Problem von Laura - 19 Jahre

Scheint mir als sei ich ein hoffnungsloses, schwarzes Schaf

Ich war schon als Kind anders und hatte nur wenige Freunde. Ich habe inzwischen eingesehen, dass meine Wahrnehmung vom Leben anders ist als die von normalen Menschen. Allerdings möchte ich das ändern aber weiß nicht wie. Die ernsthaften Probleme haben eigentlich angefangen als ich mit 16 schwanger wurde. Das war für alle ein Schock, auch für mich. Ich habe nie wirklich realisiertrealisierent, dass ich schwanger war aber wollte das Kind behalten. Ich war im 6. Monat schwanger als ich Sascha auf dem Geburtstag meiner besten Freundin Alina kennen lernte, er ist mir zunächst nur grob aufgefallen, er stand nur in der Ecke und hat mit niemandem geredet. Aber als ich ihn abends hab Feuer spucken sehen und wie er mit seinen brennenden Pois gespielt hat hab ich mich auf der Stelle verliebt dabei kannte ich ihn nicht mal. Danach hat er mich angesprochen (aals einzigste) er dachte ich sei wenigstens 22 weil ich schwanger war. Es hat ihn aber nicht gestört dass ich nur 17 war. Ich hab mich mit ihm verabredet, wir haben uns immer wieder getroffen und ich hätte echt nicht glücklicher sein können. Als meine Tochter dann später per Kaiserschnitt geboren wurde war er sofort da. Ich war so glücklich ich hab die Welt durch nen verschwommenen schleier gesehen. 3 Wochen nach der Geburt meiner Tochter erlaubte mir meine Mutter meine Freunde an unserem gewöhnlichen Treffpunkt zu treffen Und sie würde derweil auf meine Tochter aufpassen. Die Abwechslung tat gut und Sascha war auch da. Allerdings hat er sich von mir fern gehalten. Nachher wusste ich auch warum, er hat mir eine sms geschrieben, dass ich eine schlechte Mutter sei weil ich (für 4 Stunden anemerkt) nicht bei meiner Tochter war. Wir gerieten in Streit und letzten Endes sagte er, dass er auf mich verzichtet und mich nicht mehr sehen will. Ich war natürlich stinksauer. Allerdings wusste ich da noch nicht was passieren würde. Ich hatte darüber nachgedacht ihn anzurufen und mich zu entschuldigen auch wenn ich der Meinung war dass er überreagiert hat. Aber ich habs nicht getan und das wurde mir zum Verhängnis. Eine Woche nach unserem Streit, ich hatte grade meine Tochter gewickelt, bekam ich einen Anruf von meiner Freundin Dani. Und sie bat mich mich zu setzen.. Sie sagte mir dass Sascha an einem Autounfall gestorben sei Und bat mich sofort zu Alina zu kommen. Das tat ich natürlich sofort und gab meine Tochter in die Obhut meiner Mutter. Ich hatte gehofft dass das nur ein schlechter Scherz gewesen sei aber das wars nicht. Ich konnte nicht mal weinen, meine Welt ist von einer Sekunde auf die andere in sich zusammengefallen als wär man auf nen Keks getreten. Ab dem Moment konnte ich nichts mehr. Ich konnte meinem Kind nicht mal mehr in die Augen sehen. Sie konnte nichts dafür aber Saschas Worte gingen mir nicht mehr aus dem Kopf. Ich litt still vor mich hin. Darauf hin habe ich meiner Mutter eine Bevollmächtigung erteilt und sie hat sich von da an um mein Kind gekümmert und ich nur dann wenns nicht anders ging und selbst da hatte ich dann noch Probleme dabei. Es hat nichts mehr funktioniert, es war eigentlich als wäre ich in einer komplett anderen Welt und nicht länger in der Realität. Das Leben zog an mir vorbei und Sascha ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Ich hatte nie die Chance mich zu entschuldigen und ich wünschte ich hätte ihn den Tag bevor er starb angerufen. Ich konnte ihn nicht sehen, da sein Vater mir verboten hatte ihn in der Leichenhalle zu sehen, Ich durfte nicht auf seine Beerdigung weil er im engsten Familienkreis bestattet wurde und hätte sein Bruder kein Mitleid mit mir gehabt wüsste ich bis auf den heutigen Tag nicht einmal wo sein Grab liegt. Schule lief seitdem nicht mehr gut ich war unkonzentriert und mit den Gedanken nur noch bei Sascha. Arbeit fand ich auch keine. Ich hab mich so sehr distanziert dass ich mit der Zeit nicht mehr wusste mit den Menschen umzugehen oder mich in der Realität zurecht zu finden. Das ist bis auf den heutigen Tag so. Ich kann inzwischen mit meiner Tochter besser umgehen, sie ist jetzt 2 1/2 Jahre alt aber ich brauche immer noch Zeit für mich alleine. Ich bin ein verträumter, nachdenklicher Mensch geworden der Angst hat sich Menschen zu nähern weil ich Angst habe wieder verletzt zu werden und jemanden zu verlieren. Ich habe nie einen Psychiater aufgesucht weil ich Angst habe dass wenn ich es tue und raus kommt dass ich Depressiv bin dass das jugendamt was davon erfährt. Wenn sie raus bekommen dass ich mich nicht richtig um meine Tochter kümmern kann nehmen sie sie mir bestimmt weg und sie ist alles was ich noch habe. Ich bin so unkonzentriert und in meiner eigenen Welt dass ich die Realität nicht mehr mitkriege und auch nichts von der Realität verstehe. Dadurch habe ich auch meine Ausbildung verloren die ich August 2014 angefangen hatte. All der lernstoff und die Realität gelangen nicht mehr in mein Gedächtnis. Es ist inzwischen so schwer dass ich wenn ich einen Satz auf einem Blatt Papier vor mir habe nicht mehr lesen kann. Die Wörter gelangen zum teil nicht einmal mehr in mein Kurzzeitgedächtnis. Es fühlt sich an als ob mein Kopf versucht die Realität komplett auszublenden. Der einzige Grund warum ich noch hier bin ist dass Sascha sicher wollen würde dass ich weiter lebe. Ich hab das Gefühl das wenn ich das nicht tue und einfach Selbstmord begehen würde dass er mir das niemals verzeihen würde auch wenns mir inzwischen total egal ist ob ich lebe oder sterbe. Inzwischen sehe ich den Tod ganz anders. Ich sehe ihn als möglichkeit Sascha wieder zu sehen. Ich sehe den Tod wie einen alten Freund. Ich habe nicht vor mich umzubringen oder so aber wirklich Lust auf so ein Leben hab Ich auch nicht. Ich warte eigentlich nur darauf dass der Tod von selbst kommt und mich holt. Ich träume fast jede Nacht von Sascha als würde er mich besuchen weil er jedes mal im Traum sagt "hey, da bin ich wieder!" Als obs total normal wäre. Aber ich bin mir im klaren dass meine Situation und die Träume alles andere als normal sind. Ich bin mir nicht mal sicher ob ihr irgendeine Idee hättet wie man mir helfen kann außer mir zu sagen dass ich nen Psychiater brauche wo ich aber nicht hin gehen werde da der letzte bei dem ich war mich im stich gelassen hat und gesagt hat er würde nicht helfen ich müsse das alleine machen. Inzwischen weiß ich die kleinen Dinge im Leben zu schätzen. Meine Wahrnehmung hat sich so verändert dass ich Dinge wahrnehme die andere nicht wahrnehmen. Sei es eine Schneeflocke am Fenster deren Form ich bewundere oder ein stiller, nebliger morgen den ich aus dem Fenster betrachte und sehe wie der Nebel und der Tau in der Sonne glitzert. Meine Eltern denken ich stelle mich nur an. Sie verstehen meine Situation nicht und ich rede mit ihnen auch nicht darüber. Sie machen mich nur runter und denken mein Kind und meine Zukunft interessieren mich nur nicht und ich wäre lieblos und egoistisch. Es ist nicht so als würde ich es nicht versuchen aber es klappt nicht. Tja ich bin in anderen Augen wohl einfach das schwarze Schaf. Das ist auch so. Allerdings war ich mal weiß und ein Stein auf meinem Weg hat mich in eine Teergrube fallen lassen. Und nun klebt der Teer an mir und lässt sich nicht so einfach wieder abwaschen. Ich denke ich brauche einfach das richtige Shampoo. Ich hoffe ihr versteht die Metapher. Naja ich weiß nicht was ich noch sagen könnte.. hoffentlich wisst ihr was ihr überhaupt dazu sagen könnt.
Grüße, Laura.

PaulG Anwort von PaulG

Liebe Laura,

vielleicht gelingt es mir, in dir ein sanftes Umdenken anzuregen. Das Bild von der Teergrube, das du gewählt hast, macht anschaulich, wie schlecht es dir geht. Und ich habe Respekt vor deiner Leistung, so jung Mutter geworden zu sein. Niemand kann dir vorwerfen, dass du deine Tochter nicht liebst. Genau hier möchte ich auch ansetzen: Wenn Sascha noch am Leben wäre, wäre es nicht in seinem Sinn, dass du in Selbsthass und Lebensmüdigkeit versinkst. Das hast du selbst erkannt - nur, was hält dich davon ab, danach zu handeln? Ohne Hilfe geht es nicht, aber ein gut Teil muss auch von dir kommen. Dafür darf dein Leben kein anhaltender Trauergottesdienst bleiben, sondern muss den Lebenden zugewandt sein. Und die Wichtigste unter ihnen ist deine kleine Tochter.

Ihm gebührt alle Hochachtung, dass er dich so angenommen hat, wie du bist, und auch mit deiner Tochter. Dass er nach der Geburt für dich da war, und dir den Rücken gestärkt hat. Aber trotzdem stimme ich dem Eindruck zu, den du damals hattest: Er hat überreagiert. Das ist zumindest meine Meinung - auch, wenn es andere geben mag, die sie nicht teilen. Die Begründung, warum du auf diesem Abend dabei sein musstest, hast du gegeben, und sie ist einleuchtend: Du brauchtest ein bisschen Abwechslung, es tat dir gut - und im Übrigen hat deine Mutter dir die Erlaubnis gegeben. Sie wird es ja wissen, ob man die Kleine ein paar Stunden allein lassen konnte? Ich bin keine Frau, und vielleicht urteile ich vorschnell. Aber er hätte es als Mann auch nicht besser wissen können, oder? Weil du ihm wichtig warst, weil gerade er ein Gespür dafür hatte, dass du Rückhalt brauchst, hätte er - finde ich - gelassener reagieren können. Ich sage dir offen, ich kann es nicht nachvollziehen, was er zu dir gesagt hat. Ich finde es mies, auch wenn er sonst perfekt war. Hättest du die Gelegenheit gehabt, dich mit ihm auszusprechen, dann hätte auch er zugeben müssen, dass es nicht wirklich in Ordnung war. Dazu kam es nicht. Aber glaubst du, dass gerade deshalb eine Schuld an dir haftet, die sich nicht abwaschen lässt? Es ist, glaube ich, nicht sinnvoll, hier von Schuld zu sprechen. Du hattest deine berechtigten Gründe, so zu reagieren, wie du reagiert hast. Auch er hatte sicher welche - auch wenn ich sie nicht kenne.

Dass der Unfall passiert ist, darauf hattest du keinen Einfluss. Es ist auch keine Strafe, die eine höhere Macht über dich verhängt hat, sondern einfach ein furchtbares Unglück. Stell dir vor, es wäre davor zu einer Aussprache gekommen: Vielleicht hätte er nicht die Einsicht gehabt, die du dir gewünscht hast. Vielleicht wärt ihr wiederum im Streit auseinander gegangen. Und selbst, wenn alles gut verlaufen wäre, bei dem Gespräch: Vielleicht würdest du dich heute trotzdem fragen "Hätte ich nicht noch dies und das sagen sollen?", oder "Er hat bestimmt nur so getan, als wäre alles wieder gut..." Und damit wärst du praktisch so weit, wie du jetzt bist. Du konntest es nicht steuern; es ist einfach geschehen. Sicherlich war der Ärger über diesen Vorfall auch nicht der Grund für das Unglück. Denn er hat dir offen seine Meinung gesagt - dass du zahm reagierst, konnte er nicht erwarten. Da er so harte Worte für dich hatte - er verzichtet auf dich, will dich nicht mehr sehen -, warum sollst du es anders machen? Deine Tochter war und ist dein Ein und Alles, aber du kannst ihr nicht die nötige Geborgenheit und Liebe geben, wenn du nicht auch mal Zeit für dich hast. Ich finde es nicht herzlos, ich finde es in Ordnung, dass du an diesem Abend deine Freunde getroffen hast.

Überlege dir, ob nicht doch ein Psychiater für dich in Frage käme. Du fühlst dich schuldig - zu Unrecht, auch wenn ich deine Gedankengänge nachvollziehen kann. Wenn die Depression weiter so viele Kräfte bei dir bindet, kommst du vielleicht in Gefahr, deinem Kind tatsächlich Aufmerksamkeit zu versagen, wo sie sie braucht. Und das - da können wir sicher sein - hätte Sascha nicht gewollt. Was auch immer seine Pläne waren, Ziel seiner Worte kann ja nur gewesen sein, dich auf die Bedürfnisse deiner Tochter hinzuweisen? Sollte es also sein Vermächtnis sein, dass du dich in Schuldgefühle verstrickst, immer weiter, bis die Kleine es wirklich zu spüren bekommt? Das denke ich nicht. Mit Sicherheit hätte es in seiner Absicht gelegen, dass du dich so viel wie möglich und nötig um sie kümmerst. Aber wenn du dabei dich vergisst, dann ist ihr damit nicht geholfen. Sie wird älter, und irgendwann wird sie beginnen, dir Freiräume zu schaffen, wo du gar keine haben wolltest: Wenn sie selbst länger weg ist, als du es möchtest, und sich dir nicht mehr so mitteilt. Was kann es dir dann nützen, wenn du die Schuld bei dir suchst - Fehler in deinem Handeln entdecken möchtest, wo keine sind? Sie wird ein ernsthaftes Mädchen werden, weil sie schon jetzt deine Traurigkeit spürt. Doch Lebensfreude ist für sie genauso wichtig, und die kann sie nur lernen, wenn auch du mal fünfe grade sein lässt. Und auf die Zusagen vertraust, die du bekommst.

Du hast es richtig formuliert: Sascha würde wollen, dass du weiterlebst. Nur, was ist das für ein Leben, wenn du es der Trauer nach ihm widmest? Was für ein Leben, wenn du ständig Angst hast, wieder einen Verlust zu erleiden? Niemand konnte wissen, was mit ihm passieren würde, und am wenigsten du. Dass sein Tod dich mit der Befürchtung versehen hat, noch einmal so verletzt zu werden, ist verständlich. Aber glaubst du nicht, dass das Leben, das er dir wünscht, mehr sein sollte, als ein bloßes vor-sich-hin-Existieren, gefangen in Depression und unerfüllbarer Sehnsucht? Ist damit denn irgendetwas gewonnen? Müsstest du, so sehr du dein Kind liebst, nicht eher Angst haben, dass er sich jenseits dieses Lebens genauso von dir abwenden würde? Er mag dich verletzt haben, aber nicht, um dich zu zerbrechen, sondern um etwas in deinem Leben anzuregen. Wenn du dich nicht aufraffst, wird die Depression immer schlimmer werden, nicht nur zu deinem Leidwesen, sondern zunehmend auch deiner Tochter. Das kann es nicht sein. Du hast keine Schuld an den Ereignissen, dein Verhalten ist absolut zu begreifen. Heute würdest du es vielleicht anders machen. Damals - so kurz nach der Geburt, noch sehr geschafft, und eigentlich mehr als froh, endlich mal wieder was Anderes zu sehen - damals war alles schlüssig. War es für dich, und ist es für mich noch heute. Wenn du einen Ausweg finden möchtest, musst du beginnen, nach dem zu handeln, was du selbst gesagt hast: Sein Wunsch wäre, dass du lebst. Doch wenn du dich der Verzweiflung hingibst (und das muss ich dir deutlich sagen) handelst du auf Dauer verantwortungslos. Sicher bist du keine Egoistin - aber in deiner Tochter gibt es jemanden, die dich dringend braucht, und an allen Geschehnissen keinerlei Schuld hat.

Ich wünsche dir, dass du dich wieder mehr dem Leben zuwenden kannst - und dass dein Blick für das geschärft wird, was dich fest darin verankert: Dein Kind. Ich wünsche dir die Kraft, deine Träume von einst neu zu beleben, damit du ihr vorleben kannst, was Stärke ist - und dass du dir Saschas Wunsch zu Herzen genommen hast. Du musst dich nicht schuldig fühlen, er hat sich nicht perfekt verhalten. Aber auch nach seinem viel zu frühen Tod kannst er dich anregen, dein Leben zu gestalten, und die Freundin, Partnerin und Mutter zu sein, die du sein möchtest.

Alles Gute und Liebe Grüße,

Paul