Anwort von PaulG

Lieber Marko,

die Problematik, die du bei dir erkannt hast, lässt sich relativ schwer einordnen. Tatsache ist, dass die "Sexsucht" mittlerweile ein geläufiger Begriff ist. Hier wird unterschieden zwischen dem Drang, mit immer neuen, möglichst vielen Partnern Geschlechtsverkehr zu haben, wie es zum Beispiel das Online-Dating ermöglicht - und dem zwanghaften Anschauen von pornographischem Material, "Pornosucht". Kennzeichnend ist in beiden Fällen, dass wirkliche Befriedigung nicht eintritt, sondern nur kurz, während man nach immer neuen "Kicks" sucht. Im Fall der Pornosucht bedeutet das, teils bis an die Grenzen der Erschöpfung zu onanieren, aber auch, im Internet nach immer neuen, extremeren Reizen zu suchen, die vielleicht gar nicht den eigenen Neigungen entsprechen. Dazu können beispielsweise SM-Pornos gehören, obwohl man im realen Leben nicht den Wunsch nach solchen Erfahrungen verspürt.

Natürlich bin ich kein Arzt oder Psychologe, und ich muss hinzufügen, dass die Krankheitsbilder, die ich dir beschrieben habe, verhältnismäßig jung sind und noch nicht von allen Seiten anerkannt. Wenn ich mir ansehe, was du geschildert hast, scheint mir dein Problem in kein Schema so richtig zu passen. Es ist keine Sexsucht, da du nicht eigentlich nach Sexpartnern suchst, sondern nach neuen "Grenzerfahrungen" bei der Selbstbefriedigung; vom Internet als Ort der Suche hast du dich jedoch abgewandt. Ein Stück weit trägt das, was du tust, in meinen Augen Züge eines Fetischs: Du setzt dich der Gefahr aus, dass deine Lehrerinnen mitbekommen, was da vor sich geht, und das bereitet dir Gefallen; zudem konntest du dich nicht enthalten, deiner Cousine zu erzählen, dass du dich zu Bildern von ihr selbst befriedigst. Grundsätzlich ist gegen Letzteres nichts einzuwenden, solange du a) es nicht weitererzählst, und b) nicht versuchst, wirklich mit deiner Cousine intim zu werden. Es wäre auch nicht verwerflich, Bilder deiner Lehrerinnen anzusehen, und dabei zu onanieren; das alles ist deine Privatsache. Aber: Du solltest aufhören, sie anzurufen, denn nicht nur ist das ohnehin eine Art von Belästigung (führst du Gespräche mit ihnen, oder sind es "Telefonstreiche"?), sie könnten es auch herausbekommen, was du tust. Und das könnte für dich ernste Konsequenzen haben. Es hat ein bisschen was von Voyeurismus (Lust am Beobachten und Belauschen) und von Exhibitionismus (Erregung dadurch, dass man sich zur Schau stellt, und andere an seiner Erregung teilhaben lässt). Ob etwas davon auf dich zutrifft, musst du selbst entscheiden. Ich frage mich: Wird es bei den Anrufen bleiben? Oder wirst du ihnen vielleicht irgendwann nachstellen? Wird es dir immer genügen, sie am Telefon zu haben, wo sie vielleicht hören könnten, was du tust? Oder wird bei dir irgendwann der Wunsch erwachen, sie möchten es tatsächlich bemerken, vielleicht sogar sehen? Und hier liegt bereits eine große Gefahr. Denn in all diesen Fällen dringst du in die Privatsphäre anderer Leute ein, und lässt sie an deiner Sexualität teilhaben, ohne dass sie entscheiden können, ob sie das wollen. Für deine Lehrerinnen ist es überdies nicht erlaubt, und wäre - hießen sie es gut - eine Straftat, die leicht auf sie zurückfallen könnte. Ich muss dich also bitten, von den Anrufen abzusehen, und auch deiner Cousine (oder sonst wem) nicht mehr zu berichten, dass sie Teil deiner sexuellen Fantasien sind. Natürlich ist das was Anderes bei deiner Freundin, oder einem Mädchen, die ohnehin mit dir intim ist; aber ansonsten ist es nicht nur unangemessen, sondern auch ein Ärgernis, mit dem du klare - vielleicht auch gesetzliche - Grenzen überschreitest. Auch wenn ich dir keine Rechtsberatung erteilen darf, rate ich dir doch dringend, solcherlei zu unterlassen.

Zu deiner zweiten Frage: Ist es falsch oder krank, was du tust? Braucht es vielleicht einen Arzt? Meine persönliche Antwort ist: Nein, es ist kein großes Problem - wenn du dich in der Lage siehst, es bleiben zu lassen. Andernfalls könnte es ein Zwang sein oder werden, der dich zwar nicht zum Verbrecher macht, aber dennoch geeignet ist, dir und anderen Leuten zu schaden. Wenn du der Meinung bist, einen Fetisch zu haben, mag es vielfältige Möglichkeiten geben, ihn auf akzeptable Weise auszuleben - dann nämlich, wenn Leute sich einverstanden erklären. Wenn du glaubst, dass es ein Zwang ist, der aus der Suche nach neuen Erfahrungen beim Onanieren geboren wurde, so ist auch das nicht schlimm. Du solltest jedoch versuchen, es nicht mehr zu tun, auch in deinem eigenen Interesse. Ist dir das nicht möglich, wäre es zwar nicht zwingend notwendig, aber sicher auch kein Fehler, mal einen Psychologen zu Rate zu ziehen. Bedenke: Dein Problem ist in einem Stadium, wo es noch sehr unbedeutend ist - die Gefahr sehe ich eher darin, dass es sich weiter auswächst. Am Ende ist die Entscheidung also bei dir. Du bist sicher nicht krank, noch halte ich dich für einen Verbrecher; eventuell hast du einen Fetisch, und damit wärst du nicht allein auf der Welt. Ob du jedoch Hilfe brauchst, und wie groß du die Chance einschätzt, es zu beenden - das weißt nur du allein.

Alles Gute und Liebe Grüße,

Paul