Problem von Anonym - 53 Jahre

Mutter klammert

Hallo,
> mein Problem ist meine Mutter, ich muss aber etwas ausholen, damit sie mich verstehen.
> Meine Eltern waren 52 Jahre verheiratet. Ich (53) bin die einzige Tochter und habe selber eine 27jährige Tochter. Mit den Männern habe ich nie so richtig Glück gehabt. Dadurch war mein Vater die männliche Bezugsperson für meine Tochter. Da ich sie praktisch alleinerzogen habe, haben mich meine Eltern immer sehr unterstütz dabei. Dies hat aber Zufolge, das ich mich nie richtig abgenabelt habe. Meine Freunde wurden im Großen und Ganzen immer akzeptiert. Ich habe auch dann seit meine Tochter Erwachsen ist und nicht mehr bei mir wohnt ein eigenes Leben mir aufbauen können und konnte auch tun und lassen was ich wollte, was meine Eltern auch so akzeptiert haben. Letztes Jahr ist ganz plötzlich mein Vater verstorben und ca. 1 Jahr vorher habe ich einen neuen Mann kennengelernt. Wie schon gesagt, sie haben ihn akzeptiert.
> Meine Mutter war immer schon etwas schwierig. Mein Vater war ein lieber und ruhiger Mensch, er kam mit jedem aus und fand auch in der Gesellschaft schnell Anschluss. Jetzt im Nachhinein kommt mir der Gedanke, das meine Mutter nur akzeptiert wurde weil sie halt die Frau meines Vaters war. Sie ist ein guter Mensch, hat aber eine Art die oft beleidigend und verletzend ist. Selbst am Krankenbett meines Vaters fand sie oft keine lieben Worte. Sie war zwar traurig als mein Vater gestorben ist aber das schlimmste für sie ist das Alleinsein und sie möchte bemitleidet werden.
> Dies ist auch das Problem was ich mit ihr habe. Sie ist mit ihren 79 Jahren noch ziemlich fit, möchte aber am liebsten, das ich mich Tag und Nacht um sie kümmere. Sie möchte mich ganz für sich alleine haben und versucht meinen Freund zu vergraulen. Jeden Abend nach der Arbeit gehe ich zu ihr für ca. eine halbe Stunde. Wir reden und wenn sie ein Problem hat versuche ich ihr zu helfen. Einmal in der Woche gehe ich mit ihr Einkaufen. Den Rest der Woche sitzt sie Zuhause rum langweilt sich oder guckt Fernsehen. Ab und zu geht sie zum Friedhof aber soziale Kontakte knüpft sie nicht. Am Wochenende kommt mein Freund zu mir und wir möchten gerne auch mal etwas alleine unternehmen. Dies ist aber nicht möglich, weil sie jedes mal fragt, was macht ihr am Wochenende nehmt ihr mich da mit? An Ostern waren wir Freitag, Sonntag und Montag mit ihr zusammen. Als wir ihr sagten am Samstag unternehmen wir was alleine, war sie am jammern \" ausgerechnet am Ostersamstag lasst ihr mich ganz
> alleine\". Sie würde am liebsten mit uns in Urlaub fahren, dies möchten wir aber beide nicht. Es gäbe nur Stress und Zank und müssten uns nur immer nach ihr richten.
> Bitte geben Sie mir einen Tipp, wie ich es machen kann, ohne ihr weh zu tun, das sie versteht, das ich mein eigenes Leben führen möchte.

Dana Anwort von Dana

Liebe Unbekannte!

Ich hoffe, es ist ok, wenn ich DU sage, das machen wir hier eigentlich immer. Es bringt einfach auch mehr Nähe als ein distanziertes Sie. :)

Das Problem bei der Problemlösung wird sein: ohne Verletzungen wird es nicht vonstatten gehen...aber du hast Recht, dass du unbedingt deinen Freiraum brauchst. Sein eigenes Leben aufzuopfern, das ist nicht das, was sinnvoll ist. Es ist schön, dass du dich jeden Tag eine halbe Stunde deiner Mutter widmest und mit ihr am WE einkaufen gehst. Das machen viele Töchter nicht. Von daher: Hut ab, das finde ich toll!

Mehr allerdings muss auch nicht sein. Kann, aber muss nicht. Natürlich wird deine Mutter sehr traurig sein, aber du musst dich da auch selbst abgrenzen dürfen. Das ist schwer, da kann ich online auch nicht wirklich helfen, denn wie soll ich dir eine Gesprächsführung aufdrücken, die dann vielleicht aufgrund der Reaktionen gar nicht deine ist?

Deine Mutter muss lernen, dass sie geliebt wird, auch wenn sie mal nicht mit euch zusammen ist. Das ist sicher die wichtigste Botschaft. Sie kann dich nicht dafür verantwortlich machen, dass sie nun alleine ist, das ist der falsche Weg. Ich weiß, sie tut dir leid, aber du musst ihr klar sagen, ohne durch die Blumen, dass du sie sehr lieb hast, aber einfach auch dein eigenes Leben leben musst und willst. Und dass es ein Unding ist, dir ein so schlechtes Gewissen zu machen, nur weil du nicht nonstop mit ihr zusammen bist. Grenze dich klar ab, mache Kompromisse, wenn es für dich gut ist und sich gut anfühlt, mache keine, wenn du es nicht willst. Es kann nicht sein, dass du die Zeit bis zu ihrem Tod dir dauernd wünschst, dass sie endlich stirbt...das wäre schlimm.

Vielleicht gäbe es auch die Möglichkeit, ihr die ein oder andere Aktivität ans Herz zu legen? Es gibt so schöne Senioren-Cafés, so nette Veranstaltungen...und da lernt man dann auch neue Menschen kennen. Vielleicht fährst du sie die ersten Male hin...und danach geht sie selbst, weil sie will? Sie muss einfach wieder auf die Beine kommen, sie darf nicht deine Beine nehmen, um zu gehen. Sie braucht dich, klar, aber du gibst ihr auch viel und hilfst ihr. Lass dir nicht einreden, dass das nicht reicht. Habe stets ein offenes Ohr, aber arbeite auch immer wieder daran, dass du sagen kannst: "Mama, bei aller Liebe für dich: jetzt nicht." Ruhig auch begründen, aber stark bleiben. Es ist ein Lernprozess, sie muss die Verlassensangst verlieren.

Ja, es ist SEHR schwer. Eine Gratwanderung. Aber leider musst du diese alleine bestreiten. Es gibt noch die Möglichkeit, vorher mal bei einer Erziehungsberatungsstelle anzurufen. Ja, klingt vielleicht bekloppt, aber die sind bei Familienproblemen zur Hand. Es kostet auch nichts. Es können Eltern anrufen, Kinder anrufen, erwachsene Kinder anrufen...kein Problem. Vielleicht bekommst du da noch Tipps, die ich jetzt vergessen habe.

Aber ich denke, da geht es auch um die beiden Sachen:
1. menschliche Bestätigung (Ja, ich liebe dich sehr!)
2. klare Abgrenzung (ich muss das jetzt alleine, ohne dich machen.)

Ich wünsche dir sehr, dass du die richtigen Worte findest. Manchmal bringt es auch etwas, sich vorher so einen Dialog mal aufzuschreiben, dass du nicht in dem Moment dann nicht weißt, was du sagen sollst und aus Versehen dann das Falsche sagst.

Alles, alles Liebe!

Dana