Problem von Clara - 15 Jahre

Selbstmordgedanken meiner Eltern

Hi,
2010 ist mein Vater sehr krank geworden und hatte starke Schmerzen. Damals war ich elf. Er hat meine Mutter und mich mehrfach gebeten, ihn umzubringen. Natürlich haben wir das nicht getan, und letztendlich ist er auch trotz intensiver ein Jahr andauernder Pflege durch meine Mutter und mich an einer Sepsis und ohne Beine gestorben. Danach sind meine Mutter und ich selbst psychisch krank geworden (Sie hat eine Schizophrenie und ich eine Depression und Angststörung). Aktuell ist unsere Situation sehr belastend für uns beide, da wir hochverschuldet sind und nächste Woche zwangsgeräumt werden sollen, obwohl wir keine neue Wohnung haben. Nun äußert auch meine Mutter häufiger Gedanken, dass und vor allen Dingen wie sie sich umbringen möchte. Normalerweise verhält sie sich mir gegenüber normal und versichert mir auch, dass sie sich nicht umbringen wird, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich ihr glauben kann. Ich hoffe, ihr könnt mir irgendwie weiterhelfen, ansonsten ist es auch ok, es tut gut, sich das einfach mal von der Seele zu schreiben.
Liebe Grüße, Clara

PaulG Anwort von PaulG

Liebe Clara,

natürlich wünsche ich euch viel Kraft und schnelle Besserung, was eure gesamte Situation angeht! Ich kann mir vorstellen, dass dies in Verbindung mit den Selbstmordgedanken deiner Mutter sehr an deinen Nerven zehrt. Ist deine Mutter denn bereits in einer Therapie, ihrer Probleme wegen? Denn ob ja oder nein: Ich kann dich eigentlich nur ermutigen, dir keine Verantwortung aufzubürden, die du nicht tragen kannst.

Es ehrt dich, dass du dich um deine Mutter sorgst, aber jede Veränderung muss auch von ihr ausgehen. Wenn sie - was ich nicht hoffe! - wirklich ernsthaft mit solchen Gedanken tragen sollte, so wirst du sie davon nicht abbringen. Und wenn es eine Möglichkeit gibt, dann nur, dass du deutlich machst, dass auch du Bedürfnisse hast. Es kann euch beiden nicht nützen, wenn du dich verhärtest, alles Mögliche versuchst und sagst, ohne sie zu erreichen. Wenn du ihr in so jungen Jahren eine Hilfe bieten möchtest, die du nicht leisten kannst. Grundsätzlich muss sie bei sich selbst ansetzen, muss erkennen, dass das Leben weitergeht - immer!, - und dass du, ihre Tochter, für sie Verpflichtung und Sinn zugleich bist.

Du bist fünfzehn Jahre alt, und in deinem Leben sind noch alle Wege offen. Was du uns geschrieben hast, spricht sehr für dich, auch wenn du es nicht leicht hast. Wo immer du im Alltag und Haushalt eine Möglichkeit siehst, ihr unter die Arme zu greifen, kannst du das für deine Mutter tun. Auch die Schule sollte, soweit es geht, nicht zu kurz kommen. Jedoch möchte ich dich insgesamt ermutigen, dir nicht zu verbieten, was dein Alter ausmacht: Zu träumen, zu wünschen, auch mal verrückt und nicht so ernst zu sein. Ihr steht vor einem schwierigen Abschnitt, aber ich glaube, ihr könnt auch diesen meistern - wenn ihr euch nicht der Verzweiflung ergebt. Zu deiner Mutter sagt sich das so leicht, ich weiß. Sie muss jedoch wissen, dass ihr eigener Tod keine gute Lösung wäre, für dich zumal nicht, und dass sie professionelle Hilfe dringend nötig hat. Selbstmord mag verlockend erscheinen, wenn alles, was man hatte, in Scherben fällt; wenn man als erwachsener Mensch eben noch im Berufsleben stand und einen Partner hatte, und plötzlich ist da nichts mehr. Dennoch gibt es Vieles, was sie im Diesseits halten sollte, und allem voran bist da du. Du kannst nicht in ihre Gedanken sehen, du weißt nicht, was als Nächstes kommt. Weder kannst du ihre Probleme lösen, noch solltest du sie zu deinen eigenen machen. Versuche, selbstständig zu werden, aber nicht vor der Zeit erwachsen; was immer du jetzt an Hoffnungen, Ängsten und Ärger verdrängst, um sie deiner Mutter nicht zu zeigen, wird irgendwann zu dir zurückkehren. Versuche, ihr Mut zuzusprechen, wenn du das kannst - aber lass dich nicht darauf ein, dich von ihrer Verbitterung, ihrer Leere anstecken zu lassen. Denn es gibt Wege, Möglichkeiten und Weisen, etwas zu verbessern; was immer sie sind, deine Mutter muss aus sich heraus erkennen, dass sie da sind. Dafür ist es wichtig, dass du sie zwar unterstützt, aber nicht zugleich dich selbst aufgibst. Es muss auch klar sein, dass du ein eigener Mensch bist, der - so übel euch das Leben mitgespielt hat - Bedürfnisse, Ängste und Sorgen trägt. Dies alles ist nicht nur ein Rat, es ist auch eine Hoffnung, die ich für dich habe: Denn wenn du dich selbst verlierst, wird deine Mutter vielleicht nicht mehr spüren, was nach allem noch geblieben ist: Ihr beide, füreinander. Und dass ihr zwei es wert seid, sich weiter für ein besseres Leben einzusetzen. Ich wünsche euch alles Glück und viel Hilfe dazu.

Liebe Grüße,

Paul