Problem von *** - 17 Jahre

ich kann nicht mehr

Hallo Kummerkasten-Team,
erstmal vorweg: wenn es gehen würde, wäre es mir am liebsten, wenn Dana mein Problem beantworten würde.
Ich weiß im Moment irgenwie nicht, was mit mir los ist. Alles ist so viel, obwohl im Moment sogar Ferien sind.
Im Moment bin ich in der 12. Klasse eines beruflichen Gymnasiums, was mich ziemlich einspannt, sodass ich eigentlich kaum was anderes als Schule mache oder so fertig bin, dass ich nur im Bett liege.
Seit über zwei Jahren ritze ich mich, vor über 1 1/2 Jahren wurde ich für mich unerwartet in die Psychiatrie wegen akuter Suizidgefahr eingeliefert, blieb dort allerdings nur von Samstag bis Montag. Da es einen verdammt großen Vertrauensbruch dargestellt hat (hatte es jemandem erzählt, der darauf hin gesagt hat, dass wir darüber nochmal reden, jedoch einfach meine Eltern informierte und meinte, ich sollte in die Klinik). Ich kann diesen Vorfall nicht vergessen, habe immer Angst, dass ich wieder da hin muss.
Ich habe gelernt, nicht mehr über solche Gedanken zu reden, da ich weiß, was dann passieren würde, haben tu ich sie aber trotzdem relativ häufig.
Seit diesem Vorfall bin ich in Therapie, habe den Therapeuten gewechselt. Beide Therapeuten haben nie nach Suizidgedanken gefragt, meine Therapeutin anzusprechen, trau ich mich nicht, aus Angst, wieder in die Klinik zu müssen. Das würde meine Mutter fertig machen. Ich muss stark für sie sein.
Ich bin die ganze Zeit traurig, meine Therapeutin meinte im Winter, es läge an der Jahreszeit, seit über 2 Jahren bin ich traurig! Ein anderes Mal meinte sie, ich solle Antidepressiver nehmen, über mögliche Verhaltensänderungen (Verhaltenstherapie) sagt sie nichts, sondern thematisiert die ganze Zeit oberflächliche Dinge, wie Probleme in der Familie/Schule.
Alle meinen, ich wäre viel stabiler geworden, dieses Gefühl habe ich nicht. Ich bin vielleicht nur eine bessere Schauspielerin geworden, die nach außen hin lacht, innerlich jedoch einfach nur noch fertig ist.
Oft denke ich daran, ob es vielleicht besser wäre, zu sterben, alles einfach hinter mir zu lassen, aber das kann ich meiner Familie nicht antun. Ich muss stark sein, darf mir nicht anmerken lassen, dass es mir schlecht geht, doch dafür ist zu viel passiert.
Ich hab Angst vor der Zukunft, Angst, dass es meiner Familie/Freunden schlecht geht usw.
Ich fühle mich zu dick(ca 1,60 groß und ca.47 kg), hässlich, überflüssig, habe dauernd wegen Jedem ein schlechtes Gewissen.
Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll.
Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen.
Vielen Dank schonmal ;-)
LG ***

Dana Anwort von Dana

Liebe Unbekannte!

Nun, ich hoffe, ich werde deinem Wunsch gerecht, ich gebe mir Mühe. :)

Das Problem hier ist jetzt, dass ich dich nicht vor mir habe und dir keine Fragen stellen kann. Ich frage trotzdem mal ein wenig, du beantwortest dir das dann bitte einfach selbst. Ich versuche, Lösungsansätze zu geben.

Wenn du dich und dein Leben betrachtest, was hältst du dann für das größte und unüberwindbarste Problem?

- die Suizidgedanken?
- die Überbelastung mit der Schule und wenig Zeit für dich selbst?
- die fehlende Selbstliebe/Ritzen?
- dass du nicht drüber reden kannst, aus Angst, dass wieder jemand für dich entscheidet?
- dass du denkst, stark für andere sein zu müssen, obwohl du selbst jemanden zum Anlehnen bräuchtest?

Ich denke, dass die Suizidgedanken oder auch das Ritzen daher kommen, dass du einfach in einer Sackgasse vor einer Mauer stehst und nicht weiter kommst. Da sind nur harte Steine, aber kein Weg ist mehr in Sicht.
Dazu kommt, dass du Angst hast, dich mitzuteilen, berechtigte Angst, denn mehr Offenheit könnte ja mit Klinik und Einweisung enden?

Du stehst also jetzt vor dieser Mauer und siehst, dass da durchaus eine Möglichkeit bestünde, sie zu überqueren. Dazu bräuchtest du aber eine Hand, die dich von oben her erfasst und dir beim Klettern hilft.

Wer könnte diese Hand sein?

Um diese Frage zu beantworten, musst du selbst bitte dein Umfeld "abtasten". Wen haben wir da...
Deine Mutter. Du meinst, du müsstest für deine Mutter stark sein. Das ist ein Irrtum. Man kann immer nur für sich selbst stark sein. Und wenn man schwach ist, ist das keine Schande. Du kannst momentan nicht für jemanden anderen stark sein, du kannst es ja gerade nicht einmal für dich selbst. Wie sollst du dann Kraft für jemanden anderen aufbringen? Du siehst sicher selbst, dass das einfach nicht geht. Das ist auch nicht "ego" oder so...das ist einfach momentan Fakt und die Wahrheit.

Mütter machen gerne mal die Probleme ihrer Kinder zu ihren eigenen. Aber ist das richtig? NEIN. Es kann doch nicht sein, dass du Angst hast, deine Mutter zu belasten, dass sie es "nicht ertragen" würde, wenn du nochmals in eine Klinik müsstest, damit es dir besser geht? Schau doch, was das für einen zusätzlichen Druck bei dir erzeugt, weil du denkst, du darfst deiner Mutter solche Probleme nicht bescheren. Aber es ist doch DEINE Seele, die leidet? DU brauchst momentan Hilfe, das merkst du ja selbst, sonst hättest du uns nicht geschrieben.
Könnte deine Mutter also trotzdem deine helfende Hand sein? Meinst du, du könntest ihr ehrlich sagen, wie es in dir aussieht - und dass eine ambulante Therapie momentan nicht wirklich hilft?

Dass deine Therapeutin diese Hand sein könnte, bezweifle ich gerade. SIe erzählt dir von "Jahreszeiten"...hm. Komisch. Wenn du der Meinung bist, keine Hilfe zu erfahren, kannst du nochmals wechseln. Du kannst so lange wechseln, bis du zu jemandem kommst, bei dem du dich wirklich aufgehoben fühlst. Das ist dein gutes Recht.

Könnte eine Freundin diese Hand sein, die dir beim Klettern hilft?
Du schreibst, dass dir jemand, dem du das alles mal erzählt hast, einen Klinikaufenthalt eingebrockt hat.
Ich möchte dich bitten, diesem jemand zu verzeihen. Er/sie hat ALLES richtig gemacht.
Warum?
Wenn ein Mensch, den man mag, davon erzählt, sich das Leben nehmen zu wollen, ist er genau in diesem Moment eine Gefahr für sich selbst und auch für andere. Viele springen aus Höhen, müssen gerettet werden, andere werfen sich vor den Zug (der arme Lokführer), andere machen schlimme Dinge...denk an den Piloten, der 150 Menschen in den Tod getrieben hat, weil ER nicht mehr leben wollte...er hat die Maschine in die Berge krachen lassen... und in so einem Fall ist eine Freundin/ein Freund sogar verpflichtet, das zu melden. Hättest du mir erzählt, dass du dich umbringen willst, hätte ich dir auch eine Einweisung auf den Hals gehetzt, einfach, um dich selbst zu schützen.

Klar, das ist erst einmal superärgerlich und beängstigend, denn man behält die Kontrolle nicht selbst...aber eigentlich kannst du froh und stolz sein, so jemanden zu haben, der so verantwortungsvoll handelt.

Egal, welche Hand du für dich als helfende Hand erkennst (es gibt ja noch viele Hände mehr, die in Frage kämen), such dir bitte eine aus und ergreife sie. Du brauchst Hilfe - und ich bin mir sicher, es wäre wirklich gut, nochmals in eine offene Klinik zu gehen. Schauspielern und so zu tun, als sei alles in bester Ordnung, aber innerlich zu brennen, ist SO schädlich.

Du scheinst ein intelligenter Mensch zu sein und ich bin mir sicher, dass noch einige gute Chancen auf dich warten, wenn du nicht durch Ängste und anderes gehemmt wirst. Diese bauen sich aber nur ab, wenn du therapiert wirst und lernst, im Alltag mit diesen Dingen umzugehen. Die therapeutischen Fragen nach Schulproblemen kratzen mir da zu sehr an der Oberfläche. Es müsste vor allem darum gehen, dass du lernst, dich als Person wieder zu lieben. Dass du deinen Wert wieder kennen lernst und weißt, warum es dich gibt. Dass du wieder siehst, was du erreichen willst, was dir wichtig ist, wo deine Stärken liegen und dass du Schwächen haben DARFST. Es sollte darum gehen, dass dir Wege gezeigt werden, die du gehen kannst (gehen musst du sie alleine) und du nicht immer wieder in der Sackgasse vor der Mauer landest.

Ich bitte dich inständig, habe den Mut und geh es erneut an. Das ist KEINE Schande! Es gibt so gute therapeutische Kliniken, in denen man nicht weg geschlossen wird, wenn man selbst dort hin will. Habe den Mut, offen dazu zu stehen, dass dein Problem eben NICHT gelöst ist. Wehre dich gegen Therapiepraktiken, die dir nicht gut tun. Für dich! Für deine Heilung! Wenn du merkst, dass es so nicht läuft, fordere lautstark andere Methoden an, erkundige dich, wo es solche offenen Kliniken gibt. Es kann gut sein, dass deine Mutter erst einmal einen Schreck kriegt und sich denkt: "Oh bitte...nicht schon wieder...", aber das muss dir erst einmal egal sein. Es geht um DEINE Gesundheit. Und deine Mutter wird das checken und sie wird dir ihre Hilfe schenken, da bin ich mir sicher. Du bist ihre Tochter.

Trau dich, für dich einzustehen, auch wenn du vielleicht dann mal zeitweilig eine Last bist. Das ist ok! Das darf so sein! Kämpfe dafür, dass es dir wieder gut gehen darf. Ich bin mir sicher, dass du das kannst, denn man merkt aus deiner Mail, dass du nicht aufgegeben hast. Du suchst nach der Hand...nach dem Weg über die Mauer. Er fordert Kraft, aber ich traue dir das voll zu.

Solltest du noch Fragen haben, kannst du gerne unter "Feedback" nochmals schreiben.

Alles Liebe! Ich glaube an dich.

Dana