Problem von Anonym - 17 Jahre

Vom Betreuer missbraucht

Seit ich 14 bin habe ich mit Depressionen und anderen Problemen zu kämpfen. Mit 15 war ich zum ersten Mal in einer psychiatrischen Klinik. Dort wurde ich behandelt wie der letzte Dreck. Man hat mich nicht ernst genommen und mich behandelt wie einen irren. Man wurde kontrolliert beleidigt und behandelt wie schei*e.
Jeder Patient hatte einen Bezugs Betreuer der sich etwas intensiver mit einem beschäftigt hat. Meiner war ein Mann um die 50. er kam mirals einer der wenigen nett vor und ich vertraute ihm.
Während einer längeren tief Phase wollte ich mit ihm sprechen und wir gingen in das Besprechungszimmer. Das lag recht abgeschieden, weil keiner die Gespräche mit anhören sollte.
Ich hab ihm erzählt wie icj mich gefüjlt habe und er kam mir Anwesen vor. Nach einer Weile schlug er mir ohne Vorwarnung ins Gesicht. Danach zog er sich aus. An das was danach kommt erinner ich micj nicht mehr vollständig. Es tat höllisch weh und er hat so ekelhaft gestunken. Als er fertig war hat er sich angezogen und sich wieder hingesetzt als ob gerade nichts schlimmes passiert ist.
Er sagte zu mir das mir niemand glauben würde weil ich psychisch labil wäre, und er würde dafür sorgen das ich nicht mehr aus der Psychiatrie rauskommen würde.
An dem Tag habe ich wieder angefangen mich zu Ritzen.
Das ist das erste Mal seit der Vergewaltigung das ich davon Berichte.
Ich bin inzwischen wieder in ambulanter Behandlung. Nicht wegen der Depression sondern wegen verscheiden Phobien und sozialen Störungen. Vielleicht spreche ich das was passiert ist bald an.

Alles gute.

PaulG Anwort von PaulG

Lieber Anonymer,

dein Beitrag hier zeigt deutlich: Du magst mit Problemen zu kämpfen haben - aber du hast deine sieben Sinne beisammen. Im Augenblick stehst du mit dem Rücken zur Wand. Er, der sich an dir vergangen hat, aber auch. Denn es ist eben nicht so, dass dir niemand glaubt. Es muss nur einer in Erwägung ziehen, dass an deiner Aussage was dran sein könnte - und der Mann ist erledigt. Aus all dem kommt er nicht raus, kommt die Einrichtung nicht raus - und dieses Risikos ist er sich bewusst.

Ich schreibe im Folgenden so, als dauere die Behandlung in der Klinik noch an. Ich hatte den Text entworfen, bevor mir klar wurde, dass du ja - Gott sei Dank! - wieder ambulant behandelt wirst. Der Grund ist, dass ich dir ein Bild mitgeben möchte, dass dich stärken soll, und mit dem ich dir den Wunsch eingeben möchte, es diesem Mann zu zeigen. Selbst wenn du ihm noch ausgeliefert wärst, ich traute dir doch zu, dich aus eigener Kraft zu befreien. Daher:

Mach den Mund auf. Bei jedem, wo du nur kannst. Aber tu es geschickt. Nicht laut und unartikuliert, dich mag die Wut und Abscheu noch so sehr schütteln! Tu es ruhig und gefasst. Und erzähl über nichts Anderes mehr, ehe dir geglaubt wird. Nimm es voraus bei allen Treffen, Besprechungen, Therapiegesprächen. Und geh bei der nächsten Gelegenheit auch zur Polizei. Oder lasse durch deine Eltern Anzeige erstatten. Je deutlicher und hartnäckiger du bist, desto kältere Füße kriegt er. Und scheue auch nicht davor zurück, es ihm ins Gesicht zu sagen.

Aber mach nicht den Fehler, zu schimpfen, zu drohen. Wähle deine Worte, so gut du nur kannst. Fang am Anfang an, und lass nichts aus. Trete auf sein Gewissen ein. Du kannst nichts dafür, dass das Leben dir so übel mitgespielt hat. Wer dich als irre abstempelt und in eine Schublade vergraben will, der hat eindeutig den falschen Beruf. Sag ihm, dass er einstmals als junger, engagierter Mann angetreten ist, jungen Menschen in Krisen zu helfen. Und dass er zu einem Verbrecher geworden ist, dem nichts heilig ist. Der auf die einschlägt, die ohnehin schon am Boden liegen. Der alles verraten hat. Er weiß genau, wie dünn das Eis ist, auf dem er steht. Und vielleicht bist du nicht das einzige Opfer. Deshalb musst du kühl und überlegt vorgehen - und mit allen Mitteln versuchen, ihn unsicher werden zu lassen. Er hält dich nämlich tatsächlich für das, was er von dir sagt: Nicht ganz zurechnungsfähig, am Rande der Gesellschaft, nicht mehr ganz Mensch. Aber wenn er sieht, wie ihm etwas gegenüber tritt, das so ganz und gar menschlich und berechnend ist, wird er entsetzt sein. Das ist deine Stärke: Dass er an die Dummheiten, die er erzählt, selbst glaubt.

Lieber Anonymer: Ich wünsche dir ganz viel Kraft, und schnelle Genesung von deinen Leiden! Wir hier draußen (verzeih diesen Ausdruck in deiner Situation) hören soviel davon, wie die, auf die die Kleinen und Schwachen und Kranken und Geplagten vertrauen, sich deren Schwäche in widerlichster Weise zunutze machen. Dir ist es ebenso ergangen - aber du bist nicht irgendein Schlachttier, o nein! Du bist ein junger, intelligenter Mann, der noch Ziele hat. Der weiß, was er zu tun hat. Ist es nicht so? Denn:

Du bist dorthin gekommen, wo du jetzt bist, weil du für krank befunden wurdest. Ohne Ziel und Hoffnung, nicht mehr derselbe. Aber nun wurde versucht, dich endgültig zu brechen. Womit sie nie gerechnet hätten: Dass es das Gegenteil bewirken könnte. Dass du, solange du lebst, es dir zur Aufgabe machen wirst, diese widerwärtigen Zustände aufzudecken. Schonungslos, und nicht nur, was dich betrifft - wie gesagt, womöglich bist du nicht der einzige Betroffene! Es ist deine Pflicht und Aufgabe, dich zu wehren. Sie wollten dich zerstören - ER wollte dich zerstören. Wird es vielleicht sogar wieder versuchen. Aber du bist kein Opferlamm. Du bist jetzt eine Maschine, die ihn vernichten kann. Ohne Mitleid und mit einer mächtigen Waffe versehen: Dem Bewusstsein dieser Tat, seiner Sätze - und seines Gewissens, das an diese geknüpft ist, das aufschreit, sobald er damit konfrontiert wird; das ihn leiden lässt, und irgendwann aus ihm herausbrechen wird. Du hast es in der Gewalt, du kannst es wachsen lassen - für die Gerechtigkeit. Für dich, und für vielleicht viele Andere. Du wirst dich aus deinem Kerker befreien, sie haben dich unterschätzt. Ich vertraue auf dich! Ich weiß, dass es dir gelingen wird. Jedes deiner Worte war bedacht, und du wirst den Weg gehen, der aufzeigt, was eigentlich los ist: Sie mögen dich in der Gewalt haben. Aber noch mehr hast du sie in der Gewalt. Du bist stark, stark, stark. Sie sind das Wild, du bist der Jäger. Bring sie zur Strecke. Mach dem Schmerz ein Ende. Wandle dein schreckliches Erlebnis in Stärke und Gerechtigkeit, indem du dich weigerst, ihm zu glauben - und sein Gewissen zum Schreien bringst. Und dann - bald! - auch die Wahrheit vor allen. Wage es - für dich, für die Zukunft!

Alles, alles Gute und Liebe Grüße,

Paul