen übertragen? Auch ein kleiner Erfolg kann glücklich machen, auch kleine Schritte bringen einen voran. Auch ein Misserfolg zwischendurch ist nicht schlimm, auch ein Versagen hat nicht immer was zu sagen. Auch mit wenig kann man erfüllt leben! Liebe Unbekannte, sei kein Esel; aber lerne von ihnen und begreife dadurch, wie man sein Leben auch ohne "Perfektionismus" genießen kann.

Liebe Schreiberin, Du sprichst in Deinem Text mehrere "Situationen" an, in denen Du Probleme hast und bei denen es nicht unbedingt nur um dieses "Zu-viel-von-sich-selbst-erwarten" geht. Aber wenn Du diesen größten "Brocken" einmal hinter Dir lassen kannst, indem Du zufrieden bist, mit dem was Du hast und kannst, sind die restlichen Punkte meiner Meinung nach nur noch eine Kleinigkeit für Dich. Sehe positiv in die Zukunft. Es ist wichtig sich Ziele im Leben zu setzen, aber die müssen immer realistisch sein und bleiben, Größenwahnsinnig zu werden bringt nichts!

Ich gehe sehr gerne noch kurz auf Deine "anderen" persönlichen Punkte ein, da der bisherige Text doch eher allgemein gehalten ist, und Du mir auch ganz persönlich als >>DU<< sehr wichtig bist:

1. Keine Motivation für Prüfungslernen --> Wie bekommst Du wieder mehr Motivation? Die Antwort ist ganz einfach: Indem Du Erfolgserlebnisse hast! Und wie bekommst Du Erfolgserlebnisse? Indem Du Dir realistische Ziele setzt, die Du erreichen kannst. Du musst nicht in allen Fächern den Stoff zu 100 % drauf haben! Natürlich musst Du Dich anstrengen und viel üben, aber was Du nicht schaffst, das schaffst Du eben nicht. Und das ist dann auch nicht weiter schlimm! Du musst Dein Bestes geben - aber nie mehr als Dein Bestes! Du kannst doch auch einen Plan machen, welches Fach und wie viel davon Du an welchem Tag lernen willst. Gönne Dir dazwischen auch mal einen freien Tag, den hat man beim vielen Lernen auch verdient! (Kurze Anmerkung: Ich wünsche Dir viel Erfolg und Glück bei Deinen Abiprüfungen!)

2. Gründe gegen Suizid --> Einen (1) Grund hast Du in Deinem Text selbst genannt, aber da gibt es doch sicher noch andere, oder? Du bist 18 Jahre - das heißt der größte Teil Deines Lebens liegt wahrscheinlich noch vor Dir. Da warten noch so viele schöne und weniger schöne Dinge auf Dich, die Du auf keinen Fall verpassen darfst! Freue Dich darauf, das Leben ist so vielseitig und gerade auch deshalb so spannend! Das darf man nicht einfach so wegwerfen!

3. Musikertraum --> OK, ich gebe zu eine Musikerkarriere schaffen nur die wenigsten, und warum genau die es schaffen, weiß ich nicht. Mit Können hat das leider oft nur zweitrangig was zu tun. Aber: Musik zu machen ist in erster Linie Hobby und nicht Beruf! Mach Dir das klar, denn ein Hobby zu haben ist wunderschön, ein Beruf macht da oft weniger Spaß (und auch dann, wenn man sein Hobby zum Beruf macht, ist das Hobby nicht mehr so "schön" als es noch Hobby war und nicht Beruf! Das ist so ähnlich wie bei einem kleinen Kind: Solange das Kind nicht beim Zimmereinräumen helfen muss, macht es es, weil es ihm Spaß macht. Sobald die Mutter sagt "Du musst", hat das Kind plötzlich keine Lust mehr!) Also erfreue Dich am Gitarrespielen und Singen. Spiele und Singe in Deiner Freizeit so oft Du kannst und willst. Natürlich ist es immer wichtig auch neue Lieder und Griffe einzuüben, aber nur weil es Dir Spaß macht und Du hobbymäßig weiterkommen willst und NICHT weil Du Dir eine Musikerkarriere erhoffst! Ich denke, wenn Du hier dieselben Gedanken wie ich im Hinterkopf hast oder erlernst, wird das Gitarrespielen nicht weiter frustrierend für Dich sein, oder?

4. Mangel an Selbstbewusstsein --> Woher kommt dieser Mangel bei Dir? Ich denke er kommt nicht daher, weil Du nichts kannst (denn Du kannst ja sehr viel), sondern daher, dass Du das nicht kannst, was Du von Dir erwartest. Und warum? Weil Du wieder mal einfach zu viel von Dir erwartest, das kannst Du einfach nicht alles schaffen, ja, ich denke das könnte auch kaum ein anderer Mensch! Also schraube Deine Erwartungen nach unten und Du wirst dadurch (einen Teil) dieser Erwartungen erfülllen können - und schon das kann Dein Selbstbewusstsein enorm steigern!

5. Angst vor fremden Menschengruppen --> Ich kann verstehen, dass das eine unangenehme Situation für Dich ist. Ich denke, da geht es vielen Menschen nicht anders, ich inbegriffen. Mein Ratschlag hier für Dich ist wahrscheinlich nicht das, was Du Dir vielleicht als Ratschlag erhoffst, aber trotzdem die beste Möglichkeit diese Angst zu minimieren: Es immer und immer wieder zu versuchen. So oft es geht unter fremden Menschen zu sein und sich mit ihnen zu unterhalten. Das ist natürlich am Anfang sehr schwer und man muss auch mit kleinen Schritten anfangen und nicht gleich zu viel erhoffen. Aber - und das ist das schöne daran - Du wirst schon sehr schnell Deinen "Erfolg" sehen können: Und zwar den "Erfolg", dass Deine Angst immer mehr abnimmt und Du Dich mit der Zeit auch unter fremden Menschen immer wohler fühlst. Zum Start in dieses "Experiment" kann es auch sehr hilfreich sein, Deine beste Freundin oder andere Vertrauenspersonen mitzunehmen und dann es erst mit der Zeit ganz alleine zu versuchen. Du schaffst das!

Liebe Unbekannte, ich hoffe, ich habe zu all Deinen "Problemen" Dir ein paar (gute) Gedankenanstöße mit auf den Weg geben können. Ich danke Dir, dass Du meine Antwort gelesen hast. Niemand ist perfekt (weder Du noch ich), aber jeder hat es verdient auf der Welt zu sein und würde fehlen, wenn er nicht geboren wäre!
Abschließend wünsche ich Dir eine hoffnungsvolle Zukunft, in der viele Deiner (realistischen) Träume und Wünsche wahr werden, aber nicht alle. Denn nur so kannst Du die erfüllten auch genießen und wertschätzen. Alles Gute dabei und in der nächsten Zeit viel Kraft. Ich werde in Gedanken bei Dir sein!

Viele liebe Grüße

Marco