Problem von Nane - 20 Jahre

Ich schaffe nicht, meinen Freund zu verlassen

Liebes Team,

Wie schön , dass ihr so tolle Ratschläge gebt. Nun möchte ich euch auch um Rat fragen. Ich führe eine etwas ungewohnliche Beziehung weil ich mit einem fast 60 Jahre alten Mann zusammen bin. Wir hatten uns vor 3 Jahren einfach ineinander verliebt. Wo die Liebe eben hinfällt...
Leider haben wir ständig Probleme und streiten uns unglaublich oft. Es gibt viele Themen. Seine Tochter, seine Ex, ach ich schaffe einfach gar nicht alles aufzuzählen. Kurz und knapp: ich fühle mich völlig unglücklich und unzufrieden. Ich habe noch nie so oft geweint, wie in den letzten Jahren. Er stellt sich völlig stur und möchte nichts verändern. Er meint ich würde nerven und immer nur mit ihm meckern. Er möchte alles so machen wie er es will und verhält Sich mir gegenüber oft rücksichtslos. Ich habe manchmal das Gefühl ich bin für ihn ein frischer Mensch , ohne viele Probleme, ich habe ein Auto und studiere. Alles entspannt. Ihn stört quasi nichts an mir. Außer. Dass ich eben nerve... Aber er trägt so viele Probleme mit sich und versteht oft nicht, warum ich nicht damit klarkomme. Ich bin mit meinen 20 Jahren sehr oft überfordert mit allem. Mein Verstand sagt mir oft, ich sollte mich trennen. Ich werde so niemals glücklich und fühle mich ständig verletzt. Aber wenn ich darüber nachdenke kommen mir oft die Tränen und ich merke wie sehr ich ihn brauche. Ich kann nicht mit und nicht ohne ihn. Es ist ein Teufelskreis aus dem ich seit langer Zeit einfach nicht allein rausfinde. Ich würde mich so sehr über einen Ratschlag freuen.

Viele liebe Grüße,
Nane

Bernd Anwort von Bernd

Hallo Nane,

im Prinzip weiß ich, dass das einfach geschehen kann: wie man sich in einen Menschen verliebt, der nach unseren gängigen Konventionen niemals zu uns passen wird.
Trotzdem wäre es mir leichter, Dir zu antworten, wenn Du zum Beginn Deiner Beziehung etwa 10 Jahre älter gewesen wärst.
Nicht, dass es dann einfacher ist (mit "nur" 30 Jahren Altersunterschied)!
Aber mit 27 Jahren hättest Du schon einen ganz anderen eigenen Erfahrungshintergrund gehabt! Eine Grundlage, Deine Gefühle von Liebe an eigenen Erfahrungen zu bestärken. Eine eigene Verantwortung.
Du hast schon Recht, wenn Du schreibst:
" Ich habe manchmal das Gefühl ich bin für ihn ein frischer Mensch , ohne viele Probleme, ich habe ein Auto und studiere. Alles entspannt. Ihn stört quasi nichts an mir. Außer......."
Und das wäre eben auch einfacher, wenn Du etwa 10 Jahre älter wärst. Weil es dann für ihn schwerer gewesen wäre, Dich zu gewinnen und zu halten!
Er würde Dich eher mit Deinen eigenen Problemen erkennen und achten müssen!
Du wärst niemand für ihn, den er "gelesen hat, wie ein offenes Buch". Nicht ein "Instrument", bei dem er weiß, wie es klingt, wenn er Deine Saiten anschlägt, wie er es will und braucht.

In zehn Jahren ohne einen Partner, der irgendwie auch die Ansichten Deines Vaters vertritt. Ohne einen Partner, der die Probleme einer gescheiterten Ehe mitsamt der daraus entstandenen (hoffentlich geliebten) Kinder auf Dich überträgt, hättest Du eine wirkliche Chance gehabt, Dich selber zu entdecken und zu finden!

Seneca sagte einmal:
"Das Leben teilt sich in drei Zeiten: die, welche war, die welche ist, und die, welche sein wird. Die wir verleben, ist kurz, die wir verleben werden, ist zweifelhaft, die wir verlebt haben, gewiss.
Denn diese ist es, an welche das Schicksal sein Anrecht verloren hat, die in keines Menschen Willkür zurückgebracht werden kann."

Das ist der Grund, warum ältere Menschen euch jungen zwar mit ihrer Lebenserfahrung dienen können. Um euch zu ermöglichen, unsere Fehler nicht wiederholen zu müssen. Aber eben kaum als "Lebensabschnittspartner" taugen:
um wirklich frei für Dich zu sein, Deiner Liebe ebenbürtig: muss er seine Vergangenheit (sein bisheriges Leben) verneinen. Verpflichtungen, die er eingegangen ist verleugnen.
Also nach Seneca eigentlich alles, was er hat und was ihn und sein Leben ausmacht :-)
Und wenn er das dann wirklich tut?
Was hast Du dann gewonnen?
Einen 60-jährigen, der immer noch nicht begriffen hat, was das Leben bedeutet?
Einen, der keine Verantwortung zu tragen fähig ist?
Einen der immer noch sucht!
Einen, der sich wohl niemals wirklich entscheiden kann? Einen, der niemals wirklich "zufrieden" ist!

Du schreibst:
"Aber wenn ich darüber nachdenke kommen mir oft die Tränen und ich merke wie sehr ich ihn brauche. Ich kann nicht mit und nicht ohne ihn. Es ist ein Teufelskreis aus dem ich seit langer Zeit einfach nicht allein rausfinde."

Wahrscheinlich wusste er es nicht einmal, dass er Dich abhängig gemacht hat, als ihr eure Liebe gemeinsam entdeckt habt?
Aber es ist eine Art Abhängigkeit, die Du selbst hier beschreibst!

Er hat Dir die Möglichkeit genommen, Dich selbst zu finden, als Du in dem Alter warst, wo Du Dich eigentlich von allem "erwachsenen" distanziert hast, um selber erwachsen zu werden!

Die Aufgabe, die wir Alten haben, ist :-) euch einen Tritt in den Arsch zu geben, damit ihr euch selbst beweisen müsst, dass ihr fliegen könnt!

Du weißt, dass er nicht der Grund sein darf, Dich nun nicht doch noch selbstständig zu machen?!

Was ich nun wirklich von ganzem Herzen hoffe?:
Dass Du die Kraft findest, loszulassen und einfach darauf zu vertrauen, dass Du fliegen kannst :-)

Du wirst Deinen Weg finden!

Alles Liebe,

Bernd