Problem von Jennifer - 30 Jahre

Trennung und plötzlich schwanger

Mein Problem ist sehr komplex, ich lebte mit meinem Ex bis Anfang des Jahres noch zusammen! Es gab extreme Gewalt in der Beziehung, er hat mich gewürgt, geschubst, mit der Faust im Gesicht grün und blau geschlagen und zum Schluss auch den Arm gebrochen...und das alles wenn zuviel Druck von Job, Elternhaus und mir kam! dann hat er sich von mir getrennt, weil alles zu kompliziert war und ich wollte noch um ihn kämpfen, aber er hat immer mehr mit Ablehnung reagiert! als ich dann umgezogen bin musste ich feststellen, dass ich schwanger bin, somit habe ich mich dagegen entschieden, ihn anzuzeigen, denn er hätte vor Gericht sonst herausgefunden, dass ich schwanger bin und ein gemeinsames Umgangsrecht kann ich mir bei der Vorgeschichte nicht vorstellen! zusätzlich hatte er mir mal gesagt, dass er mich schon sehr lange betrügt, wobei ich nicht weiß, ob das stimmte! nun ist es so, dass ich jede Nacht sehr schlecht träume und quasi alles versuche zu verarbeiten, ich weine sehr viel, weil ich alleine schwanger bin und sich dadurch auch keine Vorfreude auf das Baby einstellen kann! ich möchte vom sehr starken Liebeskummer endlich wegkommen, um nach vorne zu blicken und wieder die schönen Dinge sehen, aber das ist sehr schwierig, insbesondere weil keiner da ist, der sich mit mir auf das Baby freut und noch dazu weiß jeder was der Vater gemacht hat in der Beziehung! wie kann ich es besser verarbeiten und wieder positiv denken?

Nuala Anwort von Nuala

Liebe Jennifer!

Auch wenn der Anlass deiner Nachricht kein schöner ist, sehe ich Licht. Aus meiner Sicht bist du schon jetzt auf einem guten Weg, was bestimmt auch damit zusammenhängt, dass du großes Glück gehabt hast.

Als Glück sehe ich es an, dass dein Ex dich verlassen hat - und wie du selbst sehr treffend formuliert hast, bei dieser Vergangenheit eurer Beziehung ist keine Zukunft denkbar. Weder du, noch dein ungeborenes Kind dürfen je (wieder) in die Gewalt dieses brutalen Mannes geraten. Nicht auszudenken, was er mit dem kleinen Kind machen würde, wenn er sich mal wieder nicht unter Kontrolle hätte... furchtbar. Du merkst, dass ich schon ein Stück weit mitleide nach deiner Schilderung seiner Brutalitäten. Umso mehr zweifle ich an, dass es sich tatsächlich um Liebeskummer handelt... vielleicht ist es vielmehr der Schmerz, keinen liebevollen wertschätzenden Partner gehabt zu haben und stattdessen würdelos behandelt worden zu sein?
Natürlich kann da schon Zuneigung mitschwingen, denn bestimmt hat er dich nicht von Anfang an misshandelt. Doch finde ich es gefährlich, deinen Kummer als Liebeskummer zu klassifizieren. Das ist 1. verharmlosend und 2. glaube ich, dass sich echte Liebe schnell auflöst, sobald Gewalt und somit Angst in die Beziehung treten.

Ich interpretiere deine Zeilen so, dass du dein Baby behalten möchtest, trotz der widrigen Umstände. Das finde ich sehr gut, auch wenn ich eine gegenteilige Entscheidung ebenso nachvollziehen könnte. Dein Kind hat alle Chancen, zu einem lebensfrohen und ausgeglichenen Menschen heranzuwachsen, denn es hat eine Mama, die sich sehr gut kümmern kann und weiß, was in ihr vorgeht. Das ist der zweite Lichtstreif.

Der dritte Lichtstreif ist deine Reflektion, wie du am besten mit deiner schwierigen Lage umgehen sollst. Dahingehend möchte ich dir ein paar Vorschläge machen.

- Zuallererst solltest du sicherstellen, dass dein Ex nicht wieder einfach in dein Leben treten kann - ändere deine Handynummer (nur wirklich vertrauenswürdigen Menschen in deinem Umfeld mitteilen!), sperre ihn in sozialen Netzwerken. Es ist super, dass du umgezogen bist - das kann dir helfen, dich zu sortieren und dich in deinem neuen Lebensabschnitt einzufinden.

- Meide seine Bekannten und Freunde und reduziere den Kontakt zu gemeinsamen Freunden, wenn du dir unsicher bezüglich ihrer Loyalität zu dir bist - im Zweifelsfall sollten sie deine Adresse nicht kennen.

- Suche dir schon jetzt in der Schwangerschaft Gleichgesinnte und Anlaufstellen, sodass du dich positiv auf dein Baby und das gemeinsame Leben einstellen kannst: Suche Kontakt zu anderen Schwangeren, vernetze dich, schwelge in Internetforen und Babygalerien mit den anderen Mamas und Papas in Vorfreude und lass dich von der Euphorie mitreißen (Mamikreisel ist z.B. eine gute Adresse, was die Unterstützung und den Austausch von Schwangeren und Müttern angeht).

- Versuche, eine Hebamme zu finden, die dich während der Schwangerschaft betreut. Sie kann nicht nur alle wichtigen Vorsorgen übernehmen, sondern auch mit dir über alle Belange einer werdenden Mutter sowie Befürchtungen und Nöte sprechen und mit geeigneten Mitteln entgegenwirken (z.B. durch ausführliche Beratung, Naturheilkunde, Bewegungs - und Entspannungsübungen).

- Auch wenn es anfangs noch schwierig ist: Wenn du schon die Entscheidung für dich gefällt hast, das Kleine zu bekommen, wirst du auch die weiteren Schritte in Richtung Mutter - Kind - Bindung schaffen! Das dauert vielleicht etwas länger, doch das Wichtigste ist, dass du an dich glaubst und deine Ziele verfolgst, auch wenn sich momentan niemand mit dir freuen kann. Dein Umfeld muss den Schrecken wegen deines Ex sicherlich noch verarbeiten und schieben das Negative auf das Kind. Das bedeutet aber nicht, dass sich deine Lieben nicht eines Tages doch öffnen und Zuneigung entwickeln. Bestimmt gibt es einzelne Verwandte und Freunde, welche dich da abholen können, wo du gerade stehst. Falls von bestimmten Personen unverhohlene Ablehnung kommen sollte, empfehle ich eingeschränkten Kontakt oder sogar Kontaktabbruch. Denn: Wer dich wirklich liebt und für dich da sein möchte, respektiert deine Entscheidung, das Kind auszutragen. Dein Baby kann nichts für seinen gewalttätigen Vater und du brauchst während deiner Schwangerschaft und dann als frischgebackene Mama viel Rückendeckung.

- Setze dich nicht unter Druck, wenn du nicht so schnell positive Veränderung in deiner Wahrnehmung bemerkst. Gerade das Sich - als - Mutter - Fühlen kann sehr lange dauern und ist immer im Werden begriffen. Ambivalente Gefühle und Gedanken gehen mit einer Schwangerschaft meistens Hand in Hand.

- Versuche, deine Trauer und überhaupt alle deine Gefühle stets ernst zu nehmen und auf unterschiedliche Weise auszudrücken. Vielleicht helfen dir künstlerische Techniken wie Malerei, Zeichnen, Schreiben, Collagen erstellen, Töpfern, Filzen,... auch viel Bewegung an der frischen Luft in Form von Spaziergängen tun gut, helfen bei der gedanklichen Verarbeitung.
Halte dich an die Menschen, welche nicht von deiner Seite weichen. Sprich mit ihnen über deine Gefühle, wenn dir danach ist.
Besuche 2 - 3 Monate vor dem Entbindungstermin einen Geburtsvorbereitungskurs, das gibt dur Selbstvertrauen, wichtige Informationen und das Gefühl, nicht alleine zu sein. Auch hier können neue Kontakte entstehen. Genauso für die Zeit nach der Geburt: Nutze das Angebot eines Rückbildungskurses und treffe dich regelmäßig mit anderen Müttern und Vätern.

- Eventuell wäre emotionale Begleitung durch einen Gesprächskreis, Selbsthilfegruppe oder eine psychotherapeutische Bearbeitung deiner Erlebnisse hilfreich.

Ich hoffe sehr, dass nun allmählich eine Zeit für dich beginnen kann, die von den vielen kleinen und großen Glücksmomenten lebt, die ein Baby mit sich bringt! Alles Gute wünsche ich dir und deinem Kind!

Nuala