Problem von Anonym - 27 Jahre

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Hallo Anonyme,

ich möchte gerne auch etwas zu deinem Problem sagen.

In dem, was du schreibst, kann man sehen, dass du schon einiges Positives in dir hast, um dahin zu kommen, wo du hin möchtest - aber auch noch einige Überzeugungen, die es dir schwer machen.

Positiv ist:
- Du weißt im Grunde, dass es Unsinn ist, dich zu verbiegen
- Bei dir ging der innere Alarm los, als du Tendenzen zur Magersucht bemerkt hast
- Dass du dich bisher nicht in eine Beziehung gestürzt hast, die du nicht möchtest
- Dass du den Wunsch hast, dass sich andere für dich als Person interessieren

Hinderlich ist:
- Dass du glaubst, für Männer kategorisch unattraktiv zu sein
- Dass du glaubst, dass Männer von dir eingeschüchtert sind
- Dass du glaubst, du müsstest einem Rollenbild entsprechen, um einen Partner zu finden
- Dass du versuchst, dich kleiner zu machen, bzw. deinen "Makel" abzuschwächen

Die hinderlichen Überzeugungen passen eigentlich nicht zu dir und deinem Wunsch. Du möchtest keinen Partner, der bloß "auf große Frauen steht". Du möchtest keinen Partner, der zwar eigentlich "auf kleine Frauen steht", aber dich akzeptiert, weil du "immerhin" dünn, schwach oder was auch immer bist.

Ich würde dir raten, deine Selbstbild zu ändern. Du beziehst alles, was du auf der Partnersuche erlebst, auf deinen Glauben an das "Größenproblem".

Ich bin selbst 1.83m groß und war bereits mit 14 fast ausgewachsen. Ich hab damals den Glauben entwickelt, für keinen Mann jemals attraktiv zu sein. Ich war unglaublich verletzt davon, nicht als Frau gesehen zu werden. Das ging so weit, dass ich bei Komplimenten oder netten Worten von Männern geglaubt habe, sie würden mich demütigen wollen, da sie es ja offensichtlich nicht ernst meinen konnten. Ich hab es ihnen unmöglich gemacht, sich mir zu nähern, selbst freundschaftlich. Ich habe ebenfalls versucht, mich kleiner zu machen. Habe alles vermieden, was mich als "zu stark" wirken ließ. Hab mir verschiedene Kleidungsstücke verboten, da ich leichtes Übergewicht habe und Angst hatte, lächerlich zu wirken. Das war alles Blödsinn, alles verlorene Zeit. Ich war sehr lang allein, im Grunde meine ganze Jugend. Erst Anfang 20 begann ich, mich zu verändern und zu öffnen.

Das einzige und zugleich wichtigeste, was du an deinem Aussehen verändern kannst, ist, dass du zu dir stehst. Dass du verstehst, dass dein Körper kein Ding ist, mit dem dein gesellschaftlicher Status gemessen wird, sondern dein LEBEN. Was du (noch) als unperfekt siehst, ist etwas so Besonderes, dass es absurd ist, sich nur eine Sekunde dafür zu schämen.

Wieso tun wirs trotzdem? Weil der Wunsch nach Kontakt und Liebe so groß ist, dass wir bei den absurden Spielchen mitmachen, von denen wir hören, dass sie über unser Glück entscheiden. So wie das Spielchen "Du musst schön sein". Eifrig lernen wir die Regeln und schnell sind wir frustriert und permanent damit beschäftigt wenigestens ein paar Punkte gutzumachen. Aber dieses Spielchen ist nicht die Wahrheit. Es ist schlich und ergreifend nicht wahr, dass du nur geliebt wirst, wenn du "schön" bist. Dass du nur einen Partner findest, wenn du ins Rollenbild passt. Dass du keine anderen Menschen finden wirst, die dich als Person annehmen. Es gibt genug da draußen, glaub mir. Halt die Augen offen nach denen, denen diese Spielchen nicht das Wichtigste sind. Es geht nicht darum, gleich völlig
drüber stehen zu müssen. Es reicht schon, die eigenen Sichtweisen hinterfragen zu können. Und nach und nach die Überzeugungen mit eigenen Entscheidungen zu ersetzen.

Wie will ich sein?
Was ist mir wichtig?
Ist das mein tiefer Wunsch oder nur etwas, von dem ich denke, dass ich es mir wünschen sollte?

Mir hat das geholfen, meine wahren Wünsche als Wegweiser zu nehmen. Mittlerweile mag ich meinen Körper. Ich bin nicht dünn, ich hab keine perfekte Haut, eigentlich ist nichts perfekt - zugleich denke ich mir: Ich bin am Leben! Ich bin groß und stark. Ich grinse stolz, wenn mich jemand Mannsweib nennt - weil mir klar geworden ist, dass ich eigentlich gar keine zarte, zierliche Fee sein will. Es fühlt sich gut an, Wasserkästen die Treppe hochzutragen, mich nicht künstlich hilflos zu machen und vor allem - mich nicht für meinen Körper zu entschuldigen. Ich muss keiner Norm entsprechen. Und ich brauche keinen riesigen Mann an meiner Seite, damit mich als Frau fühle.

Konkrete Tipps: Du kannst auch die Rollenbilder in deinem Kopf auch erstmal breiter machen, wenn es dir schwerfällt, sie gleich ganz loszulassen. Versorg dich mit anderen Bildern. Ich hab mir z. B. so lange Plus-Size-Blogs angesehen, bis diese Bilder für mich genauso normal waren, wie Bilder von schlanken Frauen. Such dir Gegenbeispiele zu deinen Negativ-Überzeugungen. Bzw. sei erst einmal offen dafür, dass sie existieren. Jetzt
gerade schon, irgendwo, wo du es nicht mitbekommst. Und wenn du das wirklich möchtest, wirst du irgendwann ebenfalls zu denen gehören, die es anders machen, die nicht (nur) aus Äußerlichkeit Beziehungen führen. Oder wie auch immer du dich frei entschieden hast zu leben.

Alles Gute :)

Bernd Anwort von Bernd

Hallo und danke für Dein Feedback.

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Alles Liebe

Bernd