Problem von Amelia - 15 Jahre

Sinn des Lebens? Können meine Träume wahr werden?

Liebes Kuka-Team,
schon einmal ein riesen Dankeschön für eure Antwort bzw. eure Antworten, denn ich lese gerne manchmal einfach alle Probleme inklusive euren Antworten durch, die ihr ins Internet stellt! Ich wollte eigentlich schon lange hier etwas hineinschreiben, habe es mich aber nicht getraut. Zum Glück hat es ein anderes Mädchen schon getan: Das 14 Jahre alte Mädchen, Gillian Heinsohn, die ihr Problem "Was will ich? Bin ich schon depressiv?" erläutert hat. Ich fühle mich so ziemlich genauso wie dieses Mädchen, jedoch mit ein paar Unterschieden. Ich frage mich immer wieder was eigentlich der Sinn des Lebens ist? Wozu das alles? Das tue ich eigentlich schon sehr lange, doch erst jetzt ist es so schlimm gerworden. Ich würde nicht sagen, dass ich depressiv bin, jedoch fühle ich mich alleine...so ziemlich immer, obwohl ich auch Freunde habe. Ich will ihnen meine Probleme aber nicht anvertrauen, da ich glaube, dass sie mich nicht verstehen (sind auch eher nur klassische "Schulfreunde"), denn ich fühle mich anders und ich will auch anderst sein. Ich will nicht das "normale Leben" führen, sondern ich möchte die Welt sehen mit einen Skateboard durch ganz Deutschland fahren (ich spare auch schon sehr viel). Doch das Problem ist, dass ich weiß, dass es sehr kompliziert ist, dass es vielleicht niemals in Erfüllung geht (ein weiterer Grund, weshalb ich mich so "depressiv" fühle). Ich will aber nicht am Ende meines Lebens stehen und mir denken: "Toll..ich habe so gelebt, wie es andere von mir erwartet haben" oder "ich habe jeden Tag eigentlich dasselbe gemacht: aufstehen, zur Arbeit fahren, nach Hause fahren, schlafen."
Ich war schon immer ein Kopf-Mensch. Ich denke sehr viel nach... das fällt sogar meiner Tanzlehrerin auf, dass ich anstatt zu tanzen immer nachdenke und überlege, was ich machen soll. Mit meinen jungen Alter mache ich mir sogar schon Gedanken über den Tod. Ich erinnere mich noch daran, als ich in der Grundschule mit vllt. 8 oder 9 Jahren meine Katze bekommen habe. Meine Schwester hat sich so gefreut und ich dachte nur über den Schmerz nach, den wir erleiden müssen, wenn sie stirbt. Auch sitze ich im Unterricht manchmal dran, schaue meine Klassenkameraden an und stelle mir, wie in den Filmen, vor, wie alle langsam verblassen und sterben. Daraus folgt ein weiteres Problem: ich fühle mich dadurch besser als die anderen, da ich mir über so ziemlich alles Gedanken mache. Egoistisch. Das denke ich bin ich manchmal. Jetzt schweife ich ab ;). Ja ich weiß ich wiederspreche mir selbst ;). Denn anscheinend habe ich doch DEN DES LEBENS gefunden. Meine Gedanken sind sehr durcheinander genauso wie bei Gillian. Ich hoffe ihr kommt mit meinem Durcheinander klar!

Anna Anwort von Anna

Hallo Du,

das ist schön zu hören, dass Du so eine begeisterte Kuka-Leserin bist und ich bin froh, dass Du jetzt, nachdem Du Dich mit einem der Probleme so identifizieren konntest, auch den Mut gefunden hast, uns zu schreiben. Danke für Dein Vertrauen.

Dass Du vom Leben mehr erwartest, als das, was man so kennt, als das "Normale", vielleicht auch als das, was Du vorgelebt bekommst, ist wirklich toll. Das ist auch kein depressiver Gedanke und Wunsch, sondern das Hoffen auf mehr, verbunden mit der Angst, dass es nicht klappt. Du weißt, was in Dir steckt, Du spürst diesen enormen Hunger auf die Welt und beginnst jetzt schon daran zu arbeiten, dass Du ihn auch ja wirst stillen können. Ich bewundere Deine Motivation und Deinen Enthuasiamus.
Vielleicht beruhigt Dich der Gedanke, dass das Leben, das Du Dir da vorstellst, schon jetzt in dem Moment begonnen hat. Du steckst mitten drin! Auch wenn Du oberflächlich betrachtet noch nichts Außergewöhnliches tust, wie zum Beispiel um die Welt zu reisen, so erlebst Du doch trotzdem nun schon all das, was man Leben nennt. Du philosophierst, Du planst, Du machst Erfahrungen mit anderen Menschen, Du bildest Dir Meinungen und eine Persönlichkeit, Du entdeckst nicht nur die Welt um Dich herum, sondern auch Dein ganzes Innenleben. All das nennt man "mitten im Leben stecken". Du freust Dich jetzt schon darauf, rumzureisen - toll, dass Du schon dafür sparst. Informiere Dich doch jetzt schon über verschiedene Reiseziele, über Orte und fremde Länder, höre Dich an Deiner Schule nach Schüleraustauschprogrammen um, überlege zusammen mit Deinen Eltern, wann eine Interrail-Tour für Dich in Frage käme. Da gibt es Einiges, was Du neben dem Sparen schon tun kannst.

Ich möchte Dir ein Heftchen empfehlen. Vielleicht sind in dieser Reihe auch noch andere, die was für Dich wären, aber das hier wird sicher gut passen: http://www.amazon.de/gp/product/3941837931/ref=s9_simh_gw_p14_d1_i18?pf_rd_m=A3JWKAKR8XB7XF&pf_rd_s=desktop-1&pf_rd_r=1NB5KBD9QTDVSJWTFNP8&pf_rd_t=36701&pf_rd_p=585296347&pf_rd_i=desktop

Ich würde Dir außerdem empfehlen, zu schreiben. Ich bin beeindruckt von den Formulierungen in Deinem Text, von Deiner sprachlichen Fähigkeit, Deine Gefühle in Worte zu fassen! Führe Tagebuch, halte fest, was Du denkst und was Dich bewegt. Du kannst mehr, als Du tust. Drücke Dich aus, künstlerisch, in Aktionen, Vereinen, eigenen Projekten etc. - damit musst Du nicht warten und dafür brauchst Du auch kein Geld.
Den Sinn im Leben zu finden, das ist nicht leicht. Früher war das Ganze ein bisschen einfacher, damals, als die Religion und die Kirche hier noch mehr Einfluss auf das Denken der Menschen hatte. Der Sinn wurde von Gott vorgegeben, wenn man Fragen hatte, konnte man sich an einen Priester wenden. Aber mit der Aufklärung verfiel diese geistige, innere Sicherheit, die man haben konnte, mehr und mehr und der Mensch muss sich heute den Sinn im Leben selbst suchen. Manch einer ist noch sehr religiös und findet ihn dort, manch anderer sieht den Sinn in den Taten, die er tut, im politischen Handeln vielleicht. Andere sehen den Sinn im Großziehen von Kindern, im Verdienen von Geld, in der Familie, manche in Kunst und Musik, im Retten von Menschenleben, als Aktivist oder Sanitäter. Wo der Sinn für Dein eigenes Leben liegt, musst Du selbst herausfinden und das wirst Du, in dem Du Dich besser kennen lernst. Dich besser kennen lernen, kannst Du aber nicht nur, in dem Du viel Zeit alleine verbringst und Dich nur mit Dir selbst beschäftigst. Richtig kennenlernen wirst Du Dich erst im Umgang mit anderen Menschen, im Umgang mit denen, die Du liebst und auch mit denen, die Du hasst. Wenn Du Deine Freundschaften als oberflächlich empfindest, frage Dich woran das liegt. Auch, wenn man von Außen nicht in den anderen hineinschauen kann, so kann man sicher sein, dass auch er tiefe Gefühle, Ängste und Hoffnungen, Vorstellungen und Träume hat, auch, wenn dieser Freund Dir noch nichts davon erzählt hat. Vielleicht hast Du nur noch nicht gefragt. Die Einsamkeit, von der Du erzählst, zeugt von innerer Isolierung. Du erlebst Dein eigenes Innenleben so tief und emotionsreich, so bunt und vielschichtig, dass Du Dir nicht vorstellen kannst, dass es anderen auch so geht. Höre nicht auf, Menschen kennenzulernen und vor allem, versuche sie NÄHER kennenzulernen. Sie haben Dir mehr zu bieten, als Du glaubst.

Am Ende würde ich Dir gerne noch zwei Filme empfehlen, die Dich interessieren könnten:
http://www.amazon.de/Club-toten-Dichter-Special/dp/B00005AXLL/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1455716400&sr=8-1&keywords=club+der+toten+dichter
http://www.amazon.de/Gattaca-Deluxe-Ethan-Hawke/dp/B0011WMXA6/ref=sr_1_2?ie=UTF8&qid=1455716424&sr=8-2&keywords=gattaca


Ich wünsche Dir alles, alles Gute und hoffe, dass Du das findest, wonach Du suchst. :)

Liebe Grüße,

Anna


- Wozu die "Welt" da ist, wozu die "Menschheit" da ist, soll uns einstweilen gar nicht kümmern, es sei denn, daß wir uns einen Scherz machen wollen: denn die Vermessenheit des kleinen Menschengewürms ist nun einmal das Scherzhafteste und Heiterste auf der Erdenbühne; aber wozu du Einzelner da bist, das frage dich, und wenn es dir Keiner sagen kann, so versuche es nur einmal, den Sinn deines Daseins gleichsam a posteriori zu rechtfertigen, dadurch daß du dir selber einen Zweck, ein Ziel, ein "Dazu" vorsetzest, ein hohes und edles "Dazu". -

aus: Friedrich Nietzsche: Unzeitgemäße Betrachtungen, Zweites Stück