Problem von Ingenieurin - 29 Jahre

Feedback / Diskriminierung an deiner Uni

Guten Tag und ein Feedback dazu aus Sicht einer Ingenieurin auf Arbeitssuche,

ich hab der Antwort von Bernd praktisch nichts hinzuzufügen. Eigentlich schreibe ich auch fast nichts, was Bernd nicht selber schon gesagt hätte. Ich schicke dies trotzdem ab, weil ich grade selber in der SItuation einer arbeitssuchenden Ingenieurin drinstecke und ich mich daher von diesem Problem persönlich angesprochen fühle. Vielleicht hilft ja der Blickwinkel einer aktuell direkt von der Problematik Betroffenen.

Als frische Absolventin des Maschinenbaustudiums kenne ich einige Leute, die grade in der Bewerbungsphase drinstecken oder sie grad hinter sich haben. Und was ich sehe, ist überall das gleiche: Alle suchen lange. Frauen wie Männer. Ca. ein Jahr Jobsuche ist ziemlich normal. Woran das liegt? Keine Ahnung. Man bekommt nur eine Absage und keine Begründung dazu. Auch auf Nachfrage kommen kaum hilfreiche Informationen. Dann ist es natürlich einfach, sich für die Absage die Begründung auszusuchen, die einem am besten gefällt.
- wir sind Berufseinsteiger. Die Betriebe möchten lieber die erfahrenen Leute.
- irgendwas am Studium passte nicht (Noten, Dauer, zu wenig praktische Erfahrungen, Fachliches, was auch immer)
- die Wirtschaft in diesem Teil Deutschlands gibt einfach nicht mehr her....
- Bewerber und Stelle passen halt aus schwer qualifizierbaren Gründen einfach nicht perkfekt zusammen.
- oder ich fühle mich halt diskrimiert. Eine Frau im gebährfähigen Alter einzustellen, wäre nicht wirtschaftlich. Im Zweifel zieht dieses Argument immer. Ganz bestimmt liegt es ausschließlich und allein daran.

Es gibt unendlich viele Gründe, warum man eine Stelle nicht bekommt. Sich diskriminiert zu fühlen, ist da ziemlich einfach.

Noch ein Hinweis: Unterschätz diesen Einfluss nicht, den die Kinderfrage hat. Allein auf die Psyche der Frauen....die biologische Uhr tickt, bis dahin muss ich ausreichend viel Berufserfahrung gesammelt haben, sonst kriege ich danach nie wieder einen Einstieg. Jeder Monat, den ich länger suche, mindert meine Chancen darauf, Kind und Karriere unter einen Hut zu bekommen. Wir Frauen haben da einen exorbitanten Nachteil, der durch alle Statistik kaum zu erfassen ist. Nun ist das ein Faktor, der durch die Biologie einfach so festgelegt ist, da nützt alles Jammern nichts. Und natürlich ist die Erfahrung einer Schwangerschaft auch ein unfassbarer, durch nichts zu ersetzender Luxus. Also beschwere ich mich nicht darüber, sondern freue mich über dieses Privileg. Aber der Einfluss, den die Biologie auf die Karriere einer Frau hat ist größer als der, den eine Quote oder andere Bevorteilung zu haben vermag.

Fühl dich also nicht zu sehr benachteiligt. Dieser schöne Satz, Frauen werde bei gleicher Qualifikation bevorzugt eingestellt.... Ja, klar, das steht unter den Ausschreibungen immer drunter. Die Firmen müssen den dahinschreiben um sich rechtlich abzusichern. Wenn allerdings ein Personaler aus wie auch immer gearteten Gründen lieber den Mann einstellen will, wird er das trotzdem schaffen. Irgendeine Begründung findet sich immer. Ob die gerechtfertigt ist oder nicht, wird man von außen kaum nachvollziehen können. Dafür sind die Faktoren zu vielfältig.

In Anbetracht dessen, was ich mitbekomme und als Arbeitssuchende selber erlebe, macht mich ein Satz von dir wirklich wütend:
Warum ist es gerecht, wenn die 13 Prozent weibliche Absolventen 40 Prozent der Stellen reserviert kriegen, und dementsprechend mit der ersten Bewerbung eingestellt werden....

Die ERSTE Bewerbung? Meinst du das wirklich so oder war das nur so dahin gesagt? Falls das ernst gemeint ist, dann ist diese Aussage wirklich DISKRIMINIEREND! Bzw. einfach völlig realitätsfremd.
Diese Unterstellung, dass wir Alles in den Arsch geschoben bekommen ist eine Beleidung Denjenigen gegenüber, die wirklich etwas geleistet haben. Wenn ein Berufseinsteigerin frisch von der Uni weg wirklich sofort auf die erste Bewerbung hin eine Stelle bekommt, dann gibt es nur ein paar Erklärungen
- Sie ist richtig krass gut (dann liegt es nicht am Geschlecht)
- sie hat ein natürliches Talent im Prozedere des Bewerbens oder sie hat viel Geld für ein professionelles Coaching ausgegeben (Bewerben heutzutage ist eine Wisenschaft für sich. Beim ersten Versuch weisst du kaum, worauf es ankommt, und auch beim fünfzehnten Versuch gibt es noch Verbesserungsmöglichkeiten.)
- Sie hat richtig gute Beziehungen (die Chance haben Männer auch)
- sie hatte großes Glück (das geht auch für Männer)

Ich glaube, du steigerst dich einfach nur unfassbar in etwas rein. Du hast Ängste und suchst ein Ventil und projizierst jetzt alles auf diesen einen Aspekt. Das nimmt völlig irrationale Züge an. Dass du körperliche Beschwerden davon kriegst, macht das nur umso deutlicher. Denk mal drüber nach, ob du nicht ein tiefsitzendes anderes Problem hast, dass an dieser Stelle zu einer Überreaktion führt.

Frauen wurden jahrhundertelang diskriminiert. Das hat geendet, als ein paar mutige Frauen dagegen aufgestanden sind und es SELBER in die Hand genommen haben (statt sich einfach nur Leid zu tun. Und die hatten es schwerer als du heute, weil es damals den Begriff "Diskriminierung" noch gar nicht gab). Wenn du dich als Mann diskriminiert fühlst, dann tu das, was die Frauen auch getan haben und was geholfen hat: Steh dagegen auf, nimm es in die Hand. Im direkten Gespräch. Hast du mal das Gespräch mit den zuständigen Personen an der Uni gesucht? Mal mit einer Kommilitonin darüber geredet? Bernd hat völlig Recht, mit der Aussage, dass viele Frauen diesen ganzen Krampf auch nicht so toll finden. Und dass sie sich die Sache nicht ausgedacht haben. Wenn dich diese Thematik so mitnimmt, dass du die beschriebenen körperlichen Beschwerden bekommst, wäre das vielleicht mal ein Ansatz.

Das Problem ist, dass der der am lautesten schreit, am ehesten gehört wird. Das waren ewig lange die Männer, nun sind es die Frauen....Wenn du so willst, sieh es als ausgleichende Gerechtigkeit. Das ist vielleicht nicht toll, aber es ist kaum realistisch, zu erwarten, dass immer alle überall exakt gleichgut behandelt werden. Die Welt ist eben so nicht ...schon allein, weil sich kaum quantifizieren (und damit kaum sachlich vergleichen) lässt, wem es grad wie gut geht. Von daher ist alle Statistik gut und schön (wenn man sie denn richtig anwendet), aber um das ganze Thema richtig zu erfassen braucht es viel mehr als ein paar Prozentzahlen.

Nun ja, diese Antwort ist länger geworden, als ich sie eingetlich haben wollte....Bernd hatte das Meiste schon gesagt....verzeiht diesen Gedankenerguss. Als Frau, die im Ingenieurwesen grade eine Stelle sucht und keine findet, regt mich dieses Lamento einer Person, die selber im Prozess noch gar nicht drinsteckt aber alles auf meinesgleichen schiebt, einfach auf....Sorry.

Abschließend, wenn du dazu noch eine Meinung von wem hören willst, der tief in der Karrierethematik behimatet ist und der die nötige Ehrlichkeit besitzt, auch unangenehme Fragen zu diskutieren: Wende dich doch mal an den Herrn Mell und frage, wie der das so sieht. ( Der Name dürfte dir ein Begriff sein, wenn du dich mit dem Thema der Karriere auseinandergesetzt hast? ) (Ich will damit nicht sagen, dass Bernds Antwort nicht ausreicht, ich halte sie für sehr umfassend. Es geht mir nur darum, einem Zweifler eine weitere Möglichkeit aufzuzeigen, Informationen und Meinungen zu bekommen).

Bernd Anwort von Bernd

Hallo und danke für das Feedback,

hoffentlich konnten wir gemeinsam ein wenig an der gedanklichen Blockade unseres "diskriminierten" Cand.-Ing. rütteln?!

Dir wünsche ich, dass Du bald eine Stelle finden magst!

Bernd