Problem von Anonym - 27 Jahre

Er kifft...und ich ertrage es nicht

Hallo zusammen.

Seit knapp Monaten bin ich nun mit meinem Freund zusammen. Das ist keine besonders lange Zeit, ich weiß.

Vom Hören / Sehen kannte ich meinen Freund schon eine lange Zeit. Wir sind im selben Dorf aufgewachsen, da vergisst man nun mal keine Gesichter :D Aber ich hatte erst nicht vor, ihn richtig kennenzulernen, weil man über ihn halt gesagt hat, dass er den Drogen nicht abgeneigt ist ( Grasm Koks, Crack, LSD) . Ich aber...ich habe etwas gegen alle illegalen Drogen, ich finde, sie verändern den Charakter eines Menschen und man rutscht schneller in eine Abhängigkeit, als man gucken kann. Nunja, von mehreren Seiten wurde mir aber - unabhängig voneinander - erzählt, dass sich mein (da noch nicht) Freund schon längere Zeit von solchen Drogen fernhält. Und naja...so fing ich an, ihn kennenzulernen.

Als ich ihn kennenlernte befand ich mich außerdem in einer Phase, in der ich eigentlich gar keine Beziehung wollte. Ich muss dazu sagen, dass ich einen 6-jährigen Sohn habe...da denkt man auch lieber 2 mal über so etwas nach. Ich war ganz zufrieden mit meinem Singleleben. Aber er hat gekämpft und einfach die süßesten Sachen gemacht...da wäre jede Frau irgendwann schwach geworden.

Die ersten Monate war alles wie im Traum. Ich glaube, dass ich noch nie so verliebt war und niemals so schnell einen Menschen so oft in meiner Nähe haben wollte, als ihn. Kaum war er weg, bekam ich die süßesten Nachrichten. Er kam jeden Tag nach der Arbeit, egal wie spät es war, noch mit dem Zug zu mir (wir wohnen so ca. 25 km auseinander, er hat keinen Führerschein), er hat sich sofort super mit meinem Sohn verstanden ( Zitat meines Sohnes zu ihm: "Ich kann auch dein Sohn sein, wenn du möchtest"...dabei hat er regelmäßigen Kontakt zu seinem leiblichen Vater) Kurzum...es war zu schön um wahr zu sein.

Vor knapp 2 Monaten fing es an...die Besuche wurden weniger...und dann kürzer. Die Nachrichten, zwar immer noch süß, seltener und kürzer...ich könnte jetzt noch ewig um den heißen Brei herum reden, aber im Endeffekt hat er mir letzte Woche gestanden, was ich schon lange befürchtet habe...er kifft wieder. Und da ich daraufhin eine Nacht bei ihm verbracht habe, weiß ich, dass er nicht gerade wenig konsumiert (direkt nach dem aufstehen ein paar Züge!!!)

Tja...jetzt sitze ich hier und weiß nciht weiter. Ich weiß, dass er mich liebt und ich ihn natürlich auch. Aber ich merke doch, wie der Konsum ihn mehr und mehr teilnahmslos und gefühlskalt werden lässt. Ich kann schon anhand seiner Nachrichten erkennen, in welchem Bewusstseinsstadium er sich befindet...wenn er sich denn überhaupt meldet.

Ganz am Anfang aht er mir versprochen, mir und meinem Sohn so einen Rückfall nie anzutun...und jetzt weiß ich auch, warum. Damals hat er noch eingesehen, wie er wird, wenn er kifft...jetzt nicht mehr.
Natürlich ist er auch deswegen kaum noch bei mir. Er sagt, er hält sich von meinem Sohn fern, wenn er denn das Bedürfnis zu Kiffen verspürt. Aber letztens war er da und hat auch bei mir übernachtet...und es war erschreckend. Er lag die halbe Nacht wach, war total unruhig und...nervös irgendwie. Kann er jetzt also nicht mal mehr eine Nacht ohne, oder wie?

Ich kann nicht dabei zusehen, wie er mich mehr und mehr vergisst....es macht mich krank, es belastet mich so sehr, dass ich seit dem Tag keinen Appetit habe und wirkliche (nicht nur sinnbildliche) Herzschmerzen. Aber jedes Mal, wenn ich gerade am tiefsten Punkt angelangt bin, da kommt von ihm doch wieder irgendeine Nachricht oder er steht auf einmal vor meiner Tür...als würde er das spüren :D

Ich weiß, dass ich ihn nicht vor eine Wahl stellen kann....so etwas muss schon von ihm selbst kommen. Aber ich weiß auch, dass ich das nicht ewig mitmachen kann. Nur, wie soll ich ihm das klar machen, sodass es nicht wie eine "Drohung" rüberkommt? Ich bin so verzweifelt...

Anna Anwort von Anna

Hallo Du,

danke für Dein Vertrauen und die detaillierte Darstellung Deiner schwierigen Situation. Ich kann verstehen, dass Du Dich momentan nicht wohl fühlst und es Dir schwer fällt, eine Entscheidung zu treffen, wie Du nun damit umgehen sollst.

Am Anfang des Textes dachte ich, dass der Konflikt eher von Deiner Seite aus kommt. Ab und zu mal einen Joint rauchen - da würde so manch einer sagen, dass das doch nichts Schlimmes sei. Aber je mehr ich las, desto mehr wurde mir klar, dass Dein Freund wahrscheinlich unter einen richtigen Sucht leidet. Er hat einen Hang zu Drogen von dem er nie so ganz los kam und er selbst reflektiert diesen Konsum mittlerweile auch schon als Sucht, wenn er sich absichtlich von Deinem Sohn fernhält, wenn Wörter wie "Rückfall" fallen und er spürt, wie die Beziehung darunter leidet. Um Dir/ Euch sicher zu sein, hier findest Du eine "Checkliste" der Caritas zum Thema Sucht:
http://www.caritas.de/hilfeundberatung/ratgeber/sucht/binichsuechtig/wie-machen-sich-suechte-bemerkbar

Du solltest Dir im Klaren darüber sein, dass eine Sucht weder über Nacht (oder kurzweiligen Konsum von Drogen) entsteht und auch nicht über Nacht wieder verschwindet. Eine lange Vorgeschichte macht Deinen Freund heute zu dem, der er ist und es ist nun an Dir zu entscheiden, ob Du diesen Weg mit ihm zusammen gehen möchtest oder nicht. Das ist jetzt ganz wichtig, dass Du diese Entscheidung für Dich und somit auch für Deinen Sohn triffst, denn nur so behälst Du die Zügel für Dein eigenes Leben in der Hand. Entscheidest Du Dich für Deinen Freund mit all seinem Drum und Dran, kommt gleich der nächste Punkt zum Tragen - Grenzen setzen. Es ist enorm wichtig für Deine seelische Gesundheit, klare Grenzen für Dich abzustecken und diese durchzuziehen. Zum Beispiel möchtest Du ihn nicht sehen, wenn er unter Droheneinfluss steht, dann solltest Du das auch konsequent so durchziehen. Wichtig ist hier bei nicht nur Dein eigener Schutz und die Kontrolle über Dein Leben, sondern auch, dass Dein Freund sich an diesen Grenzen orientieren kann. Denn so wird sein Drogeneinfluss zu SEINEM Problem, denn ER hat dann die Nachteile, zum Beispiel dass er Dich nicht sehen darf etc. Und nur so kann ER die Entscheidung treffen, ob es ihm die Drogen dann noch wert sind. Somit stellst Du ihn vor die Wahl - nicht vor eine große wie "Drogen oder ich", sondern vor viele kleine Wahlen, bei denen er die Möglichkeit behält, sich aus sich heraus richtig zu entscheiden und eine weniger große Versagensquote hat.

Du liebst Deinen Freund, weißt, dass er Dich liebt, Du hälst ihn für einen guten Menschen, den Du sehr wertschätzt und findest, dass ihr an sich super zusammen passt - das sind tolle Voraussetzungen für eine gute Beziehung. Dass Du nicht willst, dass dieser Mensch ständig in einem fernen Bewusstseinszustand schwebt, ist nur verständlich. Beständigkeit im Charakter ist das, was uns als Individuen ausmacht und die verlieren wir durch Drogenkonsum. Wenn Dein Freund merkt, dass Du an ihn glaubst und dass Du ihm gleichzeitig Grenzen setzt, könnte das eine gute Mischung sein, um gemeinsam die Sucht zu bewältigen.

Ich wünsche Dir auf jeden Fall alles Gute!

Anna