Problem von Anonym - 11 Jahre

Was ist aus uns Menschen geworden ?

Hallo,
Das hier ist kein wirkliches Problem aber ich möchte etwas loswerden bzw. etwas fragen.
Was ist aus uns Menschen geworden wir klauen , wir morden, wir vergewaltigen....
Es macht mich eben richtig traurig wie wir uns verhalten und benehmen besonders die drei Dinge die ich genannt habe machen mich einfach richtig fertig. Ist das unsere Natur ???
Warum sind wir Menschen so?
Ich weiß das nicht jeder so ist aber das es so viele Menschen gibt die so was schlimmes machen ist echt deprimierend. :( Ich hoffe andere sehen bzw. lesen das und fangen damit erst gar nicht an . Ich könnte bei so welchen Themen heulen unddas sagt eine 11jährige .
Liebes Kuka Team bitte beantwortet meine Fragen in diesem Text. :(

LG
Die trauroge 11jährige die sich über unsere heutige Menschlichkeit den Kopf zerbricht :(

Florian Anwort von Florian

Hallo Ratsuchende,


ja, es gibt auf der Welt Menschen die rauben, morden oder vergewaltigen. Das ist auch kein modernes Phänomen, sondern etwas was in menschlichen Gesellschaften seit Menschengedenken kulturübergreifend stattfindet. Doch im Laufe der Zeit nahmen diese Vorfälle tatsächlich immer weiter ab. Dies liegt an unseren entwickelten Werten und Normen sowie der verbesserten Verbrechensprävention und -Bekämpfung. Waren lange Zeit z.B. Mord z.T. legitim wenn er von einer herrschenden Bevölkerungsgruppe an eine niedrigere Schicht begangen wurden, so sind heute in allen Staaten Mord grundsätzlich eine Straftat und in den meisten Staaten wird zudem auf die Todesstrafe verzichtet. Heute findet in Deutschland in einem Jahr pro 100.000 Einwohner weniger als ein Mord statt. Diese Zahl war noch vor 50 Jahren deutlich höher.

Tatsächlich sinken bei allen Gewalttaten wie Körperverletzung, Sexualstrafdelikte und Raub die Zahlen pro 100.000 Einwohnern seit Jahren. Die Gesellschaft wird immer weniger gewalttätig. Nicht nur in Deutschland, auch in anderen Industriestaaten wie z.B. Frankreich, den USA oder Österreich werden solche Taten immer weniger verzeichnet. Der Eindruck, die Welt würde immer brutaler und gewalttätiger ist einem anderen Phänomen geschuldet: Dem technischen Fortschritt. Jedes Handy hat heutzutage eine Kamerafunktion. So kann von nahezu jeder Tat an der auch nur ein Zeuge mit Handy dabei war mitlerweile ein passendes Video von der Tat gefunden werden. Diese wird dann natürlich über die Medien verbreitet. Das sieht dann natürlich sehr brutal und gewalttätig aus, ist aber (ohne es kleinreden zu wollen) nur eine Einzeltat. Da über diese Einzeltat dann aber, aufgrund der schockierenden Bilder, immer häufiger berichtet wird (da sie Einschaltquoten garantieren) erweckt das den Eindruck überall würde es so zugehen und es würde immer schlimmer. Dabei ist das Gegenteil der Fall. Die Zahlen solcher Taten gehen zurück.

Was sagt das nun über die menschliche Natur aus? Der Mensch an und für sich besitzt drei nicht ganz trennbare Entscheidungsebenen: Dem Instinkt, den Gefühlen und dem Verstand. Der Instinkt ist die älteste und kraftvollste Entscheidungsebene. Sie entscheidet grundsätzlich über eine Frage bei Gefahrensituationen: Kämpfen oder Fliehen? Die Gefühle sind da um einiges komplexer. Verschiedenste Gefühle wie Angst, Wut, Hunger, Mitleid, Verärgerung, Freude, Trauer etc. in verschiedenster Kombination sorgen dafür das wir erlernte Verhaltensmuster abrufen und entsprechend handeln. Gerade starke Emotionen beim Erlernen eines Verhaltensmusters sorgt für eine immer wieder stattfindende Wiederholung. Diese kann sowohl funktional (zweckführend) als auch dysfunktional (nicht zweckführend) sein. Der Verstand wiederum, die neueste und auch schwächste Ebene beinhaltet das was wir Bewusstsein, logisches Überlegen und Rationalität nennen. Es entscheidet weniger spontan als die emotionale Ebene oder gar der Instinkt und lässt sich nicht selten durch die zweite Ebene überstimmen. Aber sie kann auch die zweite Ebene regulieren.

Jeder Mensch besitzt bestimmte Konfliktlösungskompetenzen. Wir können etwa unsere Emotionen kontrollieren. Obwohl wir z.B. das Verlangen haben eine Tafel Schockoloade auf einmal zu essen, kann unser Verstand einschreiten und durch Argumente versuchen dieses Verlangen zu reduzieren (etwa, weil man abnehmen möchte oder weil es ungesund ist etc.). Wird das verlangen allerdings zu lange unterdrückt und nicht durch ein Ventil (z.B. ab und an ein Stück Schockolade zu essen) gewinnt unsere emotionale Ebene die Oberhand. Dann ist die Tafel Schockolade schneller gegessen, als man es überhaupt wahrnehmen kann. Für gewohnlich wird dann der Drang wieder stark reduziert und der Verstand übernimmt wieder die Kontrolle. Dieser bemerkt nun den Verstoss gegen seine eigene Argumentation und versucht uns so Schuldgefühle und ein schlechtes Gewissen einzureden. Die emotionale Ebene reagiert darauf mit Schahmgefühlen.
Ähnliches lässt sich bei Straftaten erkennen. Genügend Menschen kämen in Versuchung eine Straftat zu begehen, etwa einen Diebstahl, wenn er niemals erwünscht werden würde. Doch das wir dies in der Regel nicht tun, hat mit der Selbstkontrolle zu tun. Unser Verstand besitzt ethisch-moralische Normen die uns verbieten zu klauen. Die Argumentation reicht von "es ist falsch" über "und wenn ich doch erwischt werde?" bis hin zu "wenn ich anderen Menschen schade, so schade ich mir selbst". Unabhängig davon wie die Argumente des jeweiligen Menschen aussehen, so werden wir als Konsequenz keinen Diebstahl begehen.
Doch was wenn bei einem Menschen diese Selbstkontrolle zu schwach ist oder gar gänzlich fehlt? Diese Menschen lassen sich leichter zu spontanen unüberlegten Situationen überreden. Das Verlangen den eigenen Reichtum zu erhöhen ist hierbei größer als die Selbstkontrolle. Als Konsequenz klaut dieser Mensch. Als weiteren Schritt könnte dieser Reue empfinden oder aber, weil es an Mitgefühl für das Opfer mangelt, eben nicht. Menschen denen es an Selbstkontrolle mangelt haben in der Regel dysfunktionale Verhaltensmuster von Kindheit an gelernt und wenden sie im Erwachsenenalter weiter an. Menschen die dies tun und auch keine Reue empfinden gelten als Soziopathen oder Psychopathen. Letztere machen nur einen geringen Prozentsatz (weniger als 1%) der Bevölkerung aus. Erstere kommen leider, aufgrund falscher oder gar mangelnder Erziehung, häufiger vor. Mann muss jedoch festhalten das weder Psychopathen noch Menschen mit mangelender Selbstkontrolle zwangsläufig straffällig werden. Die Anteile sind sehr gering. Trotzdem machen sie den Hauptteil von Straftätern aus.

Was bedeutet das nun genau? Zunächsteinmal kann man davon ausgehen, dass es nicht Teil der menschlichen Natur ist andere Menschen zu ermorden, zu vergewaltigen oder auszurauben. Vielmehr scheint es eine psychische Auffälligkeit zu sein. Eine Reaktion auf unterdrückte Gefühle und fehlerzogenen Verhalten.
Auch zeigt die Reaktion der Gesellschaft auf solche Taten wie die wahre Natur des Menschen ist. Für jedes Opfer eines Mordes werden Schreine durch Familienangehörige, Freunde, Bekannte, Nachbarn und Fremde am Ort des Geschehens errichtet. Es wird um die Opfer kollektiv getrauert. Es herrschen Mitgefühl mit dem Opfer und den Hinterbliebenen gezeigt durch Mitleidsbekundungen. Dies ist die einzige gesunde menschliche Reaktion auf einen solchen Vorfall.
Gleiches findet bei Vergewaltigungen statt. Auch wenn sich die Opfer regelrecht dafür schämen ein Opfer dieser Tat geworden zu sein, so ist das was sie durch andere Menschen erfahren stehts Mitleid und Mitgefühl. Gerade bei Fällen von Kindesmissbrauch zeigt sich dies besonders. Die Täter werden in solchen Fällen nicht grundlos kollektiv fast schon als Monster und somit nicht mehr als ein menschliches Wesen gesehen.
Dabei entscheidet hier nichteinmal die Verstandesebene ob wir mittrauern und Mitgefühl empfinden. Es entscheidet sich auf der Gefühlsebene. Der Verstand und damit auch unsere moraltischen Konzepte sind hierbei zweitrangig.


Wenn Du wissen willst was die Natur des Menschen ist, so darfst Du nicht auf die Taten schauen. Das sind Einzelfälle. Du musst auf die Reaktionen der Gesellschaft achten. Auf jeden Mord kommen mindestens 10.000 Menschen die deshalb trauern. Auf eine Vergewaltigungsfall pro Jahr kommen hunderte freiwillig tätige Helfer in Frauenhäusern und Vereinen zum Schutz von Opfern. Auf ein Angriff auf ein Asylbewerberheim gibt es rund 100 Freiwilligenvereine die sich um die Asylbewerber kümmern. Auf einen ausgelösten Krieg irgendwo in der Welt kommen Hunderte Lichterketten und Demonstrationen mit wiederum Tausenden von Teilnehmern, alleine in Deutschland.
Das sind die natürlichen Reaktionen eines Menschen, die überwiegend auf Gefühlsebene getroffen werden, aber auch mit unserer Moral vollkommen übereintrifft. Ein Mensch lacht, wir lachen mit. Ein Mensch weint, wir weinen mit. Ein Mensch fragt nach Hilfe, wir helfen. Auch wenn nicht jeder Mensch zu jeder Tageszeit dazu in der Lage ist (wegen Stress oder persönlicher Krisen), so beschreibt dies uns Menschen noch am besten.


Ich hoffe ich konnte Dir im Bezug auf Deine Sichtweise über den Menschen und seiner Untaten ein wenig weiterhelfen und Deine Fragen ausreichend beantworten.

Ich wünsche Dir alles Gute

Gruß
Florian