Problem von .... - 20 Jahre

HILFE!!!

Guten tag.
Ich traue mich nicht zu einem psychologen weil ich angst habe.
Ich hab in meinem Leben noch nicht viel erreicht. Das meiste was ich angefangen habe, habe ich auch wieder abgebrochen.
Ich weis einfach nicht weiter im leben. Ich versuch es mir aber auch nicht anmerken zu lassen. Ich will stark sein für meine freunde und meine familie, die haben ja auch probleme und ich bin so zu sagen eine vertrauensperson für alle.
Ich will ja auch keinen zurückweisen aber ich schaff das nicht, mit den problemen von anderen und meinen eigenen.
Ich weis echt nicht mehr was ich machen soll!!
Liebe grüße.

JuliaG Anwort von JuliaG

Liebe Unbekannte!

Beim Durchlesen deiner Zuschrift merkte ich, was für ein riesiger Druck in dir herrscht und dass dich dieser dermaßen belastet. Dass du im Moment so verzweifelt bist, macht mich wirklich betroffen. Ich verstehe, dass dich all das an dir zweifeln lässt - kann mir gut vorstellen, dass deine Zweifel überhand nehmen, sobald du dich mit anderen vergleichst, was die nicht alles schon erreicht haben.

Aber dich unter Druck zu setzen, hilft dir doch nicht weiter, liebe Unbekannte. Im Gegenteil: Du schadest damit eher dir und deinem Vertrauen in deine Fähigkeiten! Selbstverständlich ist es wichtig, dass du dir Gedanken über deine Zukunft machst. Andere, die sich nicht einmal gedanklich damit auseinander gesetzt haben, haben dementsprechend Karriere-technisch auch nicht viel erreicht. Aber DU bist pflichtbewusst! Du kümmerst dich trotz vieler Rückschläge um dein Umfeld - DAS ist wirklich bemerkenswert und auch ehrbar!

Ich kann es gut nachvollziehen, wie sehr dich deine bisherigen Abbrüche herunter ziehen und demotivieren. Irgendwann hat man halt keine Kraft mehr und glaubt vielleicht auch nicht mehr so an sich selbst. Ich glaube jedoch, dass für dich einfach noch nicht das richtige dabei war - und möglicherweise hast du so schnell wie es geht nach Alternativen gesucht, bei denen du leider ebenfalls einen Kompromiss eingehen musstest. Klar, das muss man immer, egal wo. Aber gerade, wenn es sich um einen Beruf handelt, sollte jeder das machen, wo er mit ganzem Herzen dabei ist - das ist auch wichtig für dich!

Hast du es denn schon mal mit einem "Freiwilligen Sozialen Jahr" (FSJ) versucht?
Das ist ein einjähriges Praktikum bei einer Stelle / einer Einrichtung deiner Wahl, in der du dich ausprobieren kannst und das dir bei deiner Berufswahl helfen kann. Auf dieser Homepage kannst du dich rund um das FSJ informieren: http://pro-fsj.de/
In meinem Bekannten- und Freundeskreis habe ich positive Rückmeldungen dazu bekommen und letztendlich war jeder einzelne von ihnen froh, diese Erfahrung mitgenommen zu haben!

Liebe Unbekannte, ich möchte dir Mut machen und dir noch einmal gerne sagen, dass du dir keine Platte darüber machen musst, dass es für dich mit 20 Jahren schon zu spät für einen weiteren Versuch ist. Ich habe gleich nach dem Abi mit meinem Studium begonnen, weil ich einfach Glück hatte, zu diesem Zeitpunkt schon zu wissen, für welche Arbeit mein Herz schlägt. Und im ersten Semester angelangt, habe ich mich mächtig gewundert, dass viele diesen Studiengang besuchen, die fünf bis zehn Jahre (ja sogar zum Teil 15 Jahre!) älter sind als ich. Diese Leute haben vorher schon jahrelang in einem festen Beruf gearbeitet und müssen eine Familie ernähren. Einige andere haben sich nach der Schule eine Auszeit genommen. Für wieder andere ist es bereits der 3. Versuch, das passende Studium zu finden. Und dann gibt es noch einige, die sich bisher mit Gelegenheitsjobs über Wasser gehalten haben.

Verstehst du, was ich dir damit gerne sagen möchte? Es ist für einen Neubeginn NIE zu spät - egal wie alt man ist. Und vor allem ist es das mit 20 Jahren nicht. ;) Letztendlich möchtest du im Alter auf ein Leben zurück blicken, das dich erfüllt hat und dich an einen Punkt der Glückseligkeit bringt. Lass dir also auf keinen Fall einreden: "Wie kannst du nur? Jetzt fängst du schon wieder mit was neuem an!?" und lass dich schon gar nicht entmutigen durch: "Das ziehst du doch eh wieder nicht durch!"

Soll ich dir was sagen, liebe Unbekannte? Wenn es so kommt, dann ist es ebenso. Das gehört zu deinem Weg der Selbstfindung. Und nichts ist wichtiger, als einmal voller Stolz sagen zu können: "Ich weiß wer ich bin und ich bin glücklich mit mir!"


Ich finde es super, dass du für deine Familie und deine Freunde wie der Fels in der Brandung bist! Das zeigt mir, dass du eine sehr ausdauernde, strapazierfähige Person bist, um all die Tiefs deiner Liebsten mitzumachen. Da hast du meinen vollen Respekt, da ich mir sehr gut vorstellen kann, wie anstrengend das für dich sein muss - gerade jetzt, wie du uns schreibst.

Auch hier möchte ich dich beruhigen. Du brauchst dir nicht mehr Druck zu machen, als ohne hin schon vorhanden ist. Ich bin mir 100%ig sicher, dass du bereits allen bewiesen hast, dass du immer für sie da bist - und das mit ganzer Seele! Du hast dich mit ihnen gefreut und sicherlich auch mit ihnen gelitten. Aber niemand verlangt, dass du das 24 Stunden / 7 Tage die Woche machen musst und dich nicht mitteilen darfst. Anderen zu helfen wird immer dann zur Last, wenn man selbst nicht mehr kann. Und das ist in deinem Fall leider schon eingetroffen, wie du bereits selbst bemerkt hast. Genau dann wird es nämlich noch schwieriger, eine Lösung für die Probleme der Mitmenschen zu finden, wenn es einem selbst total mies geht. Es ist schwer für den Menschen seine ganze Kraft für zwei Dinge gleichzeitig aufzubringen.

Nimm dich daher nun etwas mehr zurück und teile dich bitte deiner Familie und deinen Freunden mit! Jedem geht es irgendwann einmal schlecht - und das darf es auch, liebe Unbekannte! Sich selbst auch einmal kraftlos zu fühlen, ist das menschlichste auf dieser Welt, glaube mir. Du weist damit niemanden zurück, denn schließlich bist du nicht der einzige "lebendige Kummerkasten". Es ist nicht gut, wenn jedes Problem auf DICH abgeladen wird. Mache dir vielleicht einmal (am besten) zusammen mit deinen Liebsten Gedanken darüber, was du tun kannst / was ihr gemeinsam dafür tun könnt, um dich von IHREN Probleme soweit zu distanzieren, dass sie dich nicht belasten und du deinem Umfeld trotzdem beiseite stehen kannst.


Sich Hilfe zu holen (das kann auch, wie eben gesagt, im persönlichen Umfeld stattfinden) ist immer sehr wichtig und vor allem ENTLASTEND! Dieses Pflichtgefühl kannst du bereits deinen Mitmenschen wunderbar gegenüber bringen - jetzt brauchst du es nur noch für dich zu übernehmen. ;)

Liebe Unbekannte, ich hoffe, dass ich dir ein wenig den inneren Druck nehmen und dich dazu ermutigen konnte, dich deinem Umfeld anzuvertrauen. Erlaube dir, die Hilfe in Anspruch zu nehmen, die du im Moment wirklich benötigst. Das ist keine Schande. Alles Gute!

Mit lieben Grüßen

Julia