Problem von Wiebke - 20 Jahre

Studium abbrechen? Wie gehts weiter?

Hallo Liebes Kummerkastenteam,

Ich weiß dass es dazu schon 4 Fragen gibt, jedoch ist mein Problem eher ein Problemhaufen und umfasst noch viele weitere Bereiche, unter anderem Beziehungsprobleme, finanzielle Probleme und gesundheitliche Probleme, sodass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll und der Text wird bestimmt sehr lang...

Kurz erst mal ein paar Fakten zu mir: Ich bin Studentin im 3. Semester und habe mir Nanostrukturwissenschaften ausgesucht. Ich habe im Mai einen kleinen Sohn bekommen, den ich hier mit J abkürzen werde, er ist ein absolutes Wunschkind. Mein Verlobter, nennen wir ihn mal M, hat zeitgleich mit mir angefangen zu studieren, Lehramt Biologie/Geschichte, hat aber auch abgebrochen.

Jetzt zu meinem Problemhaufen, der sich schon seit der 11. Klasse immer weiter vergrößert:

Damals war ich schon 2 Jahre mit M zusammen, als ich mich in einen guten Freund verliebte, ich quälte mich monatelang mit der Entscheidung, mit wem ich lieber zusammen sein möchte und entschied mich letztendlich für M, unter anderem weil ich sehr schüchtern bin und mich einfach nicht getraut habe...
Dem anderen Jungen gegenüber entstand ein riesiger Hass, als er einem anderen Mädchen hinterher lief, sodass der Kontakt abbrach, unter anderem weil das Mädchen mich auch nicht mochte. Erst kurz vor der Geburt von J war diese Geschichte vergessen und nun sind wir wieder gute Freunde.

Zeitgleich passierten weitere kleinere Problemchen: Meine beste Freundin machte ein Auslandsjahr, danach war sie komplett anders und nicht mehr an einer Freundschaft interessiert. Weiterhin hörte ich nach 11 Jahren Ballett auf, seit dem bin ich aber deutlich krankheitsanfälliger, mehrmals im Jahr Reizhusten bis zum Stimmverlust, 3-Tage-Fieber, Grippe, kurz gesagt ich nehme alles mit, was es gibt.
Durch das Abi, die Schwangerschaft und den Stress seitdem J auf der Welt ist, hab ich noch nicht wieder mit Sport angefangen, bereue das aber jeden Tag, weil mir einfach der körperliche Ausgleich fehlt.

In der 11. Klasse war also viel los, ich dachte viel nach und wurde immer verzweifelter, also suchte ich irgendwas, dem ich die Schuld daran geben konnte und machte gleich die ganze Menschheit verantwortlich dafür. Ich fing an alles Künstliche zu hassen, sah aber ein, dass ich es nicht ändern konnte, außer ich würde in die Wildnis gehen. Daraus entstand mein Wunsch nach Afrika zu fliehen. Erst kurz vor dem Abi hatte ich meine Gefühlswelt wieder unter Kontrolle, vor allem weil ich mich endlich M geöffnet hatte.
Ich weiß nicht wodurch es kam, aber genau ab da hatte ich einen extrem starken Kinderwunsch, der mich nicht mehr losließ, sodass ich M überredete. Da er glücklicherweise ein totaler Familienmensch ist, setzte ich also die Pille ab und muss sagen, ich war schon sehr lange nicht mehr so glücklich, auch weil ich endlich alleine mit M lebte und ziemlich weit weg von meinem Vater, über den ich später noch eine Menge zu sagen habe...
In der Schwangerschaft wurde mir dann bewusst, wie unglücklich ich wirklich gewesen war, wie weit ich in das Loch gefallen war und stellte durch den zeitlichen Verlauf eine Verbindung zur Pille her, da auch auf der Packungsbeilage stand, dass sie Depressionen oder depressionsähnliche Zustände verursachen kann.

Die Schwangerschaft und Geburt waren sehr schön, nur haben wir es leider etwas zu lange verheimlicht, sodass unsere Eltern (vor allem mein Vater) sehr aufgebracht waren, als sie es hörten. Weiterhin muss ich sagen, dass M und ich bürokratiefaul und -scheu sind und zwar nicht nur ein bisschen. Dadurch fehlt es natürlich Geld, zum Beispiel Wohngeld (das wir übrigens immer noch nicht beantragt haben).

So weit zur Vergangenheit und jetzt zum Kern meines Problems: das Studium.
Da ich bis zum Abi nicht wusste, was ich werden will und relativ gut in Naturwissenschaften war, mich aber nicht für eine entscheiden konnte, entschied ich mich kurzer Hand und weil alle von mir ein ausgefallenes Studium erwarteten für Nanostrukturwissenschaften. Ob ich das Studium toll finden und schaffen würde dachte ich gar nicht nach, Hauptsache ich hatte erst mal irgendwas und dann auch noch sowas außergewöhnliches, dass es auf andere ziemlich gut wirkte.
Das erste Semester lief schon nicht gut, gleich zu Beginn durfte ich ein Modul nicht mitmachen, da ich schwanger nicht ins Labor durfte (Mittlerweile weiß ich, dass die Chemikalienbelastung wirklich sehr hoch ist und verstehe diese Regelung vollkommen). Weiterhin versagte ich bei den Prüfungen komplett und dachte nach der Prüfungszeit das erste Mal über einen Wechsel des Studienfachs nach, jedoch wusste ich nicht was besser für mich wäre...

Im zweiten Semester lief es deutlich besser, obwohl ich durch die Geburt 2 Monate fehlte. Ich schrieb 3 Prüfungen, die ich auf Anhieb bestand, eine davon sogar mit einer 2. Wahrscheinlich habe ich das meiner Kommilitonin zu verdanken, die mir Nachhilfe gab. Außerdem hatte ich endlich einen Grund, weshalb ich gut studieren muss, da ich nicht sehr ehrgeizig bin und schon immer Motivationsprobleme hatte.

Leider lief es für M nicht so gut, Geschichte brach er nach dem ersten Semester ab und wollte dann zu Sport wechseln, da schaffte er ganz knapp die Eignungsprüfung nicht und da Bio auch nicht so lief wie gewünscht, brach er ganz ab (Gründe waren unter anderem Faulheit und eine leichte Spielsucht mit der er schon seit Jahren kämpft).
Also wollte er ein 6-Monatiges FSJ machen, aus dem aber nichts wurde. Dann beantragte er erst mal Hartz 4 und ging zum Arbeitsamt. Als neuer Berufswunsch stand dann sehr schnell Erzieher fest und die nette Frau von Arbeitsamt sagte ihm dann, dass man die 2 Jahre unbezahlte Ausbildung zum Sozailassistent durch ein 6-monatiges Praktikum im Waldorfkindergarten überspringen und direkt mit der 3-jährigen Ausbildung zum Erzieher starten kann. Nach viel Bürokratie befindet er sich jetzt im Praktikum und es ist schön zu sehen, dass er jetzt seinen Traumberuf gefunden hat, der ihm sehr viel Spaß macht.

Ein bisschen neidisch bin ich jetzt schon, da mir Nanostrukturwissenschaften gar keinen Spaß mehr macht, mich kaum noch interessiert und so der ganze Stoff nicht im Gedächtnis bleibt. Ich habe das Gefühl, dass ich wochenlang für nichts lerne, da ich jetzt im dritten Semester wieder nur durchgefallen bin. Durch die Schwangerschaft und die schlechten Prüfungen, brauche ich dann alleine für den Bachelor 4 Jahre, danach bräuchte ich aber noch Master und Promotion, um mit dem Studium wirklich was anfangen zu können. Dazu hab ich aber weder Lust noch Geduld und Zeit und schon gar nicht das Geld.
Jetzt bin ich extrem unglücklich und denke immer wieder über das für und wider nach, weil ich einfach Angst davor habe, abzubrechen...
Ich habe nämlich eine Menge Geld investiert (Nachhilfe, Sofatutor), weiterhin habe ich extra das Stillen nach 5 Monaten abgebrochen, um das Laborpraktikum zu machen. Das alles wäre komplett umsonst gewesen, genau wie die 2 Jahre seit dem Abi. Ich fühl mich wie ein Versager, habe mich diesmal aber gleich getraut, es allen zu sagen, damit es nicht wie mit der Schwangerschaft endet...

Dadurch, dass ich jetzt für keine Nachschreibeklausur gelernt habe, ist es eigentlich schon beschlossen abzubrechen und irgendwie ist es eine riesige Erleichterung, aber ich habe absolut keine Ahnung was ich jetzt wann und wie machen soll. Ich komme auch nicht damit klar, dass ich jetzt nach 2 Jahren erst mit der Neuorientierung anfange und so viel geopfert habe und es ist einfach alles doof :( Vor allem das frühe Abstillen belastet mich und mein Gewissen noch sehr stark...

Das größte Problem, was ich momentan habe ist, dass M mich irgendwie nicht versteht und unterstützt, obwohl er ja ein Jahr vorher in der selben Lage war und ich mir sehr viel Zeit genommen habe, ihn zu trösten und ihm zu helfen. Außerdem bin ich sehr doll erkältet und habe mal wieder keine Stimme, sodass ich mit niemandem richtig reden kann und auch alles Organisatorische nicht erledigen kann, M denkt aber nicht mal daran mir wenigstens die Anrufe abzunehmen, weil er Panik vor dem Anrufen hat...

Wir ziehen im Mai um (innerhalb der Stadt), bis dahin muss der neue Hausmeister kontaktiert werden, um die Küche auszumessen. Unser Vermieter muss angerufen werden, um endlich den Wohngeldantrag ausfüllen zu können.
Da ich hier festsitze und keinen der weiteren Studiengänge der Uni auch nur halbwegs interessant oder machbar finde, bleibt für mich nur eine Ausbildung übrig, dafür muss ich Bewerbungsfotos machen lassen, müsste also anrufen für einen Fototermin. Ich müsste verschiedenste Leute anrufen für Praktikas, Infos über Berufe und einen Termin beim Arbeitsamt.
Kurz gesagt: ich kann momentan ohne Stimme gar nichts machen und das nervt mich so!!
Ich kann mich nicht mit Freunden treffen, weil die alle Babys haben, die ich natürlich nicht anstecken will, sodass ich langsam vereinsame :(
Am liebsten würde ich ein paar Tage zu meinen Eltern fahren, aber die Zugfahrt kostet sehr viel und Führerschein muss ich erst noch machen... Wieder was zum Anrufen! Ich werde verrückt!

So jetzt noch etwas zu meinem Papa und meinem Verlobten:
Mein Vater war schon immer darauf bedacht, dass ich gut in der Schule bin und hat mich immer sehr unter Druck gesetzt. Ich sollte seine Träume von einem sehr guten Studium und gut bezahlten Beruf umsetzen. Er war schon nicht mit M einverstanden, da er nicht der fleißigste ist, nachdem er aber von J erfahren hat, ist er noch gemeiner zu mir geworden und bezeichnet mein Leben als versaut. Ich habe ihm schon mehrfach gesagt, dass ich mir mein Leben einfach anders vorstelle als er, aber er meint nur, das wäre realitätsfern und ich soll endlich aufwachen. Ich weiß noch nicht, wie er auf den Studiumsabbruch reagiert hat oder ob Mama es ihm überhaupt schon gesagt hat...
Ich wette aber, er wird monatelang nicht mit mir reden und mir das Geld streichen, umso wichtiger, dass ich mir jetzt erst einmal einen Nebenjob besorge. Da habe ich auch einen in Aussicht, musste aber leider das Probearbeiten wegen der Erkältung verschieben :(

Mein Verlobter ist wirklich etwas faul, solange ich gesund bin, mache ich auch fast den ganzen Haushalt, aber in der Prüfungszeit und wenn ich krank bin, streiten wir uns fast nur noch, da ich den Haushalt nicht schaffe und ihn immer erst dreimal auffordern muss, bis er was macht. Damit kann ich jetzt aber bisschen lockerer umgehen, da meine Schwiegermama mir letztens verklickert hat, dass Männer Dreck und Unordnung nicht in dem Maße sehen, wie wir Frauen. Trotzdem streiten wir uns momentan nur noch, was vermutlich auch an meiner Allgemeinen Überforderung und Reizbarkeit liegt, weil nichts so klappt wie ich es gerne hätte...

Nach einigen Recherchen, kann ich jetzt sagen, dass ich nach Jahren endlich meinen Wunschberuf gefunden habe, der aber leider auch wieder einen riesigen Haufen Probleme mit sich bringt, da die Ausbildung in meiner Stadt nur alle 3 Jahre beginnt und ich es gerade verpasst habe, in den Nachbarstädten würde dieses bzw. nächstes Jahr gehen, aber die liegen leider alle fast eine Stunde Fahrt entfernt, sodass es organisatorisch und finanziell für uns eigentlich nicht machbar ist, zumal ich vorher noch Führerschein machen müsste...
Umziehen geht leider dann nicht mehr, weil M dann schon mitten in der Ausbildung ist und eine Fernbeziehung kommt für uns eigentlich nicht in Frage, vor allem wegen J.
Außerdem gehört der Beruf genau wie Erzieher zu den nicht so gut bezahlten Berufen mit Schichtarbeit, damit kann ich mir für uns keine Zukunft vorstellen, vor allem da mindestens noch 2 Kinder folgen sollen :(
Also mein Herz und Bauch sagt ja, mein Kopf nein bloß nicht. Was mach ich denn jetzt?

Vielen Dank, dass Sie sich diesen langen Text durchgelesen haben. Ich brauchte jemandem, dem ich das alles einfach mal erzählen konnte und zwar in schriftlicher Form. Danke schon mal für diesen ersten Schritt zur Problemlösung!

Liebe Grüße Wiebke

PaulG Anwort von PaulG

Liebe Wiebke,

ich möchte dir fast zurufen: Mach doch nicht den zweiten Schritt vor dem ersten!

Damit meine ich: Mir ist aufgefallen, dass du schon sehr intensiv nachgedacht hast, wie und warum es zu deinen Probleme gekommen sein könnte. Äußerlich sind die Ursachen klar, aber deine Analyse stößt bis in tiefenpsychologische Bereiche vor. So zum Beispiel, wenn du deinen Hass auf das Künstliche, Profane, Unnatürliche bis kurz vor dem Abi darauf zurückführst, dass du ob deiner Probleme einen Schuldigen (etwas Schuldiges) gesucht hättest. Ich möchte deine Sichtweise nicht bestreiten. Aber sag selbst: Ist es wirklich notwendig, das zu wissen? Viel wichtiger, als erklären zu können, warum man manchmal mit dem Kopf in den Wolken steckt, gereizt ist oder faul, ist es doch, sich eben dieser Dinge bewusst zu sein. Und das bist du. Du hast ein sehr genaues Bild von den Eigenschaften, die dich ausmachen - den guten und den weniger guten - und du hast erkannt, wo sie deine Probleme bedingen. In vielen Punkten hast du die beste Lösung - oder vorsichtiger gesagt, die beste Möglichkeit, Abhilfe zu schaffen - schon selbst benannt. Das ist sehr gut, und es zeigt, dass du wesentlich reifer und vernünftiger bist, als du dich selbst siehst. Die Frage, die jetzt beantwortet werden muss, ist jedoch nicht, wie du in diese Situation gekommen bist. Sondern, wie du es schafft, die Handlungen zu ergreifen, die dir hilfreich sein können.

Zunächst mal geht es um ganz praktische Dinge. Warum nicht Wohngeld beantragen? Wenn es diese Möglichkeit für euch gibt, Wiebke, dann wäre es doch fahrlässig, sie nicht zu nutzen. Ich kann dich verstehen, wenn dir Formulare ein Dorn im Auge sind. Aber denk doch um Gottes Willen jetzt nicht an ein schnödes Blatt Papier, sondern denk daran, wie gut du dich fühlen wirst, wenn du deiner Familie ein weiteres Stück Lebenssicherheit erschlossen hast! Und ebenso in der Uni: Studieren ist immer Gerenne, da nachfragen, dort sich absichern, hier was hintragen, von jenem was absegnen lassen - und so ist es auch weiterhin. Es geht vielen Menschen so, dass sie damit frustriert sind. Aber immerhin kann man hoffen, am Ende das zu haben, worum es einem ging. Das Thema Bürokratie lässt dich eh nie los, und bevor du dazu gezwungen wirst, zwing dich doch lieber selbst. Es ist ja nur zu deinem Guten. Denke daran, dass es absolut okay ist, wenn man den Wesenszug hat, Ämterflure und Briefe zu hassen; damit bist du nicht allein. Es wäre auch nicht weiter schlimm, wenn du allein in einem Zimmer lebtest, und so vor dich hin studieren würdest. Dann müsstest du niemandem Rechenschaft ablegen, und wenn du angefahren würdest, ohne eine Krankenversicherung zu haben - gut, dann müsstest du die Kosten tragen, und es wäre dein Problem. Du fühlst dich doch aber sehr für deinen kleinen Sohn verantwortlich? Es ist wirklich schön, aus deinem Text zu spüren, wie sehr du ihn liebst, und dass du ihm trotz der vielen Schwierigkeiten stets gerecht werden möchtest. Dass du zeitiger abgestillt hast, als es nötig gewesen wäre, das ist nicht rückgängig zu machen. Du kannst aber noch sehr viel tun, jetzt und in Zukunft, um deinem Sohn zu zeigen, dass du ihn liebst, und seine Kindheit schön zu machen. Meinst du nicht, es würde dir besser gehen, und auch ihm zugute kommen, wenn du dir den Papierkram, der dir wie Steine am Hals hängt, mal weggeschafft hättest? Und auch die Anrufe? Wie gesagt, es ist nur menschlich, davor zurückzuscheuen. Doch auch wenn es nie endet, wirst du damit schon bald souveräner umgehen, sobald du deine Hemmungen überwunden hast. Dann ist es nicht mehr so schlimm, und du hast mehr Raum für die wichtigen Dinge in deinen Gedanken. Vielleicht kannst du eine Freundin bitten, dich zu den Behördengängen zu begleiten? Denn früher oder später muss es getan werden. Besser, du raffst dich jetzt auf, und atmest hinterher freier.

Du hast bereits jetzt in deinem Leben eine Richtung eingeschlagen, die deinem Vater wohl nicht behagt, so wie du seine Wünsche für dich geschildert hast. Es ist natürlich verstehbar, dass man als Eltern für sein Kind das Beste will; oft heißt das aber, "den Weg, auf dem man am wenigsten Aufregung erwarten kann". Ganz egal, ob es um Geld geht, um den Job, ums Wohnen - ja, wenn du nur weit genug gekommen bist, dann wirft dich so schnell nichts aus dem Sattel. Und das sollst du jetzt tun, wünscht sich dein Vater. Wenn du aber über dein Leben nachdenkst, darfst du dich nicht nur fragen: Wieviel Geld will ich verdienen? Will ich einen absolut sicheren Job? Einen Partner, der mir alles bieten kann? Wenn du diese Frage alle mit "Ja" beantwortest und zu erlangen versuchst, gehst du den Weg des geringsten Widerstandes - dagegen ist nichts einzuwenden. Die Vorteile liegen auf der Hand. Nachdem du aber bereits in einer Situation bist, in der Flexibilität gefragt ist, kannst du sie auch nutzen, um dir andere, ebenso wichtige Fragen zu stellen: Wie will ich erreichen, dass ich auf persönliche Weise glücklich bin? Will ich häufig Freunde zum Essen einladen, mit ihnen lachen? Will ich viel in der Natur sein, meinem Sport nachgehen? Will ich viel Zeit für mein Kind haben? Der größte Geldbeutel schließt das nicht aus, macht es aber auch nicht unbedingt möglich. Wenn du deine Wunschausbildung machen kannst, solltest du es tun. Nur fragt es sich, ob deine Wohnsituation und deine Beziehung das so mitmachen.

Ich kann dir keinen klaren Rat geben, wie du am besten dahin kommst, die Ausbildung zu machen, deine Liebe ins Lot zu bringen, und eine für euch beide passende Wohnlage zu schaffen. So wie du es geschildert hast, ist es schon sehr kompliziert und schwierig. Und dabei schweben noch die ausstehenden Anrufe drohend über dir. Also heißt es hier wieder, eins nach dem anderen: Versuche, dir diese lästigen Pflichten vom Hals zu schaffen. Versuche, dich mit deinen Eltern auszusprechen. Und denke ein wenig über deine Beziehung nach. Offenbar ist dein Verlobter auch sehr ausgelastet, das kann man ihm zugute halten. Auf der anderen Seite steht er dir auch nicht wirklich zur Seite, hilft dir nicht so, wie du es dir wünschst, brauchst und verdienst, und bringt nicht das Verständnis für dich auf, was jetzt nötig wäre. Ich weiß nicht, ob du mit ihm wirklich noch glücklich bist, und wenn nein, was das jetzt heißen sollte. Es sieht aus, als gäbe es eine Reihe von unangenehmen Entscheidungen, vielleicht verlustreichen, die du treffen musst. Du hast es zu Recht als einen "Problemhaufen" beschrieben. Es ist nicht gesagt, dass, Lösungen für diese Probleme zu finden - oder die, die du schon weißt, zu tätigen - einfach ist. Dass es schmerzfrei geht. Das Gegenteil ist der Fall. Aber je länger du es anstehen lässt und dich ängstigst, desto schlimmer wird es. Und ganz egal, ob du mittelfristig noch einmal jemanden vor den Kopf stößt - es wird sich für dich besser anfühlen, entschieden zu haben.

Du merkst: Was du wirklich willst, kannst du nur selbst wissen. Ich kann dir keinen idealen "Weg der Mitte" benennen, weil alles, was du jetzt tun kannst, an einem anderen Punkt Verluste bringt. Aber das gilt nicht für dein ganzes Leben. Es gilt für die jetzige Situation, in der du gern klare Ziele haben, klare Wege sehen und souverän werden möchtest. Tu, was du tun musst. Manches, weil es im Leben einfach so ist - und manches, weil du anders nicht glücklich würdest. Das ist mein Rat an dich. Aber was es im Einzelnen für Schritte sind, welche Handlungsweise unter den Optionen, die du genannt hast, du bevorzugst - das kannst du nur selbst entscheiden. Doch ich zweifle nicht daran, dass du es wirst, und dass du richtig entscheiden wirst.

Alles Gute und Liebe Grüße,

Paul