Problem von pity - 17 Jahre

Große Angst pädophil zu sein!

Hallo,
ich quäle mich jetzt schon länger mit dem bereits oben genannten Problem und hoffe, dass ich hier auf Verständnis treffe.
Ich weiß seit meinem 13. Lebensjahr dass ich bisexuell bin, da ich zu diesem Zeitpunkt gemerkt, dass mich auch weibliche Körper Gleichaltriger und Älterer ansprechen. Damit komme ich auch ganz gut zurecht :) ich habe allgemein noch kaum bis gar keine Erfahrung beim Thema Sex, kein Küssen, noch gar nichts.
Seit etwa einem halben Jahr plagt mich jetzt aber folgendes Problem: Ich habe schreckliche Angst davor pädophil zu sein. Ständig prüfe ich mich selbst, ob ich beim Anblick von Kindern und sogar Babies erregt bin. Ich horche ganz genau in mich hinein und zwinge mich auch ganz oft dazu bestimmte Szenarien in meinem Kopf ablaufen zu lassen. Und ja, häufig spüre ich dann eben untenrum ein Ziehen oder Kribbeln, was auch manchmal echt unangenehm wird. Seit ich das gemerkt habe versinke ich immer tiefer in einem dunklen Loch. Die Gedanken und Szenarien sind ständig da ebenso wie das Kribbeln. Ich fange oft an zu weinen deswegen, weil ich es ja nicht will! Niemand will pädophil sein, logisch gesehen, oder? Oft frage ich mich aber, ob ich das nicht alles nur heuchle, wirklich pädophil bin und das vor allem und jedem zu verstecken versuche. Ich traue mich kaum noch raus, weil da ja Kinder sind, wenn ich das Wort nur lese fängt meistens schon das Kribbeln an.

Ich bin so verwirrt und traue mir selbst kaum noch über den Weg. Dauernd frage ich mich: Würdest du nicht vielleicht doch...? Was wäre wenn...? Was wenn du dich nicht beherrschen könntest...?
Ich habe in meinem Alltag zum Glück so gut wie nichts mit Kindern oder Babys zu tun, ich wollte noch nie welche, selbst als ich noch jünger war!
Ich bin so durcheinander, auch weil ich eigentlich dachte, in einen Jungen verliebt zu sein. Ich könnte stundenlang von ihm schwärmen und jedes Mal wenn ich ihn sehe, kriege ich Atemprobleme und komme mir vor wie der letzte Depp. Ich weiß, hört sich sicher dämlich an...
Auch hab ich bis jetzt immer nur zu Videos masturbiert, in denen Erwachsene (Männer und Frauen) sich küssen oder wenn ich mir vorgestellt habe, dass ich mit Freundinnen geschlafen hätte.

Mir wäre früher nie die Idee gekommen auf illegales Material zuzugreifen und ich spüre bis jetzt auch noch nicht das Verlangen, aber diese Zweifel sind einfach immer da! Ganz oft Frage ich mich: Willst du vielleicht doch und versuchst es vor dir selbst zu verstecken...? Vielleicht gefällt dir das Kribbeln untenrum ja und du suchst jede Gelegenheit um es zu bekommen...?
Wirklich ich traue mich kaum noch alleine aus dem Haus, weil ich ständig die Angst habe, ich würde den Drang bekommen Kinder anzufassen, ich weiche Ihnen auf der Straße immer aus, vermeide jegliche Blickkontakt! Trotzdem ist da dieses Kribbeln und die quälenden Fragen: Willst du sie berühren? Würde es dir gefallen...? Was wäre wenn...?

Ich hab einen kleinen Cousin (2 Jahre etwa) und in seine Nähe traue ich mich kaum noch, fasse ihn fast nicht an, schaue ihn nicht mal an. Trotzdem ist da diese bescheuerte Kribbeln untenrum! Ich will das wirklich nicht, aber mein Körper lässt da kaum mit sich reden.
Ich weiß ich wiederhole mich, aber ich bin einfach so verwirrt! Da sind dauernd diese Fragen im Kopf und ich kann mich auf nichts mehr wirklich konzentrieren, ständig schieben sich diese Gedanken vor alles andere. Ich traue mich schon gar nicht mehr zu masturbieren, weil ich solch eine Angst vor meinen eigenen Gedanken habe.

Ich würde niemals zu diesen Gedanken masturbieren, mir würde vermutlich kotzübel werden. Das ist es mir leider generell ständig in letzter Zeit, ich esse kaum noch, zittere dauernd und bin aggressiv.

Entschuldigt dir Länge, aber das musste jetzt einfach mal raus :) ich hoffe wirkl

PaulG Anwort von PaulG

Liebe Pity,

habe ich dich richtig verstanden: Du befürchtest, pädophil zu sein. Du hast nicht gemerkt, dass du es bist, und merkst nicht, wie du es wirst - es ist eine Angst, die dich plagt, dass du es werden / sein könntest. Das müssen wir festhalten. Denn das Kribbeln, das du spürst, muss nichts bedeuten - wenn man bedenkt, dass es zuerst die Angst gab, dann hat sich dieses Gefühl eingestellt. Oder? Sowas kann genauso gut psychosomatisch sein: Also ein körperliches Empfinden, das Ausdruck eines psychischen Unwohlseins ist. Wieviele Menschen plagen sich mit Kopfweh, mit Bauchschmerzen und Ekzemen, weil sie eigentlich viel zu überlastet sind in ihrem Beruf, in der Schule, mit allem? Bevor ich dir erkläre, warum ich es für höchst unwahrscheinlich halte, dass du pädophil bist, muss ich das noch einmal hervorheben. Du hast eine Angst, und diese Angst plagt dich - aber du hast nicht die Erkenntnis gemacht, dass dich Kinder erregen, und bist deshalb entsetzt. Fasse Mut: Lass es uns einmal ganz realistisch und mit allen Mitteln des Verstandes betrachten.

Du bist siebzehn; ich bin zwanzig. Wir, die wir heute jung sind, sehen uns in eine Welt voller Sex und nackter Haut gestellt, die einen nicht selten - und das ist kein Verbrechen! - zutiefst überfordern kann. Schon in der fünften, sechsten Klasse sind die Leute regelrecht über-aufgeklärt, führen Begriffe im Mund, von denen sie nicht mal sagen können, worum es sich dabei handelt. Überall wirst du mit Werbung bombardiert, die ständig erotische Reize spielen lässt und entsprechende Szenen andeutet, von unzähligen Plakaten schreit es dir entgegen; zahllose Musikvideos, Filme und Serien sind damit vollgestopft, drehen sich eigentlich nur um das Eine. Blutjunge Mädchen setzen sich unter Druck, weil sie keinen Freund vorweisen können, oder meinen, mit vierzehn, fünfzehn unbedingt Geschlechtsverkehr haben zu müssen. Jungs treten in einen ekelhaften Wettbewerb untereinander, in dem Zärtlichkeit und Liebe völlig auf der Strecke bleiben. Und bei alledem hören wir aus den Nachrichten von Kindesmissbrauch, hören von pädophilen Straftätern und Inzest, hören von Gewalt gegen Kinder, sexueller Gewalt überhaupt. Nicht nur, dass uns der Sex und Körperkult zu Kopfe steigen, wir werden auch vor Missbrauch und Sexualverbrechen derart geängstigt, dass wir nicht aus noch ein wissen. Wo können Kinder heute noch unbewacht spielen? Meine Mutter ist kürzlich fünfzig geworden. Bei der Gelegenheit wurde in der Familie erzählt, wie man damals aufwuchs: In Wald und Feld, ohne große Aufsicht - und ja, auch da waren hin und wieder komische Gestalten... Ich will hier nichts verharmlosen. Es hat schon immer Sexualverbrecher gegeben, und jeder ist einer zuviel. Aber: Die Gefahren, die heute bestehen, sind deshalb nicht unbedingt größer. Jedenfalls wissen wir nicht, was real ist, und was Produkt einer ständigen Beschäftigung mit dem Thema. Sex sells - und gleichzeitig haben wir Angst vor Entgleisungen. Wir lassen zu, dass diese Dinge, mit denen Kinder eigentlich noch gar nicht umgehen können, fester Bestandteil ihres Alltags bleiben; und so sehr wir sie trotzdem schützen möchten, es gelingt nicht immer. Ein Ausweg aus diesem Kreis ist schwer zu finden. (Und wenn ich mal eine politische Bemerkung machen darf: In dieser Gesellschaft wundert man sich, dass Leute sich dem verweigern, und zum Beispiel ein Kopftuch tragen möchten. Quod erat demonstrandum.)

Du musst im Internet nur zwei, drei Klicks tätigen, um an härteste Pornographie zu kommen. Leider ist es nicht so, dass es einen hellen, gängigen, akzeptablen Bereich gibt, und einen dunklen, in den jemand, der nichts Böses im Schilde führt, nur schwer gelangen kann: Licht und Schatten verschwimmen, Gewaltszenen, verschiedenste Fetische, Demütigung von Frauen, stehen neben den normalen Bildern, die man sich so vorstellt - und an denen ja auch nichts Verwerfliches ist. Du stehst mitten innerhalb dieser Flut von Bildern, und da erwartest du ernsthaft von dir, dass es dich nicht auch manchmal irritiert? Sei etwas freundlicher zu dir. Traue dich, anzuerkennen, dass du keine schlechten Absichten hast, sondern dich in eine Angst hineingesteigert hast.

Der Dichter Theodor Storm, als er neunzehn Jahre alt war, hatte eine interessante Begegnung. An Weihnachten (es war das Jahr 1833) begegnete er Bertha, einer Tochter von entfernten Verwandten. Er schrieb ein paar Gedichte über sie, und in einem Brief, den er vier Jahre später an seine Tante (!) schrieb, lesen wir Folgendes:

"Seitdem ich sie an dem Weihnachtsabend gesehen hatte (...) bildete sich ein Gedanke in mir aus, dieses Mädchen geistig an mich zu fesseln. Und jetzt muss ich dir das Manchen Unbegreifliche sagen, ich habe schon damals das Kind geliebt. (...) Und zu dieser Überzeugung war nicht allein mein Herz, sondern auch mein Verstand berechtigt."

Die kleine Bertha war damals sieben Jahre alt.

Storms Ziel (bedenke, er war damals mehrere Jahre älter als ich!) war es, dass sie, wenn sie vierzehn geworden wäre, ihn heiraten sollte. Tja, das ging damals. Und darüber tauscht er sich mit ihrer Pflegemutter aus. Wir dürfen es nicht falsch verstehen: Er war von ihr fasziniert, er schrieb Verse für sie und über sie, er wollte ihr nichts zuleide tun, und er befand sich im Einklang mit dem, was zu seiner Zeit üblich war. Allerdings, heute würde man ihn wahrscheinlich vor Gericht und ins Gefängnis befördern.

Wie kannst du von dir erwarten, dass deine Gedanken immer dort bleiben, wo du sie haben willst? Ich sage nicht, dass es unbedenklich wäre, sexuelle Fantasien mit viel Jüngeren zu haben. Und du solltest stets darauf achten, wohin deine Erregung sich richtet, und vor allem, was dir ein Bedürfnis wird. Nicht jeder, der pädophil ist, sieht tatsächlich Kinderpornos; nicht jeder, der Kinderpornos sieht, wird auch selbst zum Täter. Es ist gut und geboten, sich stets und überall an seine Grenzen zu erinnern. Das gilt auch für dich und mich, die wir wissen, dass unsere Orientierung nach allgemeinem Verständnis "normal" ist. Jedoch kannst du nicht von dir erwarten, dass in einem Lebensabschnitt, in dem sich gedanklich, körperlich, neurologisch so unheimlich viel tut, du jeden Gedanken, jede Erregung, jede Gefühlsregung sofort einordnen kannst. Fantasien, die von irgendwoher ankommen, sind noch lange kein Hinweis darauf, was du tatsächlich willst; was du willst, ist noch nicht das, was du tun würdest. Du aber hast ja nicht wirklich Fantasien, dich an Kindern oder Babies sexuell zu betätigen, sondern eigentlich stößt es dich ab - könntest du sonst solche Furcht haben vor etwas, das du gar nicht empfindest? Die Angst war vor dem Gefühl, das Gefühl kommt aus der Angst, nicht umgekehrt. Du weißt sehr gut, dass pädophile Taten ein Verbrechen sind, auch wenn die Leute, die sie tun, sich ihre Triebe nicht ausgesucht haben; und wofür mir deine Angst zu stehen scheint, ist keineswegs eine sich anbahnende Ausrichtung, sondern vielmehr der Drang, sich auf keinen Fall mit diesen Menschen gemein zu machen.

Bringen wir es auf den Punkt: Deine Angst ist kein Zeichen, dass du pädophil bist oder würdest, sondern eher noch ein Beweis, dass du es nicht bist und werden wirst! Ich vertraue dir. Ich glaube nicht, dass von dir irgendeine Gefahr ausgeht oder ausgehen kann. Das Kribbeln, das du beschrieben hast, steht in enger Verbindung mit der Furcht, irgendetwas zu fühlen, das nicht sein soll. Andererseits: Wissen wir, was das eigentlich wäre? Wissen wir, wie genau sich so etwas anfühlt? Nein. Wir müssen zwar darauf achten. Aber deswegen muss man trotzdem trennen zwischen dem Drang, solche entsetzlichen Taten zu begehen, und der grundsätzlichen Einstellung, dass sie ein Verbrechen sind, das man aufs Härteste von sich weisen möchte. In der menschlichen Seele sind viele Winkel mit seltsamen Auswüchsen, mit befremdlichen Gedanken und verstörenden Vorlieben. Vermutlich hat fast jeder Mensch eine geheime Fantasie oder Wunschvorstellung, die er nicht mal mit seinem Partner teilen kann. Das bedeutet noch nicht, dass er sie umsetzen würde - sofern sie gefährlich ist. Und es darf auch nicht die Vielfalt der Gedanken und erregenden Bilder, unter denen einige vielleicht fragwürdig sind, gleichgesetzt werden mit einer umfassenden Orientierung, die einen dazu treibt, Straftaten zu begehen.

Versuche also, dich ein wenig lockerer zu machen: Ich sehe keine Gefahr für dich und von dir! Es ist sicher kein Fehler, es mit einer Therapie zu versuchen, wenn du dir davon versprichst, deine Ängste in den Griff zu bekommen. Und natürlich solltest du auch durchaus beobachten, wohin deine Gedanken wandern, und ob sie etwa zu dringenden Wünschen werden. Im Allgemeinen aber: Bemühe dich, zu trennen zwischen der Unzahl von Reizen, die deine Sinne vernebeln, zwischen der großen Zahl verschiedener Gedanken, mal diese, mal jene - und dem Kern des Ganzen, deiner sexuellen Orientierung, die doch gleichaltrigen Frauen und Männern gilt. Alles klar? Prima!

Liebe Grüße,

Paul