Problem von Anonym - 13 Jahre

Suizdgedanken

Hallo liebes Kummerkasten Team,
Wie ihr an der Überschrift meinst Problemen sehen könnt, habe ich Selbstmordgedanken. Auch ritze ich mich seit geraumer Zeit und meine Eltern wissen das auch. Allerdings sagen sie immer: " das zieht nicht mehr" oder " übertreib nicht so". Sie denken ich würde das machen um z.B. Nicht in die Schule zu müssen oder mein Zimmer nicht aufzuräumen. Auch sagen sie mir, das man mit 13 schon erwachsen sei, und was für eine schlechte Kindheit sie hatten. Sie geben mir die Schuld dafür, daß sie nicht mehr richtig schlafen könnten und das sie dauernd gestresst sein und das schon seit Jahren, das es mir nicht gut geht, ich mich für meinen Gedanken und meinen Körper schäme, scheinen sie völlig zu ignorieren. Auch nennt mich meinen Schwester stehts fett und hässlich, aber meine Eltern sagen, da sei ich selbst dran schuld. Seit ich in die Schule gehe, genauer ab der 2. Klasse, halten Sie mir ständig vor ich sei egoistisch und halte mich für was besseres. Wenn ich einen 3 oder schlechter mit nach Hause bringe, sind sie enttäuscht und wütend auf mich, sagen aber gleichzeitig" es würde mir helfen von meinen hohem Ross runterzukommen" Immer wenn ich mit ihnen über meinen Gefühle rede, sagen sie, ich würde mir alles einbilden und das das alles gar nicht stimme. Mittlerweile freut es mich, daß sie mich schimpfen, weil sie mir so Aufmerksamkeit zeigen. Auch wurde ich schon öfters als 3-mal ausgesperrt. Dann waren sie aber nur wütend auf mich, weil ich geklingelt hatte um reinzukommen. Inzwischen bin ich total gestresst und überfordert und müde und auch einfach physisch und seelisch so kaputt, weil ich niemanden zum reden habe, das ich Tagsüber entweder nur schlafe oder weine. Als mein Zeugnis letztens statt gut nur durchschnitt war, waren sie extrem wütend auf mich und haben gemeint, ich hätte mir jetzt die Zukunft verbaut. Wenn ich Schmerzen habe, glauben sie mir nicht.Ich kann nicht mehr. Da meineEltern Pflegeeltern sind und auch schon mal in der Zeitung waren, traue ich mich nicht, mich ans Jugendamt, die Polizei oder an einen Arzt zu wenden. Ich kann und will nicht mehr Leben. Bitte helft mir!

PaulG Anwort von PaulG

Liebe Anonyme,

könnte es sein, dass deine Eltern ein gewisses Problem mit sich selbst haben? Offenbar haben sie Probleme, anzuerkennen, dass man mit 13 Jahren eben noch nicht alles alleine können muss, dass man Eltern hat, um auf sie bauen zu können - nicht, damit sie einen unterdrücken. Wie kommt das? Hatten sie vielleicht wirklich eine schlimme Kindheit? Dann wäre es nicht angebracht, dir deswegen auch eine zu bereiten. Obwohl du schon sehr erwachsen klingst, liebe Anonyme. Es tut mir leid, dass du von deinen Eltern so wenig Verständnis erfährst, und ich hoffe, dich von deinen Plänen abhalten zu können.

Es gibt Menschen wie deine Eltern, denen man schwer etwas recht machen kann. Du hast gute Noten - es reicht nicht. Dabei gibt es viele Leute in deinem Alter, die in der Schule Probleme haben, weil in ihrem Leben so vieles drunter und drüber geht. Du bist selbstständig und machst alles richtig gut - aber es ist immer noch nicht recht, du sollst noch dieses, musst noch jenes. Und wenn du dann nicht mehr kannst, erschöpft bist, nicht mehr weißt, was richtig und falsch ist, dann wird dir vorgeworfen, du seist wehleidig und bequem und unflexibel. Tja, so sind manche Leute. Und das Schlimme ist: Sie bleiben ja selbst so arm dabei. Sie kapieren nicht, dass es schon ganz toll wäre, würden sie selbst mal das tun, was sie unentwegt von anderen fordern. Aber so weit denken sie nicht. Sie sehen nur sich selbst. Dass sie eine Verantwortung haben, vergessen sie, weil es ihrer Meinung nach ja getan ist, wenn man arbeiten geht und sich an die Gesetze hält. Dass die eigenen Kinder, Freunde, Verwandte jemanden brauchen, der für sie da ist, das ist ihnen egal. Dass jemand, der das alles so gut macht wie du, und dabei all die Dinge aushalten muss, die in deinem Alter so über einen hereinbrechen, wirklich mehr Verständnis und Glauben verdient hat. Leider scheinen deine Eltern da zu beschränkt zu sein. Aber bestimmt hast du sie auch schon erlebt, wie es ist, wenn sie sich von jemandem Hilfe wünschen? Dann sieht bestimmt auf einmal alles ganz anders aus, oder?

Ich kann deine Angst nachvollziehen, weil deine Eltern Pflegeeltern sind. Aber das bedeutet ja noch nicht, dass sie ohne Fehler sind. Das weiß auch jeder, der den Zeitungsartikel gelesen hat. Hatten sie vor dir schon andere Pflegekinder? Dann mag es sein, dass jemand dabei war, der ihnen weit mehr Probleme bereitet hat, und dass sie dich in einer Weise angehen, die dir nicht gerecht wird. Das sehe ich manchmal ähnlich bei meiner Schwester: Für meine Mutter ist es eine Umstellung, dass nach zwei Jungs jetzt ihr Mädchen an die Reihe kommt, die eine ganz andere Persönlichkeit hat. Was bei meinem Bruder und mir während der Pubertät gezogen hat, damit kommt meine Schwester manchmal nicht zurecht. Sie muss auch lernen, sich umzustellen, umzudenken. Und was deine Eltern betrifft: Vielleicht fühlen sie sich wirklich überfordert, ermüdet, genervt, ist ihnen ihre Aufgabe, die zu übernehmen ja wirklich sehr lobenswert ist, gerade etwas über den Kopf gewachsen. Das alles ist doch aber nicht deine Schuld. Nur weil jemand einen guten Ruf hat, heißt das nicht, dass er nicht auch schwach werden kann, gereizt sein und überreagieren. Und wenn du jemandem, dem du das berichtest, das auch genauso sagen wirst, dann wird dir auch geglaubt werden. Denn wenn du einräumst, dass du um den guten Ruf deiner Eltern weißt und sie nicht für extra bloßstellen möchtest, dann klingt das reflektiert - und das ist es ja auch. Es geht dir nicht darum, deine Eltern in Verruf zu bringen; ihr seid eben eine Familie, in der es auch mal Probleme gibt, und derzeit scheinen sie von deinen Eltern auszugehen. Gott sei Dank ist es so, dass meine Meinung über eine Person nicht unverrückbar feststeht, wenn sie einmal gebildet. Wenn ich von jemandem, den ich sehr schätze und sympathisch finde, etwas Unschönes erfahre, ist das erst einmal erschreckend. Aber erstens ist das nicht seine ganze Persönlichkeit, zweitens weiß ich, dass jeder Mensch Schwächen hat. Deine Eltern offenbaren zurzeit ihre, weil sie dir gegenüber gefühlloser und härter auftreten, als gerecht ist. Und das muss bearbeitet werden.

Was ich dir sagen möchte, ist: Du machst das alles ganz super. Du klingst sehr reif und überlegt, auch wenn es mich traurig macht, dass ein Mädchen in deinem Alter solche Gedanken hat. Ich bin sicher, dass du die Schule schaffen wirst und deinen Weg gehen kannst. Lass dir von niemandem einreden, du seist ungenügend, seist faul oder arrogant. Das stimmt nicht. Niemand muss alles richtig machen und perfekt sein. Und Eltern hat man dafür, dass sie einem helfen, wenn man gerade nicht weiter kommt. Deine tun es nicht - doch lass dir ihre Fehler nicht selbst anrechnen. Nimm die ungerechten Vorwürfe nicht an, die sie dir machen. Sie mögen sagen, was sie wollen, du bist ein sehr freundliches Mädchen, für die es eine Zukunft geben soll. Wenn du dir das Leben nimmst, dann ist es vorbei. Du wirst nie erfahren, was gekommen wäre, wenn du gekämpft hättest. Wenn du den Mut gehabt hättest, für deine Rechte einzutreten. Deshalb meine Bitte an dich: Lass nicht locker, gib nicht auf. Das wäre falsch.

Viele Menschen, die sich über eine schwere Kindheit beklagen, können auch nicht sehen, dass keine Kindheit und keine Jugend total leicht und unbeschwert ist. Zwar geht es uns heute besser als noch vor einigen Jahrzehnten, aber was heißt das? Die vielen Konkurrenzkämpfe, die man mit Gleichaltrigen zu bestehen hat, der Druck in der Schule, der Stress, wenn für irgendein Zeug angeben wird, das man nicht braucht - das alles ist vielen fremd. Sie wollen nicht anerkennen, dass jemand wie du, die heute 13 ist, es überhaupt nicht leicht hat. Mein Opa zum Beispiel erzählt dir, wenn du ihn danach fragst, gerne mal, dass seiner Meinung nach nur noch fünf Wochen Ferien im Jahr sein sollten. Begründung: "Dann lernt man kontinuierlich und wird nicht ständig von unnötigen Ferien aus dem Takt gebracht!" Tja - dass es wohl einen Grund geben könnte, warum die Ferien so sind, wie sie sind, das leuchtet manchen dann nicht ein. Zum Beispiel, dass Nachmittagsunterricht in deiner Altersstufe fast schon die Regel ist, dass ihr viele Dinge lernen müsst, die in der Kindheit unserer Eltern und Großeltern noch kein Thema waren. Meint ihr nicht, möchte man sie fragen, dass jemand, der dreizehn, vierzehn Jahre alt ist, eine Arbeitswoche wie ein erwachsener, berufstätiger Mensch hat, plus Hausaufgaben, nicht ab und zu mal eine Pause braucht? Als ob in den Ferien nichts gelernt werden würde! Wenn jemand es nicht aufs Gymnasium schafft, wird davon geredet, als sei es die totale Katastrophe. Es wird gerade so getan, als ob die Zeugnisse, die du vor deinem Abschlusszeugnis erhältst, irgendeine Bedeutung hätten. Dabei stimmt das gar nicht. Das einzige, was wirklich zählt, ist dein Abitur oder dein Abschluss - und wie gut du bis dahin bist, darüber können Noten, die du jetzt bekommst oder nicht bekommst, gar nichts aussagen. Und dann gibt es ja noch so viel mehr - außer, dass man drei Sprachen und Mathe zu lernen hat und acht Stunden am Tag in der Schule verbringt: Eifersüchteleien über Klamotten, über Smartphones, über Statussymbole. Es gibt die sozialen Netzwerke, in die man praktisch gezwungen wird, und in denen ständig irgendwelche ermüdenden Diskussionen, Streitereien, Mobbing stattfinden. Es gibt frühreife Mitschüler, die mit ihren Eroberungen angeben. Es gibt die Gruppenbildung und das Gezanke, das es schon immer gab. Ich will nicht zu schwarzmalerisch sein, aber ich glaube nicht, dass es leicht ist, heute jung zu sein. Und ich bin ehrlich gesagt, ganz froh, dass das bei mir schon vor zehn Jahren war. Als manche Themen noch nicht so groß waren wie heute. Nur: Das alles entgeht manchen Menschen vollständig.

Es wäre gut, wenn du dich einem Lehrer oder Schulsozialarbeiter anvertrauen könntest. Oder wenn du nur jemand in eurer Verwandtschaft oder Bekanntschaft wüsstest, der einen guten Draht zu deinen Eltern hat, und dem du vertraust. Es gibt auch Beratungsstellen, ich möchte dir dazu besonders unsere Soforthilfe "Familie / allgemeine Familienprobleme" ans Herz legen. Polizei ist wahrscheinlich eine Spur zu hart. Was wichtig ist, ist dass du es nicht totschweigst und in dich hineinfrisst, sondern dass jemand all das erfährt, der dir wirklich helfen kann. Bis dahin kannst du versuchen, dir einen Ausgleich zu schaffen: Zum Beispiel joggen oder schwimmen gehen, oder was dir einfällt, um deinem Ärger Luft zu machen. Was wünschst du dir am meisten von deinen Eltern: Mehr Liebe? Oder dass sie einfach diese ungerechten Vorwürfe bleiben lassen? Du kannst jetzt dagegen halten, kannst ihnen sagen: "Damit ihr es wisst - ich bin 13 und euer Kind, und nein, ich habe es nicht so leicht, wie ihr glaubt!" Die Frage ist, ob du damit etwas erreichen würdest. Vermutlich würden sie das in ihrer Sicht nur bestätigen. Wenn du es dagegen passiv erträgst, nagt es doch trotzdem an dir. In diesem Fall kannst du nur hoffen, dass es sich mit der Zeit bessert, weil sie vielleicht aus irgendeinem Grund eine eklige Phase haben, und dich um die Schule bemühen. Doch all das macht dich doch nicht zufrieden? Du brauchst deinen Seelenfrieden zurück, der dir genommen wird. Wenn es keinen Rückzugsort gibt, macht einen das fertig. Zurzeit erscheint dir der Tod als Ausweg, aber das wäre nur eine Kapitulation. Denn du bist jung, du hast deine Rechte, du hast mit Sicherheit große Talente, und es wäre falsch, wenn du keine Gelegenheit bekämst, sie zu entwickeln. Meinst du nicht auch? Ich wünsche dir viel Kraft und das Bewusstsein, dass du es verdienst, zu leben, und diesen ständigen Druck loszuwerden. Setze dich dafür ein - ich würde es mir sehr wünschen.

Alles Gute und Liebe Grüße,

Paul